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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Schlesien. Mit dieser Basis reiste Herr Benedetti nach Wien und erreichte dort
eine fünftägige Waffenruhe und Annahme der vorgeschlagenen Ausgangspunkte.
Hiermit endigte die officielle Vermittelung Frankreichs und die directen Verhand¬
lungen zwischen Oestreich und Preußen begannen.

Bei dieser Unterhandlung hat Graf Bismarck überlegene Feinheit gezeigt,
er hatte von Frankreich nur die Zusage erhalten, daß ein Zusammenhang zwischen
den beiden Theilen der Monarchie hergestellt werden solle und nur dies hatte
Oestreich acceptirt, er wußte seine Gegner aber so durch hohe Forderungen hin¬
sichtlich der Kriegskosten sowie durch Verlangen von Gebietsabtretungen zu
ängstigen, daß dieselben, um nur die Integrität des Kaiserstaats zu wahren,
Preußen im Norden einfach freie Hand ließen und sich bereit erklärten, "die von
Sr. Majestät dem König von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen
Einrichtungen einschließlich der Territorialveränderungen anzuerkennen." Ebenso
drang Graf Bismarck lange darauf, daß in dem Artikel 2 der Präliminarien
hinsichtlich des südlichen Bundes die französische Clausel gestrichen wurde, wo¬
nach jener Verein eine unabhängige und internationale Existenz haben sollte,
dadurch trat aber der Folgesatz um so schärfer hervor, daß die nationale Ver¬
bindung des Südbundes mit dem Nvrdbunde näherer Verständigung vorbehalten
bleibe. Von diesen neuen Concessionen erfuhr der Vertreter Frankreichs erst
als Oestreich sie gemacht und war begreiflich ebenso verdrießlich über die Nach¬
giebigkeit des Grafen Karolyi, als erbittert über die Politik des preußischen,
Ministerpräsidenten, der auf die Weise freie Bahn für die Annexion der nörd¬
lichen Gebiete gewonnen hatte. Als nun diese vollständige Einverleibung sich
bald nach der Rückkehr des Königs in die Hauptstadt deutlich ankündigte und
außerdem den südlichen Staaten harte Friedensbedingungen gestellt wurden, als
demzufolge das Mißvergnügen in Frankreich sich stark geltend machte, hielt Na¬
poleon es doch für nöthig zu versuchen, ob sich nicht auch etwas für die Be¬
friedigung des französischen Nationalhungers erreichen lasse und Benedetti ward
beauftragt bemerklich zu machen, daß bei solchem Machtzuwachs Preußens eine
Gebietscompensation für Frankreich angezeigt sein möchte; als wünschenswerth
wurden die Grenzen von 1814 bezeichnet, welche also den Verlust von Saar¬
louis, Saarbrücken, Landau und Germersheim für Deutschland nach sich ge¬
zogen hätten. Dieser Schritt sollte ein ganz vertraulicher Fühler sein und streng
geheim gehalten werden, man hoffte vielleicht auf Erfolg, weil man wußte,
daß Graf Bismarck persönlich in früherer Zeit einer Grenzberichtigung nicht
abgeneigt war, er hatte, wie man annahm, eine solche schon 1861 dem König
in Baden vorgeschlagen, als Minister hatte er oft genug davon gesprochen, sich
mit Frankreich am Rhein zu verständigen, noch in Nikolsburg soll er auf ähn¬
liche Aussichten gedeutet haben, um Benedetti zu gewinnen. Aber jeder Nach¬
giebigkeit nach dieser Richtung stand das unüberwindliche Widerstreben des


Schlesien. Mit dieser Basis reiste Herr Benedetti nach Wien und erreichte dort
eine fünftägige Waffenruhe und Annahme der vorgeschlagenen Ausgangspunkte.
Hiermit endigte die officielle Vermittelung Frankreichs und die directen Verhand¬
lungen zwischen Oestreich und Preußen begannen.

