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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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selben einen höheren östreichischen fragte: ob denn nun die Oestreicher von
Böhmen her nicht bald aus ihrer abwartenden Stellung heraustreten und in
Sachsen den Preußen zuvorkommen würden, antwortete dieser: "Wir warten
nur noch auf die Bayern, die noch nicht fertig sind. Dann solls aber gleich
löschen!" Und mit einem schlauen Augenzwinkern setzte er hinzu: "Thut
nix, Wenns auch was länger dauert, drum giebts auch mehr Hieb für die
Preußen!"

Aber die Preußen sorgten dafür, daß es doch zu spät mit der bayerischen
Hilfe wurde und da dem bedrängten Sachsen keine Hilfe mehr zu bringen war,
wie es erst im Plane lag, richtete man seinen Marsch statt nach Osten, nach
Westen, um sich da mit dem achten Armeecorps zu vereinigen. Der Marsch
sollte nach Fulda hin dirizirt werden. Aber unterdeß kamen die Hannoveraner
in die Klemme, und um diesen herauszuhelfen, schob man sich wieder mehr östlich
nach dem Werrathal herein und den Rhönabhang entlang, um über Eisenach
den Hannoveranern die Hand zu bieten. Bei der allgemeinen Theilnahme, die
sich fast in allen Gemüthern für die braven Hannoveraner regte, folgte man
und fieberhafter Spannung und Erregung den Bewegungen der Bayern, die
aber trotzdem dem Wahlspruch zu huldigen schienen: Eile mit Weile! Es ging
im Ganzen nur langsam vorwärts und gegenüber den Preußen kamen sie denn
schließlich auch hier zu spät. ES ging den guten Bajuvaren wie dem Papageno
in der Zauberflöte: wo sie hinauswollten, riefen ihnen die Preußen als mah¬
nende Geister ihr Zurück! zu.

War nun schon der erste Auszug kein sehr tactfester, so artete die Krieg¬
führung bald ganz >n ein mehr unsicheres Herumziehen aus.

Am 27. Juni war eine bayerische Abtheilung als Fühler im Werrathal
erschienen, Reiterei mit einer Abtheilung Schützen auf Wagen und etliche Ka¬
nonen. Es sollte eine größere Nccognoscuung sein, die sich aber-nicht weit
über Meiningen hinaus erstreckte, das etwa 3'/, Meilen von Satzungen und
doppelt so weit von Eisenach entfernt liegt. Die Bayern waren Morgens un-
erwattet gekommen und verschwanden nach Mittag ebenso bald wieder. Am
29. rückten die ersten Abtheilungen des Gros ins Werrathal ein, an demselben
Tage, an welchem die Hannoveraner nach heldenmüthigen Kampfe capitulirten.
Die anderen bayerischen Truppen folgten am 30. und 31. Juli nach, so baß
namentlich Meiningen, wohin das Hauptquartier kam, reichlich mit Einquartirung
bedacht wurde, denn die Stadt mit ungefähr 7,000 Einwohnern erhielt 10,000
Geiste. Aehnlich war es auf den umliegenden Ortschaften.

Es wurden schon bei diesem Einzuge Beobachtungen gemacht, die nicht
durchweg zu Gunsten der bayerischen Truppen, namentlich in Bezug auf Ver¬
pflegung, Marschordnung und Disciplin ausfielen. Die Truppen führten zwar
Verpflegung und alles reichlich mit sich, aber für die Erhaltung derselben war


selben einen höheren östreichischen fragte: ob denn nun die Oestreicher von
Böhmen her nicht bald aus ihrer abwartenden Stellung heraustreten und in
Sachsen den Preußen zuvorkommen würden, antwortete dieser: „Wir warten
nur noch auf die Bayern, die noch nicht fertig sind. Dann solls aber gleich
löschen!" Und mit einem schlauen Augenzwinkern setzte er hinzu: „Thut
nix, Wenns auch was länger dauert, drum giebts auch mehr Hieb für die
Preußen!"

Aber die Preußen sorgten dafür, daß es doch zu spät mit der bayerischen
Hilfe wurde und da dem bedrängten Sachsen keine Hilfe mehr zu bringen war,
wie es erst im Plane lag, richtete man seinen Marsch statt nach Osten, nach
Westen, um sich da mit dem achten Armeecorps zu vereinigen. Der Marsch
sollte nach Fulda hin dirizirt werden. Aber unterdeß kamen die Hannoveraner
in die Klemme, und um diesen herauszuhelfen, schob man sich wieder mehr östlich
nach dem Werrathal herein und den Rhönabhang entlang, um über Eisenach
den Hannoveranern die Hand zu bieten. Bei der allgemeinen Theilnahme, die
sich fast in allen Gemüthern für die braven Hannoveraner regte, folgte man
und fieberhafter Spannung und Erregung den Bewegungen der Bayern, die
aber trotzdem dem Wahlspruch zu huldigen schienen: Eile mit Weile! Es ging
im Ganzen nur langsam vorwärts und gegenüber den Preußen kamen sie denn
schließlich auch hier zu spät. ES ging den guten Bajuvaren wie dem Papageno
in der Zauberflöte: wo sie hinauswollten, riefen ihnen die Preußen als mah¬
nende Geister ihr Zurück! zu.

War nun schon der erste Auszug kein sehr tactfester, so artete die Krieg¬
führung bald ganz >n ein mehr unsicheres Herumziehen aus.

Am 27. Juni war eine bayerische Abtheilung als Fühler im Werrathal
erschienen, Reiterei mit einer Abtheilung Schützen auf Wagen und etliche Ka¬
nonen. Es sollte eine größere Nccognoscuung sein, die sich aber-nicht weit
über Meiningen hinaus erstreckte, das etwa 3'/, Meilen von Satzungen und
doppelt so weit von Eisenach entfernt liegt. Die Bayern waren Morgens un-
erwattet gekommen und verschwanden nach Mittag ebenso bald wieder. Am
29. rückten die ersten Abtheilungen des Gros ins Werrathal ein, an demselben
Tage, an welchem die Hannoveraner nach heldenmüthigen Kampfe capitulirten.
Die anderen bayerischen Truppen folgten am 30. und 31. Juli nach, so baß
namentlich Meiningen, wohin das Hauptquartier kam, reichlich mit Einquartirung
bedacht wurde, denn die Stadt mit ungefähr 7,000 Einwohnern erhielt 10,000
Geiste. Aehnlich war es auf den umliegenden Ortschaften.

Es wurden schon bei diesem Einzuge Beobachtungen gemacht, die nicht
durchweg zu Gunsten der bayerischen Truppen, namentlich in Bezug auf Ver¬
pflegung, Marschordnung und Disciplin ausfielen. Die Truppen führten zwar
Verpflegung und alles reichlich mit sich, aber für die Erhaltung derselben war


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/488>, abgerufen am 22.07.2024.