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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Wird er erneuert werden? Was werden seine Grundlagen sein? Wer wird
in den neuen Verband aufgenommen oder zugelassen werden?

Aufgelöst ist der Zollverein unzweifelhaft durch den Krieg. Damit ist
aber seine Wiederaufrichtung keineswegs ausgeschlossen. Für den zu gründen¬
den Bundesstaat ist er jedoch nach den bereits oben angeführten Neformvor-
schlägen überflüssig. Nach Artikel VI Absatz 1 soll die "Zoll- und Handels¬
gesetzgebung" Sache der Bundesgewalt und des Reichstages werden. Der Zoll¬
verein wird also ersetzt durch den Bundesstaat.

Letzterer besteht aus drei in handelspolitischer Hinsicht verschieden situirter
Bestandtheilen: Erstens aus dem vcrgiößerten Preußen, welches durch die
Einverleibung zunächst von Hannover, Kuvhesscn und Nassau, ferner wahr-
schetnlicherweise eines Stückes von Hessen-Darmstadt und endlich der Stadt
Frankfurt, von einer Bevölkerung von etwas über 19 Millionen auf eine
solche von etwa 24 Millionen Einwohnern anwächst und sich als Bundes¬
gewalt constituirt. Zweitens aus denjenigen norddeutschen Staaten, welche
dem alten Zollverein nicht angehört haben, aber dem neuen Bundesstaat bei¬
treten und mit diesem zu einem einheitlichen Wirthschaftsgebicte werden ver¬
einigt werden. Dies sind Schleswig-Holstein, beide Mecklenburgs und >die
nordischen Hansestädte. Der zu Gunsten der letzteren in der neunundvierziger
Reichsverfassung gemachte Vorbehalt einer Art Freihafenqualität wird wohl
auch in die Constitution des nord- und mitteldeutschen Bundesstaats mit her-
übergenommen werden. Wenigstens liegt dies nicht nur im Interesse von
Hamburg, Lübeck und Bremen, sondern auch in dem von uns andern. Den
beiden mecklenburgischen Regierungen wird es nun wohl auch endlich lieu
werden, was ihnen seit 1860 verständige Menschen (unter welchen vorzugs¬
weise Moritz Wiggers zu erwähnen) vorausgesagt haben, daß sie Zeit und Geld
verschwendeten, als sie kürzlich erst sür die beiden Mecklenburg einen separaten
Zollverein constituirten und an den äußeren Grenzen eine Douane aufrichteten,
und daß ihnen am Ende, trotz allen Sträubens der Feudalen, nichts übrig
bleibe, als der wirthschaftlichen Gemeinschaft Deutschlands beizutreten. Drittens
besteht er aus denjenigen nord- und mitteldeutschen Staaten, welche dem neuen
Bundesstaat beigetreten sind, aber auch schon früher im Zollverein waren. Für
sie tritt zu der alten wirthschaftlichen Gemeinschaft (deren Verfassung sich ändert,
während der Tarif bleibt) die neue politische Gemeinschaft, deren Verfassung
noch festzustellen ist und sich auch über das handelspolitische Gebiet zu erstlecken
hat. Wir sehen also auf der einen Seite den Einheitsstaat Preußen, auf der
anderen eine Staatengruppe, welche theils von Alters her dem einheitlichen
Wirthschaftsgcbietc angehört, theils demselben neu beitritt.

Precär ist das Schicksal dessen, was außerdem noch von dem durch den
Krieg hinfällig gewordenen Zollverein übrig bleibt. Dies sind die süddeutschen


48"

Wird er erneuert werden? Was werden seine Grundlagen sein? Wer wird
in den neuen Verband aufgenommen oder zugelassen werden?

Aufgelöst ist der Zollverein unzweifelhaft durch den Krieg. Damit ist
aber seine Wiederaufrichtung keineswegs ausgeschlossen. Für den zu gründen¬
den Bundesstaat ist er jedoch nach den bereits oben angeführten Neformvor-
schlägen überflüssig. Nach Artikel VI Absatz 1 soll die „Zoll- und Handels¬
gesetzgebung" Sache der Bundesgewalt und des Reichstages werden. Der Zoll¬
verein wird also ersetzt durch den Bundesstaat.

