Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Wahrheit um eine Lebensfrage Preußens. Die Elbthäler und' Eisenbahnen
Sachsens führen so nahe an den Mittelpunkt der preußischen Macht, daß alle
Resultate des Sieges fraglich würden, wenn Preußen die Disposition darüber
aus politischen Rücksichten opfern müßte. Auf der andern Seite kann das
königliche Haus von Sachsen nicht so sehr alle Anschauung souveräner Familien
von dem Wesen königlicher Macht aufgeben, daß es sich einer Überlassung des
sächsischen Heeres und der sächsischen Diplomatie an Preußen fügte. Nicht nach
der Vorstellung der Völker, aber nach der Ansicht der Fürsten ist die Disposition
über Heer und diplomatische Vertretung grade das charakteristische Kennzeichen
der Königswürde und nach dieser Auffassung hört das Recht, den goldenen
Königsreif zu tragen, mit dem Recht der Heeresführung und freier Gesandt¬
schaften auf. "Sachsen dürfte dann noch ein Herzogthum heißen, nicht mehr
ein Königreich." Die geheime Renitenz der Könige gegen Oestreich bei dem
frankfurter Fürstentag 1863 war in der Hauptsache ein Kampf für ihre Königs¬
würde und König Johann war damals', wo den Fürsten doch weit weniger
zugemuthet wurde als jetzt, nach der Meinung seiner Mitsouveräne bis an die
Äußersten Grenzen patriotischer Opferwilligkeit gegangen. -- Sicher auch nach
seiner eigenen Meinung, denn dem friedlich gesinnten und maßvollen Herrn
galt Blutvergießen im Kriege gegen Deutsche für weniger hart und unerträglich,
als die Einfügung in einen Bund, welcher ihm nach dem Entwurf vom 10. Juni
doch noch den Mitgenuß der Kriegsherriichkeit und die Ernennung der Offiziere
bis inclusive zum Divisionsgeneral lassen sollte. Freilich gilt dies Königsrecht für
untheilbar, mit der Krone unzertrennlich verbunden. Wenn man sich auf diesen
Standpunkt königlicher Empfindung zu versetzen versucht, so erscheint es in der
That unmöglich, daß der erlauchte Herr unter den Bedingungen, welche ihm
Preußen nach dem Kriege und auf Grund des Friedensvertrages stellen muß,
für sich und seine Nachkommen eingehe.

Diese Auffassung, daß die Königswürde durchaus unverträglich mit einer
Cession der höchsten Regcntenrechte an eine höhere Autorität sei, ist übrigens
keine individuelle, sie ist auch in Deutschland althistorisch. Der Kurfürst von
Sachsen konnte nur für Polen König werden, der Kurfürst von Brandenburg
nur für Preußen, weil beide nicht zum heiligen römischen Reiche gehörten.
Ein Herzog dagegen, auch wenn er, wie der Großherzog von Weimar, die
IiomitZurL roz^ux besitzt, vermag-sich wohl einer solchen Beschränkung seiner Sou-
veränetät zu fügen, ohne daß dadurch die Ehre seiner fürstlichen Würde eine
unerträgliche Einbuße erleidet.

Während nun Preußen möglicherweise durch den Friedensvertrag und das
Ausland verhindert wird, das Territorium Sachsen dem preußischen Staate ein¬
zuverleiben, ist mehrfach durch die Presse angedeutet worden, daß eine Ueber-


Wahrheit um eine Lebensfrage Preußens. Die Elbthäler und' Eisenbahnen
Sachsens führen so nahe an den Mittelpunkt der preußischen Macht, daß alle
Resultate des Sieges fraglich würden, wenn Preußen die Disposition darüber
aus politischen Rücksichten opfern müßte. Auf der andern Seite kann das
königliche Haus von Sachsen nicht so sehr alle Anschauung souveräner Familien
von dem Wesen königlicher Macht aufgeben, daß es sich einer Überlassung des
sächsischen Heeres und der sächsischen Diplomatie an Preußen fügte. Nicht nach
der Vorstellung der Völker, aber nach der Ansicht der Fürsten ist die Disposition
über Heer und diplomatische Vertretung grade das charakteristische Kennzeichen
der Königswürde und nach dieser Auffassung hört das Recht, den goldenen
Königsreif zu tragen, mit dem Recht der Heeresführung und freier Gesandt¬
schaften auf. „Sachsen dürfte dann noch ein Herzogthum heißen, nicht mehr
ein Königreich." Die geheime Renitenz der Könige gegen Oestreich bei dem
frankfurter Fürstentag 1863 war in der Hauptsache ein Kampf für ihre Königs¬
würde und König Johann war damals', wo den Fürsten doch weit weniger
zugemuthet wurde als jetzt, nach der Meinung seiner Mitsouveräne bis an die
Äußersten Grenzen patriotischer Opferwilligkeit gegangen. — Sicher auch nach
seiner eigenen Meinung, denn dem friedlich gesinnten und maßvollen Herrn
galt Blutvergießen im Kriege gegen Deutsche für weniger hart und unerträglich,
als die Einfügung in einen Bund, welcher ihm nach dem Entwurf vom 10. Juni
doch noch den Mitgenuß der Kriegsherriichkeit und die Ernennung der Offiziere
bis inclusive zum Divisionsgeneral lassen sollte. Freilich gilt dies Königsrecht für
untheilbar, mit der Krone unzertrennlich verbunden. Wenn man sich auf diesen
Standpunkt königlicher Empfindung zu versetzen versucht, so erscheint es in der
That unmöglich, daß der erlauchte Herr unter den Bedingungen, welche ihm
Preußen nach dem Kriege und auf Grund des Friedensvertrages stellen muß,
für sich und seine Nachkommen eingehe.