Bei dieser Unterhandlung hat Graf Bismarck überlegene Feinheit gezeigt,
er hatte von Frankreich nur die Zusage erhalten, daß ein Zusammenhang zwischen
den beiden Theilen der Monarchie hergestellt werden solle und nur dies hatte
Oestreich acceptirt, er wußte seine Gegner aber so durch hohe Forderungen hin¬
sichtlich der Kriegskosten sowie durch Verlangen von Gebietsabtretungen zu
ängstigen, daß dieselben, um nur die Integrität des Kaiserstaats zu wahren,
Preußen im Norden einfach freie Hand ließen und sich bereit erklärten, „die von
Sr. Majestät dem König von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen
Einrichtungen einschließlich der Territorialveränderungen anzuerkennen." Ebenso
drang Graf Bismarck lange darauf, daß in dem Artikel 2 der Präliminarien
hinsichtlich des südlichen Bundes die französische Clausel gestrichen wurde, wo¬
nach jener Verein eine unabhängige und internationale Existenz haben sollte,
dadurch trat aber der Folgesatz um so schärfer hervor, daß die nationale Ver¬
bindung des Südbundes mit dem Nvrdbunde näherer Verständigung vorbehalten
bleibe. Von diesen neuen Concessionen erfuhr der Vertreter Frankreichs erst
als Oestreich sie gemacht und war begreiflich ebenso verdrießlich über die Nach¬
giebigkeit des Grafen Karolyi, als erbittert über die Politik des preußischen,
Ministerpräsidenten, der auf die Weise freie Bahn für die Annexion der nörd¬
lichen Gebiete gewonnen hatte. Als nun diese vollständige Einverleibung sich
bald nach der Rückkehr des Königs in die Hauptstadt deutlich ankündigte und
außerdem den südlichen Staaten harte Friedensbedingungen gestellt wurden, als
demzufolge das Mißvergnügen in Frankreich sich stark geltend machte, hielt Na¬
poleon es doch für nöthig zu versuchen, ob sich nicht auch etwas für die Be¬
friedigung des französischen Nationalhungers erreichen lasse und Benedetti ward
beauftragt bemerklich zu machen, daß bei solchem Machtzuwachs Preußens eine
Gebietscompensation für Frankreich angezeigt sein möchte; als wünschenswerth
wurden die Grenzen von 1814 bezeichnet, welche also den Verlust von Saar¬
louis, Saarbrücken, Landau und Germersheim für Deutschland nach sich ge¬
zogen hätten. Dieser Schritt sollte ein ganz vertraulicher Fühler sein und streng
geheim gehalten werden, man hoffte vielleicht auf Erfolg, weil man wußte,
daß Graf Bismarck persönlich in früherer Zeit einer Grenzberichtigung nicht
abgeneigt war, er hatte, wie man annahm, eine solche schon 1861 dem König
in Baden vorgeschlagen, als Minister hatte er oft genug davon gesprochen, sich
mit Frankreich am Rhein zu verständigen, noch in Nikolsburg soll er auf ähn¬
liche Aussichten gedeutet haben, um Benedetti zu gewinnen. Aber jeder Nach¬
giebigkeit nach dieser Richtung stand das unüberwindliche Widerstreben des


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[0436] Schlesien. Mit dieser Basis reiste Herr Benedetti nach Wien und erreichte dort eine fünftägige Waffenruhe und Annahme der vorgeschlagenen Ausgangspunkte. Hiermit endigte die officielle Vermittelung Frankreichs und die directen Verhand¬ lungen zwischen Oestreich und Preußen begannen. Bei dieser Unterhandlung hat Graf Bismarck überlegene Feinheit gezeigt, er hatte von Frankreich nur die Zusage erhalten, daß ein Zusammenhang zwischen den beiden Theilen der Monarchie hergestellt werden solle und nur dies hatte Oestreich acceptirt, er wußte seine Gegner aber so durch hohe Forderungen hin¬ sichtlich der Kriegskosten sowie durch Verlangen von Gebietsabtretungen zu ängstigen, daß dieselben, um nur die Integrität des Kaiserstaats zu wahren, Preußen im Norden einfach freie Hand ließen und sich bereit erklärten, „die von Sr. Majestät dem König von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen einschließlich der Territorialveränderungen anzuerkennen." Ebenso drang Graf Bismarck lange darauf, daß in dem Artikel 2 der Präliminarien hinsichtlich des südlichen Bundes die französische Clausel gestrichen wurde, wo¬ nach jener Verein eine unabhängige und internationale Existenz haben sollte, dadurch trat aber der Folgesatz um so schärfer hervor, daß die nationale Ver¬ bindung des Südbundes mit dem Nvrdbunde näherer Verständigung vorbehalten bleibe. Von diesen neuen Concessionen erfuhr der Vertreter Frankreichs erst als Oestreich sie gemacht und war begreiflich ebenso verdrießlich über die Nach¬ giebigkeit des Grafen Karolyi, als erbittert über die Politik des preußischen, Ministerpräsidenten, der auf die Weise freie Bahn für die Annexion der nörd¬ lichen Gebiete gewonnen hatte. Als nun diese vollständige Einverleibung sich bald nach der Rückkehr des Königs in die Hauptstadt deutlich ankündigte und außerdem den südlichen Staaten harte Friedensbedingungen gestellt wurden, als demzufolge das Mißvergnügen in Frankreich sich stark geltend machte, hielt Na¬ poleon es doch für nöthig zu versuchen, ob sich nicht auch etwas für die Be¬ friedigung des französischen Nationalhungers erreichen lasse und Benedetti ward beauftragt bemerklich zu machen, daß bei solchem Machtzuwachs Preußens eine Gebietscompensation für Frankreich angezeigt sein möchte; als wünschenswerth wurden die Grenzen von 1814 bezeichnet, welche also den Verlust von Saar¬ louis, Saarbrücken, Landau und Germersheim für Deutschland nach sich ge¬ zogen hätten. Dieser Schritt sollte ein ganz vertraulicher Fühler sein und streng geheim gehalten werden, man hoffte vielleicht auf Erfolg, weil man wußte, daß Graf Bismarck persönlich in früherer Zeit einer Grenzberichtigung nicht abgeneigt war, er hatte, wie man annahm, eine solche schon 1861 dem König in Baden vorgeschlagen, als Minister hatte er oft genug davon gesprochen, sich mit Frankreich am Rhein zu verständigen, noch in Nikolsburg soll er auf ähn¬ liche Aussichten gedeutet haben, um Benedetti zu gewinnen. Aber jeder Nach¬ giebigkeit nach dieser Richtung stand das unüberwindliche Widerstreben des

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/436>, abgerufen am 22.07.2024.