Letzterer besteht aus drei in handelspolitischer Hinsicht verschieden situirter
Bestandtheilen: Erstens aus dem vcrgiößerten Preußen, welches durch die
Einverleibung zunächst von Hannover, Kuvhesscn und Nassau, ferner wahr-
schetnlicherweise eines Stückes von Hessen-Darmstadt und endlich der Stadt
Frankfurt, von einer Bevölkerung von etwas über 19 Millionen auf eine
solche von etwa 24 Millionen Einwohnern anwächst und sich als Bundes¬
gewalt constituirt. Zweitens aus denjenigen norddeutschen Staaten, welche
dem alten Zollverein nicht angehört haben, aber dem neuen Bundesstaat bei¬
treten und mit diesem zu einem einheitlichen Wirthschaftsgebicte werden ver¬
einigt werden. Dies sind Schleswig-Holstein, beide Mecklenburgs und >die
nordischen Hansestädte. Der zu Gunsten der letzteren in der neunundvierziger
Reichsverfassung gemachte Vorbehalt einer Art Freihafenqualität wird wohl
auch in die Constitution des nord- und mitteldeutschen Bundesstaats mit her-
übergenommen werden. Wenigstens liegt dies nicht nur im Interesse von
Hamburg, Lübeck und Bremen, sondern auch in dem von uns andern. Den
beiden mecklenburgischen Regierungen wird es nun wohl auch endlich lieu
werden, was ihnen seit 1860 verständige Menschen (unter welchen vorzugs¬
weise Moritz Wiggers zu erwähnen) vorausgesagt haben, daß sie Zeit und Geld
verschwendeten, als sie kürzlich erst sür die beiden Mecklenburg einen separaten
Zollverein constituirten und an den äußeren Grenzen eine Douane aufrichteten,
und daß ihnen am Ende, trotz allen Sträubens der Feudalen, nichts übrig
bleibe, als der wirthschaftlichen Gemeinschaft Deutschlands beizutreten. Drittens
besteht er aus denjenigen nord- und mitteldeutschen Staaten, welche dem neuen
Bundesstaat beigetreten sind, aber auch schon früher im Zollverein waren. Für
sie tritt zu der alten wirthschaftlichen Gemeinschaft (deren Verfassung sich ändert,
während der Tarif bleibt) die neue politische Gemeinschaft, deren Verfassung
noch festzustellen ist und sich auch über das handelspolitische Gebiet zu erstlecken
hat. Wir sehen also auf der einen Seite den Einheitsstaat Preußen, auf der
anderen eine Staatengruppe, welche theils von Alters her dem einheitlichen
Wirthschaftsgcbietc angehört, theils demselben neu beitritt.

Precär ist das Schicksal dessen, was außerdem noch von dem durch den
Krieg hinfällig gewordenen Zollverein übrig bleibt. Dies sind die süddeutschen


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[0407] Wird er erneuert werden? Was werden seine Grundlagen sein? Wer wird in den neuen Verband aufgenommen oder zugelassen werden? Aufgelöst ist der Zollverein unzweifelhaft durch den Krieg. Damit ist aber seine Wiederaufrichtung keineswegs ausgeschlossen. Für den zu gründen¬ den Bundesstaat ist er jedoch nach den bereits oben angeführten Neformvor- schlägen überflüssig. Nach Artikel VI Absatz 1 soll die „Zoll- und Handels¬ gesetzgebung" Sache der Bundesgewalt und des Reichstages werden. Der Zoll¬ verein wird also ersetzt durch den Bundesstaat. Letzterer besteht aus drei in handelspolitischer Hinsicht verschieden situirter Bestandtheilen: Erstens aus dem vcrgiößerten Preußen, welches durch die Einverleibung zunächst von Hannover, Kuvhesscn und Nassau, ferner wahr- schetnlicherweise eines Stückes von Hessen-Darmstadt und endlich der Stadt Frankfurt, von einer Bevölkerung von etwas über 19 Millionen auf eine solche von etwa 24 Millionen Einwohnern anwächst und sich als Bundes¬ gewalt constituirt. Zweitens aus denjenigen norddeutschen Staaten, welche dem alten Zollverein nicht angehört haben, aber dem neuen Bundesstaat bei¬ treten und mit diesem zu einem einheitlichen Wirthschaftsgebicte werden ver¬ einigt werden. Dies sind Schleswig-Holstein, beide Mecklenburgs und >die nordischen Hansestädte. Der zu Gunsten der letzteren in der neunundvierziger Reichsverfassung gemachte Vorbehalt einer Art Freihafenqualität wird wohl auch in die Constitution des nord- und mitteldeutschen Bundesstaats mit her- übergenommen werden. Wenigstens liegt dies nicht nur im Interesse von Hamburg, Lübeck und Bremen, sondern auch in dem von uns andern. Den beiden mecklenburgischen Regierungen wird es nun wohl auch endlich lieu werden, was ihnen seit 1860 verständige Menschen (unter welchen vorzugs¬ weise Moritz Wiggers zu erwähnen) vorausgesagt haben, daß sie Zeit und Geld verschwendeten, als sie kürzlich erst sür die beiden Mecklenburg einen separaten Zollverein constituirten und an den äußeren Grenzen eine Douane aufrichteten, und daß ihnen am Ende, trotz allen Sträubens der Feudalen, nichts übrig bleibe, als der wirthschaftlichen Gemeinschaft Deutschlands beizutreten. Drittens besteht er aus denjenigen nord- und mitteldeutschen Staaten, welche dem neuen Bundesstaat beigetreten sind, aber auch schon früher im Zollverein waren. Für sie tritt zu der alten wirthschaftlichen Gemeinschaft (deren Verfassung sich ändert, während der Tarif bleibt) die neue politische Gemeinschaft, deren Verfassung noch festzustellen ist und sich auch über das handelspolitische Gebiet zu erstlecken hat. Wir sehen also auf der einen Seite den Einheitsstaat Preußen, auf der anderen eine Staatengruppe, welche theils von Alters her dem einheitlichen Wirthschaftsgcbietc angehört, theils demselben neu beitritt. Precär ist das Schicksal dessen, was außerdem noch von dem durch den Krieg hinfällig gewordenen Zollverein übrig bleibt. Dies sind die süddeutschen 48"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/407>, abgerufen am 22.07.2024.