Diese Auffassung, daß die Königswürde durchaus unverträglich mit einer
Cession der höchsten Regcntenrechte an eine höhere Autorität sei, ist übrigens
keine individuelle, sie ist auch in Deutschland althistorisch. Der Kurfürst von
Sachsen konnte nur für Polen König werden, der Kurfürst von Brandenburg
nur für Preußen, weil beide nicht zum heiligen römischen Reiche gehörten.
Ein Herzog dagegen, auch wenn er, wie der Großherzog von Weimar, die
IiomitZurL roz^ux besitzt, vermag-sich wohl einer solchen Beschränkung seiner Sou-
veränetät zu fügen, ohne daß dadurch die Ehre seiner fürstlichen Würde eine
unerträgliche Einbuße erleidet.

Während nun Preußen möglicherweise durch den Friedensvertrag und das
Ausland verhindert wird, das Territorium Sachsen dem preußischen Staate ein¬
zuverleiben, ist mehrfach durch die Presse angedeutet worden, daß eine Ueber-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0424" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/286012"/>
          <p xml:id="ID_1499" prev="#ID_1498"> Wahrheit um eine Lebensfrage Preußens.  Die Elbthäler und' Eisenbahnen<lb/>
Sachsens führen so nahe an den Mittelpunkt der preußischen Macht, daß alle<lb/>
Resultate des Sieges fraglich würden, wenn Preußen die Disposition darüber<lb/>
aus politischen Rücksichten opfern müßte.  Auf der andern Seite kann das<lb/>
königliche Haus von Sachsen nicht so sehr alle Anschauung souveräner Familien<lb/>
von dem Wesen königlicher Macht aufgeben, daß es sich einer Überlassung des<lb/>
sächsischen Heeres und der sächsischen Diplomatie an Preußen fügte. Nicht nach<lb/>
der Vorstellung der Völker, aber nach der Ansicht der Fürsten ist die Disposition<lb/>
über Heer und diplomatische Vertretung grade das charakteristische Kennzeichen<lb/>
der Königswürde und nach dieser Auffassung hört das Recht, den goldenen<lb/>
Königsreif zu tragen, mit dem Recht der Heeresführung und freier Gesandt¬<lb/>
schaften auf.  &#x201E;Sachsen dürfte dann noch ein Herzogthum heißen, nicht mehr<lb/>
ein Königreich."  Die geheime Renitenz der Könige gegen Oestreich bei dem<lb/>
frankfurter Fürstentag 1863 war in der Hauptsache ein Kampf für ihre Königs¬<lb/>
würde und König Johann war damals', wo den Fürsten doch weit weniger<lb/>
zugemuthet wurde als jetzt, nach der Meinung seiner Mitsouveräne bis an die<lb/>
Äußersten Grenzen patriotischer Opferwilligkeit gegangen. &#x2014; Sicher auch nach<lb/>
seiner eigenen Meinung, denn dem friedlich gesinnten und maßvollen Herrn<lb/>
galt Blutvergießen im Kriege gegen Deutsche für weniger hart und unerträglich,<lb/>
als die Einfügung in einen Bund, welcher ihm nach dem Entwurf vom 10. Juni<lb/>
doch noch den Mitgenuß der Kriegsherriichkeit und die Ernennung der Offiziere<lb/>
bis inclusive zum Divisionsgeneral lassen sollte. Freilich gilt dies Königsrecht für<lb/>
untheilbar, mit der Krone unzertrennlich verbunden. Wenn man sich auf diesen<lb/>
Standpunkt königlicher Empfindung zu versetzen versucht, so erscheint es in der<lb/>
That unmöglich, daß der erlauchte Herr unter den Bedingungen, welche ihm<lb/>
Preußen nach dem Kriege und auf Grund des Friedensvertrages stellen muß,<lb/>
für sich und seine Nachkommen eingehe.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1500"> Diese Auffassung, daß die Königswürde durchaus unverträglich mit einer<lb/>
Cession der höchsten Regcntenrechte an eine höhere Autorität sei, ist übrigens<lb/>
keine individuelle, sie ist auch in Deutschland althistorisch. Der Kurfürst von<lb/>
Sachsen konnte nur für Polen König werden, der Kurfürst von Brandenburg<lb/>
nur für Preußen, weil beide nicht zum heiligen römischen Reiche gehörten.<lb/>
