Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.bisherige schonende Verfahren des preußischen Civilcommissars als Beleg ver¬ Aber wie weit auch die Meinungen auseinandergehen, wie zuversichtlich sie Der Civilstaatsdiener hat auch schon unter den bisherigen Verhältnissen, Und doch muß er als einsichtiger Mann sich sagen, daß der Staat, dem Dieser Conflict wiegt nicht so schwer für den Civilrichter. Für den Straf- Nimmt man hinzu, daß Preußen darauf und daran ist, unsere langgenährten bisherige schonende Verfahren des preußischen Civilcommissars als Beleg ver¬ Aber wie weit auch die Meinungen auseinandergehen, wie zuversichtlich sie Der Civilstaatsdiener hat auch schon unter den bisherigen Verhältnissen, Und doch muß er als einsichtiger Mann sich sagen, daß der Staat, dem Dieser Conflict wiegt nicht so schwer für den Civilrichter. Für den Straf- Nimmt man hinzu, daß Preußen darauf und daran ist, unsere langgenährten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0482" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286070"/> <p xml:id="ID_1695" prev="#ID_1694"> bisherige schonende Verfahren des preußischen Civilcommissars als Beleg ver¬<lb/> wendet für die Unmöglichkeit, daß Preußen zu ernsthaften Beschränkungen der<lb/> sächsischen Krone verfahrenen dürfe.</p><lb/> <p xml:id="ID_1696"> Aber wie weit auch die Meinungen auseinandergehen, wie zuversichtlich sie<lb/> vorgetragen werden, niemand kommt dabei zu wirklichem Vertrauen. Ein Ge¬<lb/> fühl ist allen gemeinsam, den Eine» mehr, den Anderen minder klar bewußt,<lb/> das bittere Gefühl: wir Sachsen bleiben auf lange friedlos nach beendigtem<lb/> Krieg, wir Sachsen sind auf lange verurtheilt, politisch von der Hand in den<lb/> Mund zu leben. Darunter leiden alle schwer. Aber für niemand ist dieser<lb/> Zustand der Bitterkeit so voll als für die sächsischen Staatsbeamten, insbesondere<lb/> die Organe der Rechtspflege, namentlich der Strafrechtspflege, vor allem aber<lb/> der Polizei und der Verwaltung.</p><lb/> <p xml:id="ID_1697"> Der Civilstaatsdiener hat auch schon unter den bisherigen Verhältnissen,<lb/> war er anders ein ehrlicher Mann, in Sachsen sich niemals, wie es wohl bei<lb/> Militärs der Fall, vorwiegend als Diener der Dynastie fühlen können. Der<lb/> bestimmt vorgezeichnete Kreis seiner Pflichten erinnert ihn stündlich, daß seine<lb/> Thätigkeit wesentlich dem Staate gehört, daß sie in ihrem besten Theile völlig<lb/> unabhängig ist von dem jeweiligen Herrscher. Dennoch nimmt in seinem Dienst¬<lb/> eide der letztere eine so wesentliche Stelle ein, daß der Beamte in Lagen, wie<lb/> die gegenwärtige, sich überall da, wo er der Gewalt nicht nothgedrungen zu<lb/> weichen hat, verbunden fühlen muß. im Interesse seines Herrn, welcher durch<lb/> die königl. Landcscommission noch besonders repräsentirt ist, Preußen entgegen<lb/> zu wirken, wo und wie er kann und darum theilzunehmen an jener heimlichen,<lb/> aber wahrlich nicht unwirksamen Opposition, welche dem Volke jedes unbe¬<lb/> fangene und richtige Verständniß von dem wahren Verhältniß der Staatsinter¬<lb/> essen zu den dynastischen verkümmert.</p><lb/> <p xml:id="ID_1698"> Und doch muß er als einsichtiger Mann sich sagen, daß der Staat, dem<lb/> seine Thätigkeit gehört, in den Händen Preußens ist und bleiben wird, daß<lb/> Se. Majestät der König Johann gänzlich ohne die Macht, sich wieder in den<lb/> vollen Besitz Sachsens zu setzen. ""Es sei denn, er beschwöre, was ihm gewiß nicht<lb/> zuzutrauen und auch nicht zu glauben, einen Krieg Frankreichs mit Preußen<lb/> herauf und ließe von jenem sein Land sich erobern.' Und vech weiß er seit<lb/> lange, daß des Volkes eigenste Interessen nicht leiden werden, wie viel auch<lb/> Preußen von den königl. sächsischen Souveränetätsrechtcn für die Bundesgewalt<lb/> beansprucht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1699"> Dieser Conflict wiegt nicht so schwer für den Civilrichter. Für den Straf-<lb/> richier aber, für die Polizei- und Verwaltungsbeamten ist er von äußerstem<lb/> Belang, und um so empfindlicher, je länger der Zwitterzustand zu dauern ver¬<lb/> spricht. Denn sie werden unmittelbar in ihrer Amtführung davon berührt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1700" next="#ID_1701"> Nimmt man hinzu, daß Preußen darauf und daran ist, unsere langgenährten</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0482]
bisherige schonende Verfahren des preußischen Civilcommissars als Beleg ver¬
wendet für die Unmöglichkeit, daß Preußen zu ernsthaften Beschränkungen der
sächsischen Krone verfahrenen dürfe.
