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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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des bisherigen Zollvereins eintrete, welcher keineswegs durch den Krieg auf¬
gelöst sei.

Der letztem Richtung folgend, beantragte Finanzrath Hopf von Gotha:
Erhaltung des bisherigen Zollvereins, Ausdehnung desselben auf die dem
Bundesstaat beitretenden norddeutschen Staaten, Errichtung eines Zoll¬
vereins p ar tarnen es außer und neben dem Reichstage des norddeutschen
Bundesstaats.

Der ersteren Richtung folgend beantragte Grundrecht, Bürgermeister in
Harburg, den Zollverein mit den süddeutschen Staaten nur dann zu erneuern,
wenn sie auch in den Bundesstaat aufgenommen werden; wenn nicht -- nicht;
also entweder wuthschciflliche und politische Einigung oder weder die eine
noch die andere. "Der Zollverein ist todt -- es lebe der Bundesstaat. Wer
nicht ganz hinein will, bleibt ganz draußen."

Finanzrath Hopf warf dem Referentenantrag vor, man vermisse darin die
"Wärme der Empfindung", wodurch der Süden uns erhalten werden könne.
Darauf erwiederte Braun, es gäbe Leute, die sich desto kälter zurückzögen,
je wärmer man ihnen entgegenkomme, und schon Talleyrand habe gesagt:
,,?our röussir äans Is8 aMires, it kaut pa" mortier trop as sei"."

Lange schwankte die Debatte unentschieden zwischen diesen drei Mei¬
nungen, wovon die eine (Hopf) die Rechte repräsentirt, indem sie das Bestehende
möglichst erhalten, die andere (Grundrecht), die Linke, indem sie das Bestehende
zum Vortheil des Werdenden sofort vernichten will, während Braun das Cen¬
trum darstellt, indem er ein zeitweiliges Provisorium vorschlägt, einen Ueber-
gangszustand, welcher mit organisch zwingender Gewalt auf geebneten Bahnen
das Bestehende, ohne es zu schädigen, aber auch ohne sich durch dasselbe schä¬
digen zu lassen, in das Werdende hinüberführt.

Neben diesen drei Hauptrichtungen tauchten zwei weitere Anträge auf. welche
die Sätze 1 und 2 des Reserentenantrages zu ihrer Grundlage hatten, dagegen in
dem Satze 3 keine genügende Bürgschaft dafür fanden, daß nicht etwa die
Südstaaten auch in dem reformirten Zollverein am Ende wieder anfingen, ihren
alten sectircrischen Neigungen unter Gefährdung des Gemeinwohls die Zügel
schießen zu lassen und aus dem Provisorium ein unbehagliches Definitionen zu
machen.

Albrecht. Stadtsyndicus von Hannover, verlangte, die Südstaaten, welche
in dem Zollverein bleiben, aber dem Bundesstaate nicht beitreten könnten oder
wollten, müßten auf jede Theilnahme an der Zoll- und Handclsgesetzgebung
Verzichten, welche nur der Centralgewalt und dem Reichstage-des Bundesstaats
zusteht.

Professor Dr. Biedermann von Leipzig schlug vor, die Südstaaten nur
provisorisch zuzulassen, nämlich bis 1870, sobald dieser Termin gekommen, sollen


des bisherigen Zollvereins eintrete, welcher keineswegs durch den Krieg auf¬
gelöst sei.

Der letztem Richtung folgend, beantragte Finanzrath Hopf von Gotha:
Erhaltung des bisherigen Zollvereins, Ausdehnung desselben auf die dem
Bundesstaat beitretenden norddeutschen Staaten, Errichtung eines Zoll¬
vereins p ar tarnen es außer und neben dem Reichstage des norddeutschen
Bundesstaats.

Der ersteren Richtung folgend beantragte Grundrecht, Bürgermeister in
Harburg, den Zollverein mit den süddeutschen Staaten nur dann zu erneuern,
wenn sie auch in den Bundesstaat aufgenommen werden; wenn nicht — nicht;
also entweder wuthschciflliche und politische Einigung oder weder die eine
noch die andere. „Der Zollverein ist todt — es lebe der Bundesstaat. Wer
nicht ganz hinein will, bleibt ganz draußen."

Finanzrath Hopf warf dem Referentenantrag vor, man vermisse darin die
„Wärme der Empfindung", wodurch der Süden uns erhalten werden könne.
Darauf erwiederte Braun, es gäbe Leute, die sich desto kälter zurückzögen,
je wärmer man ihnen entgegenkomme, und schon Talleyrand habe gesagt:
,,?our röussir äans Is8 aMires, it kaut pa« mortier trop as sei«."

