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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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früheren Commissionären, die feste Lager hatten, sind Kommissionäre geworden,
denen die auswärtigen Verleger ihre Bücher auf Lager, und die auswärtigen
Sortimenter ihre Verlangzettel schicken. So ist Leipzig zu einer Bedeutung
herangewachsen, die über unsere deutschen Grenzen weit hinausreicht. Der
Buchhändler in Texas und Neapel, am Cap der guten Hoffnung und Stockholm
hat seinen Commissionär in Leipzig, sobald er in Verbindung mit dem deut¬
schen Buchhandel treten will. Hierher strömen von allen Spitzen der Windrose
Bücher zu, um ebenso wieder hinauszugehen. Wer zur Zeit der Ostermesse --
der Hauptabrechnungszeit des deutschen Buchhandels -- durch die Straßen
Leipzigs gegangen ist, wer namentlich in jene Theile der Stadt kam, in denen
die Commissionäre und Verleger Hausen, wer die Frachtwagen mit Ballen durch
die Straßen rollen sah und in die durch Gas erhellten Räume hineinschaute,
in denen die Markthelfer mit bewundernswürdiger Schnelligkeit und Sicher¬
heit Ballen auseinandernehmen und vertheilen, um nachher die Bücher wieder
in andre Ballen zu vereinigen, zu versenden, während oben die Gehilfen in
fliegender Eile mit Erledigung von Facturen und Avisen beschäftigt sind: der
hat wohl einen Begriff von der Bedeutung eines Geschäftszweigs bekommen,
dessen Umsatz in Leipzig allein sich nach Millionen berechnet.

So mag man sich nicht wundern, wenn der gesammte Buchhandel bei dem
Gedanken an den Krieg für einen Augenblick zusammenzuckte, um sich vorüber¬
gehend wieder zu fassen. Derer waren es nicht viele, die selbst die Schlacht¬
tage von Leipzig mit angesehen und das nachgeborene Geschlecht half sich mit
der Erwägung über die trüben Ahnungen hinaus, daß in unserer ZeK kein
solcher Krieg mehr möglich sei. Unbekümmert um die Zänkereien der Diplo¬
maten ging der Verleger seinen Unternehmungen nach. Wer Reisebücher ver¬
legte oder Badeliteratur, sorgte für neue Ausgaben und Auflagen; neue Post-
und Eisenbahnkarten wurden versandt und der Verleger von Schulbüchern dachte
an den bevorstehenden Semesterwechsel. Nur selten zeigte sich eine kleine poli¬
tische Brochure zwischen so vielen Erscheinungen durchaus unpolitischer Natur.
Das Börsenblatt, das Organ des deutschen Buchhandels, sah nach den Stra¬
pazen des Winters der einfachen und stillen Sommerbeschäftigung mit Genug¬
thuung entgegen.

Der Frühling kam und die Kriegsgefahr ward stärker. Die Ostermesse
erschien mit ihren Krebsen und Zahlungsllsten. Manche Stirn zog sich in
düstere Falten, aber man steckte den Kopf in die Bücher, wie der Vogel Strauß
in den Busch, um die Gefahr nicht zu sehen. Jeder wehrte sich gegen den Ge¬
danken an den Krieg, der den Buchhandel schwer schädigen mußte. Denn man
irrte, wenn man annehmen wollte, das Bedürfniß nach Literatur sei bei uns
so groß, daß es auch unter ungünstigen Verhältnissen Befriedigung verlange.
Die Geister, welche der Buchhändler durch seine Betriebsamkeit ruft, wird er in


früheren Commissionären, die feste Lager hatten, sind Kommissionäre geworden,
denen die auswärtigen Verleger ihre Bücher auf Lager, und die auswärtigen
Sortimenter ihre Verlangzettel schicken. So ist Leipzig zu einer Bedeutung
herangewachsen, die über unsere deutschen Grenzen weit hinausreicht. Der
Buchhändler in Texas und Neapel, am Cap der guten Hoffnung und Stockholm
hat seinen Commissionär in Leipzig, sobald er in Verbindung mit dem deut¬
schen Buchhandel treten will. Hierher strömen von allen Spitzen der Windrose
Bücher zu, um ebenso wieder hinauszugehen. Wer zur Zeit der Ostermesse —
der Hauptabrechnungszeit des deutschen Buchhandels — durch die Straßen
Leipzigs gegangen ist, wer namentlich in jene Theile der Stadt kam, in denen
die Commissionäre und Verleger Hausen, wer die Frachtwagen mit Ballen durch
die Straßen rollen sah und in die durch Gas erhellten Räume hineinschaute,
in denen die Markthelfer mit bewundernswürdiger Schnelligkeit und Sicher¬
heit Ballen auseinandernehmen und vertheilen, um nachher die Bücher wieder
in andre Ballen zu vereinigen, zu versenden, während oben die Gehilfen in
fliegender Eile mit Erledigung von Facturen und Avisen beschäftigt sind: der
hat wohl einen Begriff von der Bedeutung eines Geschäftszweigs bekommen,
dessen Umsatz in Leipzig allein sich nach Millionen berechnet.

So mag man sich nicht wundern, wenn der gesammte Buchhandel bei dem
Gedanken an den Krieg für einen Augenblick zusammenzuckte, um sich vorüber¬
gehend wieder zu fassen. Derer waren es nicht viele, die selbst die Schlacht¬
tage von Leipzig mit angesehen und das nachgeborene Geschlecht half sich mit
der Erwägung über die trüben Ahnungen hinaus, daß in unserer ZeK kein
solcher Krieg mehr möglich sei. Unbekümmert um die Zänkereien der Diplo¬
maten ging der Verleger seinen Unternehmungen nach. Wer Reisebücher ver¬
legte oder Badeliteratur, sorgte für neue Ausgaben und Auflagen; neue Post-
und Eisenbahnkarten wurden versandt und der Verleger von Schulbüchern dachte
an den bevorstehenden Semesterwechsel. Nur selten zeigte sich eine kleine poli¬
tische Brochure zwischen so vielen Erscheinungen durchaus unpolitischer Natur.
Das Börsenblatt, das Organ des deutschen Buchhandels, sah nach den Stra¬
pazen des Winters der einfachen und stillen Sommerbeschäftigung mit Genug¬
thuung entgegen.

Der Frühling kam und die Kriegsgefahr ward stärker. Die Ostermesse
erschien mit ihren Krebsen und Zahlungsllsten. Manche Stirn zog sich in
düstere Falten, aber man steckte den Kopf in die Bücher, wie der Vogel Strauß
in den Busch, um die Gefahr nicht zu sehen. Jeder wehrte sich gegen den Ge¬
danken an den Krieg, der den Buchhandel schwer schädigen mußte. Denn man
irrte, wenn man annehmen wollte, das Bedürfniß nach Literatur sei bei uns
so groß, daß es auch unter ungünstigen Verhältnissen Befriedigung verlange.
Die Geister, welche der Buchhändler durch seine Betriebsamkeit ruft, wird er in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/462>, abgerufen am 22.07.2024.