Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.et. 17. Januar -- 22. Februar 1816. "Die freundliche Gewohnheit des Jetzt tritt das Gespenst der Theilung Sachsens näher. Das einzige Gute Von der wirklichen Lösung der sächsischen Frage von damals ist unser Ge¬ et. 17. Januar — 22. Februar 1816. „Die freundliche Gewohnheit des Jetzt tritt das Gespenst der Theilung Sachsens näher. Das einzige Gute Von der wirklichen Lösung der sächsischen Frage von damals ist unser Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0402" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285990"/> <p xml:id="ID_1368"> et. 17. Januar — 22. Februar 1816. „Die freundliche Gewohnheit des<lb/> Gebens und Nehmens zum Weihnachtsfeste hat sich diesmal vorzüglich an dem<lb/> Bildnisse des Hochgefeierten geübt." Beim Jahreswechsel haben laute und ge¬<lb/> druckte Wünsche, "auch an die Erdengötter in Wien, nur den König zurückerfleht.<lb/> Trefflich hat eine kleine Flugschrift (Wünscht das sächsische Volt eine Regierungs¬<lb/> veränderung?) die Schritte der „Nation für ihren König und die Bedrängnisse<lb/> und Schwierigkeiten, denen sie dabei unterworfen war", geschichtlich dargestellt.<lb/> Stoff genug; denn wenn auch das Gouvernement erst neulich wohlthätige Vor¬<lb/> arbeiten zur Heilung mancher Gebrechen, insbesondere in Betreff des Umfangs<lb/> und der Nutzung der Staatsdomänen und anderes mehr angekündigt hat, den¬<lb/> noch bleiben die Nachrichten aus Wien, vor deren Verbreitung gewarnt wird,<lb/> weil sie meist unbegründet seien, unser einziges Labsal während der „Schreckens¬<lb/> herrschaft". Die Leipziger Zeitung bringt Artikel, in denen die Anstalten des<lb/> Gouvernements auf das widerwärtigste gelobhudeli werden. Aber von den Ver-<lb/> gehungen der Gewalt spricht sie nicht; z.B. der angeordnete beträchtliche Holz¬<lb/> schlag in allen königlichen Waldungen bleibt unerwähnt. „Wehe! wenn die<lb/> Cultur dazu gebraucht wird, die Art und Weise ausfindig zu machen, wie man<lb/> dem Schwächern und Unterdrückten am empfindlichsten schaden könne. Das heißt<lb/> das Kind im Mutterleibe morden!"</p><lb/> <p xml:id="ID_1369"> Jetzt tritt das Gespenst der Theilung Sachsens näher. Das einzige Gute<lb/> dabei, daß wir den Landesvater wieder erhalten, wird durch eine gleichzeitige<lb/> Mittheilung der Leipziger Zeitung wieder illusorisch: die bisherige Verwaltung<lb/> soll bleiben, bis alles in Ordnung sei. Wie 1806 die Einverleibung Hannovers,<lb/> so hat eine solche erneute Mißhandlung Sachsens bei den Studenten in Leipzig<lb/> unauslöschlichen Enthusiasmus aufgeregt, d. K. sie haben die vorgefundenen<lb/> Exemplare des betreffenden Extrablattes vernichtet und ^eroavt dazu gesungen.<lb/> „Schlimmeres glimmt im ganzen Lande unter der Asche!" In der „Nemesis"<lb/> (von Luden herausgegeben) erklärt ein Aufsatz „über die Zerstückelung Sachsens",<lb/> der König könne als Vater des Vaterlandes einen Rest seines Landes nicht<lb/> annehmen, und uns Sachsen müsse jede Entscheidung unseres Schicksals, die<lb/> wir französischem Einflüsse zu verdanken hätten — man erinnert sich der In¬<lb/> triguen Talleyrands auf dem Kongresse —, verdächtig und verhaßt sein. Das<lb/> verdammt unser Patriot als Schluß „einer fortlaufenden Sophisterei, an der<lb/> Aalsglätte, Habichtsklaue und Bicnenstachel nicht zu verkennen ist."--„Sie<lb/> sehen, mein theurer Freund! auf welchem Meere von brausenden Wellen das<lb/> arme Land und Volk der Sachsen noch als Ballast und vermeintliches Strand¬<lb/> gut hin und her geworfen wird."</p><lb/> <p xml:id="ID_1370" next="#ID_1371"> Von der wirklichen Lösung der sächsischen Frage von damals ist unser Ge¬<lb/> währsmann natürlich tief verletzt. Er hat die Naivetät, all sein Bedenken dar¬<lb/> aus zu richten, „wie man einer Nation — will heißen Sachsen — die den</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0402]
et. 17. Januar — 22. Februar 1816. „Die freundliche Gewohnheit des
Gebens und Nehmens zum Weihnachtsfeste hat sich diesmal vorzüglich an dem
Bildnisse des Hochgefeierten geübt." Beim Jahreswechsel haben laute und ge¬
druckte Wünsche, "auch an die Erdengötter in Wien, nur den König zurückerfleht.