Ein Herzog dagegen, auch wenn er, wie der Großherzog von Weimar, die<lb/>
IiomitZurL roz^ux besitzt, vermag-sich wohl einer solchen Beschränkung seiner Sou-<lb/>
veränetät zu fügen, ohne daß dadurch die Ehre seiner fürstlichen Würde eine<lb/>
unerträgliche Einbuße erleidet.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1501" next="#ID_1502"> Während nun Preußen möglicherweise durch den Friedensvertrag und das<lb/>
Ausland verhindert wird, das Territorium Sachsen dem preußischen Staate ein¬<lb/>
zuverleiben, ist mehrfach durch die Presse angedeutet worden, daß eine Ueber-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0424] Wahrheit um eine Lebensfrage Preußens. Die Elbthäler und' Eisenbahnen Sachsens führen so nahe an den Mittelpunkt der preußischen Macht, daß alle Resultate des Sieges fraglich würden, wenn Preußen die Disposition darüber aus politischen Rücksichten opfern müßte. Auf der andern Seite kann das königliche Haus von Sachsen nicht so sehr alle Anschauung souveräner Familien von dem Wesen königlicher Macht aufgeben, daß es sich einer Überlassung des sächsischen Heeres und der sächsischen Diplomatie an Preußen fügte. Nicht nach der Vorstellung der Völker, aber nach der Ansicht der Fürsten ist die Disposition über Heer und diplomatische Vertretung grade das charakteristische Kennzeichen der Königswürde und nach dieser Auffassung hört das Recht, den goldenen Königsreif zu tragen, mit dem Recht der Heeresführung und freier Gesandt¬ schaften auf. „Sachsen dürfte dann noch ein Herzogthum heißen, nicht mehr ein Königreich." Die geheime Renitenz der Könige gegen Oestreich bei dem frankfurter Fürstentag 1863 war in der Hauptsache ein Kampf für ihre Königs¬ würde und König Johann war damals', wo den Fürsten doch weit weniger zugemuthet wurde als jetzt, nach der Meinung seiner Mitsouveräne bis an die Äußersten Grenzen patriotischer Opferwilligkeit gegangen. — Sicher auch nach seiner eigenen Meinung, denn dem friedlich gesinnten und maßvollen Herrn galt Blutvergießen im Kriege gegen Deutsche für weniger hart und unerträglich, als die Einfügung in einen Bund, welcher ihm nach dem Entwurf vom 10. Juni doch noch den Mitgenuß der Kriegsherriichkeit und die Ernennung der Offiziere bis inclusive zum Divisionsgeneral lassen sollte. Freilich gilt dies Königsrecht für untheilbar, mit der Krone unzertrennlich verbunden. Wenn man sich auf diesen Standpunkt königlicher Empfindung zu versetzen versucht, so erscheint es in der That unmöglich, daß der erlauchte Herr unter den Bedingungen, welche ihm Preußen nach dem Kriege und auf Grund des Friedensvertrages stellen muß, für sich und seine Nachkommen eingehe. Diese Auffassung, daß die Königswürde durchaus unverträglich mit einer Cession der höchsten Regcntenrechte an eine höhere Autorität sei, ist übrigens keine individuelle, sie ist auch in Deutschland althistorisch. Der Kurfürst von Sachsen konnte nur für Polen König werden, der Kurfürst von Brandenburg nur für Preußen, weil beide nicht zum heiligen römischen Reiche gehörten. Ein Herzog dagegen, auch wenn er, wie der Großherzog von Weimar, die IiomitZurL roz^ux besitzt, vermag-sich wohl einer solchen Beschränkung seiner Sou- veränetät zu fügen, ohne daß dadurch die Ehre seiner fürstlichen Würde eine unerträgliche Einbuße erleidet. Während nun Preußen möglicherweise durch den Friedensvertrag und das Ausland verhindert wird, das Territorium Sachsen dem preußischen Staate ein¬ zuverleiben, ist mehrfach durch die Presse angedeutet worden, daß eine Ueber-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/424
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/424>, abgerufen am 22.07.2024.