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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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vor allem die Einfügung dieser Einnahmequellen in das preußische Budget, als
Folge davon eine Erhöhung ihrer Abgaben.

Nun ist selbstverständlich, daß die Bergwerke des Harzes, die Forsten von
Nassau und Hessen nicht so von Preußen verwaltet werden können, daß ihre
Revenuen ausschließlich den betreffenden Landestheilen zu Gute kommen. Und
es ist ferner billig, daß die Bürger der erworbenen Länder die Vortheile, welche
ihnen der Großstaat gewährt, ebenso gut bezahlen, als die altpreußischen Pro¬
vinzen. Aber es ist wohl möglich, in den neuen Ländern für eine Anzahl von
Jahren in den directen Steuern, deren Druck am meisten fühlbar wird, eine
Bevorzugung eintreten zu lassen, deren Größe sich mit einem zu veranschlagenden
Mehrbetrag ihrer Domanialrente balancirt. Vermag man dies zu thun und
bei der Erhebung indirecter Steuern den alten Erhebungsmodus beizubehalten,
so würde ein Bedenken, welches die Stimmung hier und da verdüstert, weg¬
fallen.

Allerdings, der Segen einer Vereinigung mit Preußen ist fast auf jedem
Gebiete des Volkslebens nachzuweisen, und wird von den neuen Preußen in
kurzer Zeit erkannt werden. Aber ein Gebiet giebt es. wo die größere Centra¬
lisation nicht ohne Gefahr ist. Und zwar droht diese Gefahr den umfangreichsten-
Anstalten für Wissenschaft und Kunst, den Theatern und Universitäten. Man
verzeihe, daß diese ungleichartigen Dienstwohnungen der Musen hier neben ein¬
ander genannt werden, wir gehören zu denen, welche die Bühne trotz der Schwäche
ihrer gegenwärtigen Production für ein unentbehrliches Bildungsmittel des
Volkes halten, welches der Jugend und dem bescheidenen Manne eine Fülle von
Anschauungen, von ethischem Inhalt, von heiterer Betrachtung und von ver¬
ständigem Urtheil über sociale Verhältnisse beibringt, einen Erwerb, welcher auf
keinem andern Wege, weder durch Lehre noch Lectüre so voll in die geöffneten
Seelen geleitet werden kann. Sogar da, wo die Theater den Forderungen der
schönen Kunst nur sehr unvollständig genügen, behalten sie diese unermeßliche bil¬
dende Einwirkung auf die Seelen, so lange ein ehrliches Streben und Anstand in
ihnen nicht verloren ist. Die Hoftheater von Hannover und Kassel dürfen von
der preußische" Regierung nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Sie ver¬
mögen beide ohne Dotation nicht zu bestehen. Nun ist in beiden, namentlich
in Hannover, wie bei Hostheatern geschieht, zuweilen mehr unkünstlerischer Luxus
aufgewendet worden als nöthig war und ihr Etat ließe sich wahrscheinlich ohne
Schaden für die Kunst etwas beschränken. Aber, da im Ganzen die Bedürfnisse
und Kosten der Bühne in dauernder Steigerung begriffen sind, so würde sich
doch empfehlen, beiden durch einen festen jährlichen Zuschuß den gegenwärtigen
Etat zu erhallen, und dieselben entweder der Controle der Stadtcommune zu
übergeben, oder, was für das Gedeihen der Bühnen besser sein wird, dieselben


vor allem die Einfügung dieser Einnahmequellen in das preußische Budget, als
Folge davon eine Erhöhung ihrer Abgaben.

Nun ist selbstverständlich, daß die Bergwerke des Harzes, die Forsten von
Nassau und Hessen nicht so von Preußen verwaltet werden können, daß ihre
Revenuen ausschließlich den betreffenden Landestheilen zu Gute kommen. Und
es ist ferner billig, daß die Bürger der erworbenen Länder die Vortheile, welche
ihnen der Großstaat gewährt, ebenso gut bezahlen, als die altpreußischen Pro¬
vinzen. Aber es ist wohl möglich, in den neuen Ländern für eine Anzahl von
Jahren in den directen Steuern, deren Druck am meisten fühlbar wird, eine
Bevorzugung eintreten zu lassen, deren Größe sich mit einem zu veranschlagenden
Mehrbetrag ihrer Domanialrente balancirt. Vermag man dies zu thun und
bei der Erhebung indirecter Steuern den alten Erhebungsmodus beizubehalten,
so würde ein Bedenken, welches die Stimmung hier und da verdüstert, weg¬
fallen.

Allerdings, der Segen einer Vereinigung mit Preußen ist fast auf jedem
Gebiete des Volkslebens nachzuweisen, und wird von den neuen Preußen in
kurzer Zeit erkannt werden. Aber ein Gebiet giebt es. wo die größere Centra¬
lisation nicht ohne Gefahr ist. Und zwar droht diese Gefahr den umfangreichsten-
Anstalten für Wissenschaft und Kunst, den Theatern und Universitäten. Man
verzeihe, daß diese ungleichartigen Dienstwohnungen der Musen hier neben ein¬
ander genannt werden, wir gehören zu denen, welche die Bühne trotz der Schwäche
ihrer gegenwärtigen Production für ein unentbehrliches Bildungsmittel des
Volkes halten, welches der Jugend und dem bescheidenen Manne eine Fülle von
Anschauungen, von ethischem Inhalt, von heiterer Betrachtung und von ver¬
ständigem Urtheil über sociale Verhältnisse beibringt, einen Erwerb, welcher auf
keinem andern Wege, weder durch Lehre noch Lectüre so voll in die geöffneten
Seelen geleitet werden kann. Sogar da, wo die Theater den Forderungen der
schönen Kunst nur sehr unvollständig genügen, behalten sie diese unermeßliche bil¬
dende Einwirkung auf die Seelen, so lange ein ehrliches Streben und Anstand in
ihnen nicht verloren ist. Die Hoftheater von Hannover und Kassel dürfen von
der preußische» Regierung nicht ihrem Schicksal überlassen werden. Sie ver¬
mögen beide ohne Dotation nicht zu bestehen. Nun ist in beiden, namentlich
in Hannover, wie bei Hostheatern geschieht, zuweilen mehr unkünstlerischer Luxus
aufgewendet worden als nöthig war und ihr Etat ließe sich wahrscheinlich ohne
Schaden für die Kunst etwas beschränken. Aber, da im Ganzen die Bedürfnisse
und Kosten der Bühne in dauernder Steigerung begriffen sind, so würde sich
doch empfehlen, beiden durch einen festen jährlichen Zuschuß den gegenwärtigen
Etat zu erhallen, und dieselben entweder der Controle der Stadtcommune zu
übergeben, oder, was für das Gedeihen der Bühnen besser sein wird, dieselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/477>, abgerufen am 22.07.2024.