Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.sogar zwar nicht sein eigenes, wohl aber das linke Bein seiner Hosen von einer Das war die Schlacht bei Schwalbach. Des andern Tages war die Schlacht 62*
sogar zwar nicht sein eigenes, wohl aber das linke Bein seiner Hosen von einer Das war die Schlacht bei Schwalbach. Des andern Tages war die Schlacht 62*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0441" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286029"/> <p xml:id="ID_1537" prev="#ID_1536"> sogar zwar nicht sein eigenes, wohl aber das linke Bein seiner Hosen von einer<lb/> nassauischcn SpitMgel durchbohrt. Alle Kurgäste ergriffen die Flucht. Aber<lb/> die kecken Reiter wurden nicht getroffen. Nur dem einen schlug eine nassauischc<lb/> Kugel ein Stückchen Holz von dem Schaft seiner Pistole ab. Die Husaren<lb/> retteten sich durch ein kühnes Reiterstück. Sie sprengten einen steilen, terrassen¬<lb/> artigen, alten Hohlweg hinab, auf dem auch der Sattelfesteste den Hals hätte<lb/> brechen können. Einer von ihnen rief während dieses gewagten Rittes einem<lb/> schwalbacher Einwohner zu: „Grüßen Sie mir N. N., ich bin der Fabrikant<lb/> V---von Elberfeld!" Das ist das Volk in Waffen. Ein Millionär, der<lb/> Hunderte von Arbeitern beschäftigt, reitet wohlgemuth als toller Husar in der<lb/> Welt herum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1538" next="#ID_1539"> Das war die Schlacht bei Schwalbach. Des andern Tages war die Schlacht<lb/> bei Zorn, einem Dörfchen auf dem Plateau zwischen Wisper und Lahn. Es<lb/> war am 13. Juli 1866. Eine preußische Feldwache lag dort in einem Wäld¬<lb/> chen. Sie war beschäftigt, eine von ihr requirirte Kuh zu schlachten und ab¬<lb/> zukochen. Diese unschuldige Kuh gab später uoch Anlaß zu Verhaftungen in<lb/> Wiesbaden. Die Preußen hatten sie zu einem anständigen Preise gckaufi und<lb/> das Geld dem Bauern baar bezahlt. Die gesinnungstüchtige Presse in Wies¬<lb/> baden aber, namentlich die von einem vormaligen Dorfschullehrer im Sinne der<lb/> Volkövereine geleitete „Neue" Mittelrhcinische Zeitung (die alte Mittclrhei-<lb/> nische Zeitung hielt während der ganzen Krisis das nationale Banner mit<lb/> Tapferkeit aufrecht und die mit dem Wappen des Herzogs geschmückte und von<lb/> der Regierung subventionirte „Nassauische Landeszeiiung" gingen von der Ueber¬<lb/> zeugung aus, es sei schlechthin der äußerste Grad von „Feigheit und Verrath",<lb/> die Wahrheit zu sagen und behaupteten deshalb keck, die „preußischen Räuber¬<lb/> banden" hätten die Kuh „gestohlen", zerrissen und die noch zuckenden und<lb/> blutenden Stücke Fleisches roh „verschlungen". Mehre Personen, welche an<lb/> dieses kannibalische Mahl nicht glauben wollten und behaupteten, die Preußen<lb/> hätten die Kuh nicht gestohlen, sondern getauft und bezahlt, wurden als des<lb/> Verraths verdächtig verhaftet. Namentlich hatte ein Herr Hoffmann in Wies¬<lb/> baden, vormals Verwalter des herzoglichen Jagdschlosses „Platte", sich erkühnt,<lb/> in Betreff besagter Kuh in dem Wirthshaus die Wahrheit zu sagen, und dies<lb/> war zu allerhöchsten Ohren gelangt. Alsbald erhielt der Minister Prinz August<lb/> von Sayn-Wittgenstein-Bcrlcburg. ein achtzigjähriger Cavalcriegcneral, den Be¬<lb/> fehl, Herrn Hoffmann, der doch so viele Wohlthaten von dem Hofe genossen<lb/> habe und nun so undankbar sei (die Wahrheit zu sagen), sofort in kricgsrccht-<lb/> iche Behandlung zu nehmen. Der alte Herr meinte, er verstehe zwar gar<lb/> nichts von juristischen Sachen (gleichwohl übte er u. a. auch die Functionen<lb/> eines nassauischen Justizministers), aber es wolle ihn doch bedünken, als wenn<lb/> ein Grund strafrechtlich einzuschreiten nicht vorliege. Da aber eine hohe Herrin</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"> 62*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0441]