Aber wie weit auch die Meinungen auseinandergehen, wie zuversichtlich sie
vorgetragen werden, niemand kommt dabei zu wirklichem Vertrauen. Ein Ge¬
fühl ist allen gemeinsam, den Eine» mehr, den Anderen minder klar bewußt,
das bittere Gefühl: wir Sachsen bleiben auf lange friedlos nach beendigtem
Krieg, wir Sachsen sind auf lange verurtheilt, politisch von der Hand in den
Mund zu leben. Darunter leiden alle schwer. Aber für niemand ist dieser
Zustand der Bitterkeit so voll als für die sächsischen Staatsbeamten, insbesondere
die Organe der Rechtspflege, namentlich der Strafrechtspflege, vor allem aber
der Polizei und der Verwaltung.
Der Civilstaatsdiener hat auch schon unter den bisherigen Verhältnissen,
war er anders ein ehrlicher Mann, in Sachsen sich niemals, wie es wohl bei
Militärs der Fall, vorwiegend als Diener der Dynastie fühlen können. Der
bestimmt vorgezeichnete Kreis seiner Pflichten erinnert ihn stündlich, daß seine
Thätigkeit wesentlich dem Staate gehört, daß sie in ihrem besten Theile völlig
unabhängig ist von dem jeweiligen Herrscher. Dennoch nimmt in seinem Dienst¬
eide der letztere eine so wesentliche Stelle ein, daß der Beamte in Lagen, wie
die gegenwärtige, sich überall da, wo er der Gewalt nicht nothgedrungen zu
weichen hat, verbunden fühlen muß. im Interesse seines Herrn, welcher durch
die königl. Landcscommission noch besonders repräsentirt ist, Preußen entgegen
zu wirken, wo und wie er kann und darum theilzunehmen an jener heimlichen,
aber wahrlich nicht unwirksamen Opposition, welche dem Volke jedes unbe¬
fangene und richtige Verständniß von dem wahren Verhältniß der Staatsinter¬
essen zu den dynastischen verkümmert.
Und doch muß er als einsichtiger Mann sich sagen, daß der Staat, dem
seine Thätigkeit gehört, in den Händen Preußens ist und bleiben wird, daß
Se. Majestät der König Johann gänzlich ohne die Macht, sich wieder in den
vollen Besitz Sachsens zu setzen. ""Es sei denn, er beschwöre, was ihm gewiß nicht
zuzutrauen und auch nicht zu glauben, einen Krieg Frankreichs mit Preußen
herauf und ließe von jenem sein Land sich erobern.' Und vech weiß er seit
lange, daß des Volkes eigenste Interessen nicht leiden werden, wie viel auch
Preußen von den königl. sächsischen Souveränetätsrechtcn für die Bundesgewalt
beansprucht.
Dieser Conflict wiegt nicht so schwer für den Civilrichter. Für den Straf-
richier aber, für die Polizei- und Verwaltungsbeamten ist er von äußerstem
Belang, und um so empfindlicher, je länger der Zwitterzustand zu dauern ver¬
spricht. Denn sie werden unmittelbar in ihrer Amtführung davon berührt.
Nimmt man hinzu, daß Preußen darauf und daran ist, unsere langgenährten
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