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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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zeigte sich dagegen seinerseits nachgiebiger gegen die Südstaaten, namentlich
Bayern.

Indeß darf man sich nicht der Illusion hingeben, als ob die Frage für
immer beseitigt sei. Der Kaiser persönlich täuscht sich allerdings nicht über die
Gefahren eines Krieges mit Preußen, er weiß, daß derselbe unfehlbar einen
national deutschen Charakter annehmen müßte und daß keine süddeutsche Ne¬
gierung sich der Theilnahme entziehen könnte, er steht sehr wohl, daß es we¬
sentlich die orleanistische und republikanische Partei ist, welche gegen Preußen
hetzt, weil sie hofft bei dem Kriege könne eventuell das Kaiserthum gestürzt
werden, aber es fragt sich, wie lange er der Strömung des nationalen Erobe¬
rungstriebes widerstehen kann. Nicht blos in der Presse, namentlich auch in der
Armee herrscht brennende Eifersucht auf die preußischen Erfolge, man kann sich
nicht verhehlen, daß die Siege von Skalitz und Königsgrätz ganz anders zer¬
malmender Natur waren als die von Magenta und Solserino; die französische
Armee, die Hauptstütze des Kaiserthums, brennt darauf, sich mit den Preußen
zu messen. Sehr ins Gewicht fallt ferner der bevorstehende Zusammensturz der
mexikanischen Unternehmung, alle düstern Voraussagen der parlamentarischen
'Opposition werden gerechtfertigt werden, Frankreich hat Hunderte von Millionen
und viel kostbares Blut verschwendet und wird schließlich noch die Zinsen der
mexikanischen Anlehen garantiren müssen. Das ist Wasser aus die Mühle von
Thiers und Genossen, die Sitzung des Corps legislatif dürfte stürmisch werden
und es fragt sich daher, ob nicht Napoleon einen Ableiter nach außen zu suchen
genöthigt sein wird. Der Vorwand dafür wird leicht gefunden, da es klar ist,
daß Preußen nicht lange am Main wird stehen bleiben können und das Ver¬
hältniß zu Sachsen noch eine Quelle von Schwierigkeiten bietet. Inzwischen
ist der Winter für uns gewonnen und wenn Napoleon ihn benutzen will, den
Kampf planvoll vorzubereiten, wenn er namentlich auf die Allianz Oestreichs
hofft, so haben wir Zeit die neue militärische Organisation Deutschlands zu
vollenden. Die erworbenen Provinzen nebst den Bundesgenossen werden gering
gerechnet 120,000 Mann liefern, dazu dürfte der Süden ein fast ebenso starkes
Contingent stellen, es würden also, die bisherige preußische Armee zu 600,000
Mann gerechnet, 840,000 Mann disponibel sein. Hoffen wir, daß wir vor
der Nothwendigkeit eines Krieges mit Frankreich bewahrt bleiben, der immerhin
eine ernste Sache bleibt und dem Vaterlande schwere Wunden schlagen würde;
kann es aber nicht anders sein, so würde, wir sind dessen gewiß, auch eine
solche Blut- und Feuertaufe nur dazu dienen, unser Volt rascher zur völligen
Einheit zu bringen.




zeigte sich dagegen seinerseits nachgiebiger gegen die Südstaaten, namentlich
Bayern.

Indeß darf man sich nicht der Illusion hingeben, als ob die Frage für
immer beseitigt sei. Der Kaiser persönlich täuscht sich allerdings nicht über die
Gefahren eines Krieges mit Preußen, er weiß, daß derselbe unfehlbar einen
national deutschen Charakter annehmen müßte und daß keine süddeutsche Ne¬
gierung sich der Theilnahme entziehen könnte, er steht sehr wohl, daß es we¬
sentlich die orleanistische und republikanische Partei ist, welche gegen Preußen
hetzt, weil sie hofft bei dem Kriege könne eventuell das Kaiserthum gestürzt
werden, aber es fragt sich, wie lange er der Strömung des nationalen Erobe¬
rungstriebes widerstehen kann. Nicht blos in der Presse, namentlich auch in der
Armee herrscht brennende Eifersucht auf die preußischen Erfolge, man kann sich
nicht verhehlen, daß die Siege von Skalitz und Königsgrätz ganz anders zer¬
malmender Natur waren als die von Magenta und Solserino; die französische
Armee, die Hauptstütze des Kaiserthums, brennt darauf, sich mit den Preußen
zu messen. Sehr ins Gewicht fallt ferner der bevorstehende Zusammensturz der
mexikanischen Unternehmung, alle düstern Voraussagen der parlamentarischen
'Opposition werden gerechtfertigt werden, Frankreich hat Hunderte von Millionen
und viel kostbares Blut verschwendet und wird schließlich noch die Zinsen der
mexikanischen Anlehen garantiren müssen. Das ist Wasser aus die Mühle von
Thiers und Genossen, die Sitzung des Corps legislatif dürfte stürmisch werden
und es fragt sich daher, ob nicht Napoleon einen Ableiter nach außen zu suchen
genöthigt sein wird. Der Vorwand dafür wird leicht gefunden, da es klar ist,
daß Preußen nicht lange am Main wird stehen bleiben können und das Ver¬
hältniß zu Sachsen noch eine Quelle von Schwierigkeiten bietet. Inzwischen
ist der Winter für uns gewonnen und wenn Napoleon ihn benutzen will, den
Kampf planvoll vorzubereiten, wenn er namentlich auf die Allianz Oestreichs
hofft, so haben wir Zeit die neue militärische Organisation Deutschlands zu
vollenden. Die erworbenen Provinzen nebst den Bundesgenossen werden gering
gerechnet 120,000 Mann liefern, dazu dürfte der Süden ein fast ebenso starkes
Contingent stellen, es würden also, die bisherige preußische Armee zu 600,000
Mann gerechnet, 840,000 Mann disponibel sein. Hoffen wir, daß wir vor
der Nothwendigkeit eines Krieges mit Frankreich bewahrt bleiben, der immerhin
eine ernste Sache bleibt und dem Vaterlande schwere Wunden schlagen würde;
kann es aber nicht anders sein, so würde, wir sind dessen gewiß, auch eine
solche Blut- und Feuertaufe nur dazu dienen, unser Volt rascher zur völligen
Einheit zu bringen.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/438>, abgerufen am 22.07.2024.