Trefflich hat eine kleine Flugschrift (Wünscht das sächsische Volt eine Regierungs¬
veränderung?) die Schritte der „Nation für ihren König und die Bedrängnisse
und Schwierigkeiten, denen sie dabei unterworfen war", geschichtlich dargestellt.
Stoff genug; denn wenn auch das Gouvernement erst neulich wohlthätige Vor¬
arbeiten zur Heilung mancher Gebrechen, insbesondere in Betreff des Umfangs
und der Nutzung der Staatsdomänen und anderes mehr angekündigt hat, den¬
noch bleiben die Nachrichten aus Wien, vor deren Verbreitung gewarnt wird,
weil sie meist unbegründet seien, unser einziges Labsal während der „Schreckens¬
herrschaft". Die Leipziger Zeitung bringt Artikel, in denen die Anstalten des
Gouvernements auf das widerwärtigste gelobhudeli werden. Aber von den Ver-
gehungen der Gewalt spricht sie nicht; z.B. der angeordnete beträchtliche Holz¬
schlag in allen königlichen Waldungen bleibt unerwähnt. „Wehe! wenn die
Cultur dazu gebraucht wird, die Art und Weise ausfindig zu machen, wie man
dem Schwächern und Unterdrückten am empfindlichsten schaden könne. Das heißt
das Kind im Mutterleibe morden!"
Jetzt tritt das Gespenst der Theilung Sachsens näher. Das einzige Gute
dabei, daß wir den Landesvater wieder erhalten, wird durch eine gleichzeitige
Mittheilung der Leipziger Zeitung wieder illusorisch: die bisherige Verwaltung
soll bleiben, bis alles in Ordnung sei. Wie 1806 die Einverleibung Hannovers,
so hat eine solche erneute Mißhandlung Sachsens bei den Studenten in Leipzig
unauslöschlichen Enthusiasmus aufgeregt, d. K. sie haben die vorgefundenen
Exemplare des betreffenden Extrablattes vernichtet und ^eroavt dazu gesungen.
„Schlimmeres glimmt im ganzen Lande unter der Asche!" In der „Nemesis"
(von Luden herausgegeben) erklärt ein Aufsatz „über die Zerstückelung Sachsens",
der König könne als Vater des Vaterlandes einen Rest seines Landes nicht
annehmen, und uns Sachsen müsse jede Entscheidung unseres Schicksals, die
wir französischem Einflüsse zu verdanken hätten — man erinnert sich der In¬
triguen Talleyrands auf dem Kongresse —, verdächtig und verhaßt sein. Das
verdammt unser Patriot als Schluß „einer fortlaufenden Sophisterei, an der
Aalsglätte, Habichtsklaue und Bicnenstachel nicht zu verkennen ist."--„Sie
sehen, mein theurer Freund! auf welchem Meere von brausenden Wellen das
arme Land und Volk der Sachsen noch als Ballast und vermeintliches Strand¬
gut hin und her geworfen wird."
Von der wirklichen Lösung der sächsischen Frage von damals ist unser Ge¬
währsmann natürlich tief verletzt. Er hat die Naivetät, all sein Bedenken dar¬
aus zu richten, „wie man einer Nation — will heißen Sachsen — die den
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