Lange schwankte die Debatte unentschieden zwischen diesen drei Mei¬
nungen, wovon die eine (Hopf) die Rechte repräsentirt, indem sie das Bestehende
möglichst erhalten, die andere (Grundrecht), die Linke, indem sie das Bestehende
zum Vortheil des Werdenden sofort vernichten will, während Braun das Cen¬
trum darstellt, indem er ein zeitweiliges Provisorium vorschlägt, einen Ueber-
gangszustand, welcher mit organisch zwingender Gewalt auf geebneten Bahnen
das Bestehende, ohne es zu schädigen, aber auch ohne sich durch dasselbe schä¬
digen zu lassen, in das Werdende hinüberführt.

Neben diesen drei Hauptrichtungen tauchten zwei weitere Anträge auf. welche
die Sätze 1 und 2 des Reserentenantrages zu ihrer Grundlage hatten, dagegen in
dem Satze 3 keine genügende Bürgschaft dafür fanden, daß nicht etwa die
Südstaaten auch in dem reformirten Zollverein am Ende wieder anfingen, ihren
alten sectircrischen Neigungen unter Gefährdung des Gemeinwohls die Zügel
schießen zu lassen und aus dem Provisorium ein unbehagliches Definitionen zu
machen.

Albrecht. Stadtsyndicus von Hannover, verlangte, die Südstaaten, welche
in dem Zollverein bleiben, aber dem Bundesstaate nicht beitreten könnten oder
wollten, müßten auf jede Theilnahme an der Zoll- und Handclsgesetzgebung
Verzichten, welche nur der Centralgewalt und dem Reichstage-des Bundesstaats
zusteht.

Professor Dr. Biedermann von Leipzig schlug vor, die Südstaaten nur
provisorisch zuzulassen, nämlich bis 1870, sobald dieser Termin gekommen, sollen


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[0410] des bisherigen Zollvereins eintrete, welcher keineswegs durch den Krieg auf¬ gelöst sei. Der letztem Richtung folgend, beantragte Finanzrath Hopf von Gotha: Erhaltung des bisherigen Zollvereins, Ausdehnung desselben auf die dem Bundesstaat beitretenden norddeutschen Staaten, Errichtung eines Zoll¬ vereins p ar tarnen es außer und neben dem Reichstage des norddeutschen Bundesstaats. Der ersteren Richtung folgend beantragte Grundrecht, Bürgermeister in Harburg, den Zollverein mit den süddeutschen Staaten nur dann zu erneuern, wenn sie auch in den Bundesstaat aufgenommen werden; wenn nicht — nicht; also entweder wuthschciflliche und politische Einigung oder weder die eine noch die andere. „Der Zollverein ist todt — es lebe der Bundesstaat. Wer nicht ganz hinein will, bleibt ganz draußen." Finanzrath Hopf warf dem Referentenantrag vor, man vermisse darin die „Wärme der Empfindung", wodurch der Süden uns erhalten werden könne. Darauf erwiederte Braun, es gäbe Leute, die sich desto kälter zurückzögen, je wärmer man ihnen entgegenkomme, und schon Talleyrand habe gesagt: ,,?our röussir äans Is8 aMires, it kaut pa« mortier trop as sei«." Lange schwankte die Debatte unentschieden zwischen diesen drei Mei¬ nungen, wovon die eine (Hopf) die Rechte repräsentirt, indem sie das Bestehende möglichst erhalten, die andere (Grundrecht), die Linke, indem sie das Bestehende zum Vortheil des Werdenden sofort vernichten will, während Braun das Cen¬ trum darstellt, indem er ein zeitweiliges Provisorium vorschlägt, einen Ueber- gangszustand, welcher mit organisch zwingender Gewalt auf geebneten Bahnen das Bestehende, ohne es zu schädigen, aber auch ohne sich durch dasselbe schä¬ digen zu lassen, in das Werdende hinüberführt. Neben diesen drei Hauptrichtungen tauchten zwei weitere Anträge auf. welche die Sätze 1 und 2 des Reserentenantrages zu ihrer Grundlage hatten, dagegen in dem Satze 3 keine genügende Bürgschaft dafür fanden, daß nicht etwa die Südstaaten auch in dem reformirten Zollverein am Ende wieder anfingen, ihren alten sectircrischen Neigungen unter Gefährdung des Gemeinwohls die Zügel schießen zu lassen und aus dem Provisorium ein unbehagliches Definitionen zu machen. Albrecht. Stadtsyndicus von Hannover, verlangte, die Südstaaten, welche in dem Zollverein bleiben, aber dem Bundesstaate nicht beitreten könnten oder wollten, müßten auf jede Theilnahme an der Zoll- und Handclsgesetzgebung Verzichten, welche nur der Centralgewalt und dem Reichstage-des Bundesstaats zusteht. Professor Dr. Biedermann von Leipzig schlug vor, die Südstaaten nur provisorisch zuzulassen, nämlich bis 1870, sobald dieser Termin gekommen, sollen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/410>, abgerufen am 22.07.2024.