sogar zwar nicht sein eigenes, wohl aber das linke Bein seiner Hosen von einer
nassauischcn SpitMgel durchbohrt. Alle Kurgäste ergriffen die Flucht. Aber
die kecken Reiter wurden nicht getroffen. Nur dem einen schlug eine nassauischc
Kugel ein Stückchen Holz von dem Schaft seiner Pistole ab. Die Husaren
retteten sich durch ein kühnes Reiterstück. Sie sprengten einen steilen, terrassen¬
artigen, alten Hohlweg hinab, auf dem auch der Sattelfesteste den Hals hätte
brechen können. Einer von ihnen rief während dieses gewagten Rittes einem
schwalbacher Einwohner zu: „Grüßen Sie mir N. N., ich bin der Fabrikant
V---von Elberfeld!" Das ist das Volk in Waffen. Ein Millionär, der
Hunderte von Arbeitern beschäftigt, reitet wohlgemuth als toller Husar in der
Welt herum.
Das war die Schlacht bei Schwalbach. Des andern Tages war die Schlacht
bei Zorn, einem Dörfchen auf dem Plateau zwischen Wisper und Lahn. Es
war am 13. Juli 1866. Eine preußische Feldwache lag dort in einem Wäld¬
chen. Sie war beschäftigt, eine von ihr requirirte Kuh zu schlachten und ab¬
zukochen. Diese unschuldige Kuh gab später uoch Anlaß zu Verhaftungen in
Wiesbaden. Die Preußen hatten sie zu einem anständigen Preise gckaufi und
das Geld dem Bauern baar bezahlt. Die gesinnungstüchtige Presse in Wies¬
baden aber, namentlich die von einem vormaligen Dorfschullehrer im Sinne der
Volkövereine geleitete „Neue" Mittelrhcinische Zeitung (die alte Mittclrhei-
nische Zeitung hielt während der ganzen Krisis das nationale Banner mit
Tapferkeit aufrecht und die mit dem Wappen des Herzogs geschmückte und von
der Regierung subventionirte „Nassauische Landeszeiiung" gingen von der Ueber¬
zeugung aus, es sei schlechthin der äußerste Grad von „Feigheit und Verrath",
die Wahrheit zu sagen und behaupteten deshalb keck, die „preußischen Räuber¬
banden" hätten die Kuh „gestohlen", zerrissen und die noch zuckenden und
blutenden Stücke Fleisches roh „verschlungen". Mehre Personen, welche an
dieses kannibalische Mahl nicht glauben wollten und behaupteten, die Preußen
hätten die Kuh nicht gestohlen, sondern getauft und bezahlt, wurden als des
Verraths verdächtig verhaftet. Namentlich hatte ein Herr Hoffmann in Wies¬
baden, vormals Verwalter des herzoglichen Jagdschlosses „Platte", sich erkühnt,
in Betreff besagter Kuh in dem Wirthshaus die Wahrheit zu sagen, und dies
war zu allerhöchsten Ohren gelangt. Alsbald erhielt der Minister Prinz August
von Sayn-Wittgenstein-Bcrlcburg. ein achtzigjähriger Cavalcriegcneral, den Be¬
fehl, Herrn Hoffmann, der doch so viele Wohlthaten von dem Hofe genossen
habe und nun so undankbar sei (die Wahrheit zu sagen), sofort in kricgsrccht-
iche Behandlung zu nehmen. Der alte Herr meinte, er verstehe zwar gar
nichts von juristischen Sachen (gleichwohl übte er u. a. auch die Functionen
eines nassauischen Justizministers), aber es wolle ihn doch bedünken, als wenn
ein Grund strafrechtlich einzuschreiten nicht vorliege. Da aber eine hohe Herrin
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