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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Stimmen über die Zukunft Sachsens
aus den Jahren 1813 und 14.

Die Waffenbrüderschaft mit dem Kaiserstaate hat für Sachsen im Vergleich
mit den übrigen Bundeslandern, die sich am Kriege betheiligten, eine überaus
complicirte Ausnahmestellung mit sich gebracht. Es ist in den östreichischen
Frieden allein mit eingeschlossen, soll sich aber direct mit Preußen über die
Modalitäten eines Bundes verständigen, den es nicht gewollt hat. Diese mi߬
liche und doch auch wieder nicht hoffnungslose Lage, so sehr die Politik des
Herrn v. Beust sie im Einzelnen verschuldet haben mag, entspricht nur zu gut
der altüberlieferten Eigenthümlichkeit des Landes, das die lorale Barriöre der
beiden mitteleuropäischen Großmächte und der politische Exponent ihrer Wechsel¬
beziehung ist. Dieser Umstand gewinnt an Wichtigkeit, wenn wir uns erinnern,
daß der jetzt sich vollziehende Friede zwischen Preußen und dem nicht mehr
deutschen Oestreich angebahnt und vermittelt wurde durch den Kaiser der Fran¬
zosen. Sachsens Zukunft steht dadurch in gewissem Grade unter auswärtiger
Controle. sie ist nicht wie die der übrigen Mittelstaaten eine rein innere deutsche
Angelegenheit, sondern hat einen verhängnißvollen Zusatz von internationalem
europäischen Charakter bekommen.

Es gab eine Zeit, wo die Sorge für das albertinische Haus den großen
Mächten Europas als unbestrittener Rechtstitel für die Bevormundung unsrer
nationalen Reorganisation diente. Diese Blätter, gemäß ihrer Ausgabe,
Boten aus dem Lande zu sein, dessen bedeutsamste Eigenschaft ist, die Grenze
ZU bilden zwischen Oestreich und Preußen, zwischen dem Deutschland der
Vergangenheit und der Zukunft, haben wiederholt mahnend auf die Epoche
hingewiesen, die wir hier im Sinne haben. Natürlichen Anlaß dazu boten zu¬
letzt die Feste, welche der Erinnerung an die Freiheitskriege und ihrer politischen
Resultate galten. In die Empfindungen jener Tage sind wir heute aufs leb¬
hafteste zurückversetzt. Wir erleben am gegenwärtigen Zustande Sachsens die
Wiederkehr der Alternative von 1813 und 14; noch einmal, zum letzten Male
wohl, wird uns auferlegt, strebend und handelnd die Acten der Ersahrungen
von damals zu prüfen.


Grenzboten III. 18W. 46
Stimmen über die Zukunft Sachsens
aus den Jahren 1813 und 14.

Die Waffenbrüderschaft mit dem Kaiserstaate hat für Sachsen im Vergleich
mit den übrigen Bundeslandern, die sich am Kriege betheiligten, eine überaus
complicirte Ausnahmestellung mit sich gebracht. Es ist in den östreichischen
Frieden allein mit eingeschlossen, soll sich aber direct mit Preußen über die
Modalitäten eines Bundes verständigen, den es nicht gewollt hat. Diese mi߬
liche und doch auch wieder nicht hoffnungslose Lage, so sehr die Politik des
Herrn v. Beust sie im Einzelnen verschuldet haben mag, entspricht nur zu gut
der altüberlieferten Eigenthümlichkeit des Landes, das die lorale Barriöre der
beiden mitteleuropäischen Großmächte und der politische Exponent ihrer Wechsel¬
beziehung ist. Dieser Umstand gewinnt an Wichtigkeit, wenn wir uns erinnern,
daß der jetzt sich vollziehende Friede zwischen Preußen und dem nicht mehr
deutschen Oestreich angebahnt und vermittelt wurde durch den Kaiser der Fran¬
zosen. Sachsens Zukunft steht dadurch in gewissem Grade unter auswärtiger
Controle. sie ist nicht wie die der übrigen Mittelstaaten eine rein innere deutsche
Angelegenheit, sondern hat einen verhängnißvollen Zusatz von internationalem
europäischen Charakter bekommen.

Es gab eine Zeit, wo die Sorge für das albertinische Haus den großen
Mächten Europas als unbestrittener Rechtstitel für die Bevormundung unsrer
nationalen Reorganisation diente. Diese Blätter, gemäß ihrer Ausgabe,
Boten aus dem Lande zu sein, dessen bedeutsamste Eigenschaft ist, die Grenze
ZU bilden zwischen Oestreich und Preußen, zwischen dem Deutschland der
Vergangenheit und der Zukunft, haben wiederholt mahnend auf die Epoche
hingewiesen, die wir hier im Sinne haben. Natürlichen Anlaß dazu boten zu¬
letzt die Feste, welche der Erinnerung an die Freiheitskriege und ihrer politischen
Resultate galten. In die Empfindungen jener Tage sind wir heute aufs leb¬
hafteste zurückversetzt. Wir erleben am gegenwärtigen Zustande Sachsens die
Wiederkehr der Alternative von 1813 und 14; noch einmal, zum letzten Male
wohl, wird uns auferlegt, strebend und handelnd die Acten der Ersahrungen
von damals zu prüfen.


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[0389] Stimmen über die Zukunft Sachsens aus den Jahren 1813 und 14. Die Waffenbrüderschaft mit dem Kaiserstaate hat für Sachsen im Vergleich mit den übrigen Bundeslandern, die sich am Kriege betheiligten, eine überaus complicirte Ausnahmestellung mit sich gebracht. Es ist in den östreichischen Frieden allein mit eingeschlossen, soll sich aber direct mit Preußen über die Modalitäten eines Bundes verständigen, den es nicht gewollt hat. Diese mi߬ liche und doch auch wieder nicht hoffnungslose Lage, so sehr die Politik des Herrn v. Beust sie im Einzelnen verschuldet haben mag, entspricht nur zu gut der altüberlieferten Eigenthümlichkeit des Landes, das die lorale Barriöre der beiden mitteleuropäischen Großmächte und der politische Exponent ihrer Wechsel¬ beziehung ist. Dieser Umstand gewinnt an Wichtigkeit, wenn wir uns erinnern, daß der jetzt sich vollziehende Friede zwischen Preußen und dem nicht mehr deutschen Oestreich angebahnt und vermittelt wurde durch den Kaiser der Fran¬ zosen. Sachsens Zukunft steht dadurch in gewissem Grade unter auswärtiger Controle. sie ist nicht wie die der übrigen Mittelstaaten eine rein innere deutsche Angelegenheit, sondern hat einen verhängnißvollen Zusatz von internationalem europäischen Charakter bekommen. Es gab eine Zeit, wo die Sorge für das albertinische Haus den großen Mächten Europas als unbestrittener Rechtstitel für die Bevormundung unsrer nationalen Reorganisation diente. Diese Blätter, gemäß ihrer Ausgabe, Boten aus dem Lande zu sein, dessen bedeutsamste Eigenschaft ist, die Grenze ZU bilden zwischen Oestreich und Preußen, zwischen dem Deutschland der Vergangenheit und der Zukunft, haben wiederholt mahnend auf die Epoche hingewiesen, die wir hier im Sinne haben. Natürlichen Anlaß dazu boten zu¬ letzt die Feste, welche der Erinnerung an die Freiheitskriege und ihrer politischen Resultate galten. In die Empfindungen jener Tage sind wir heute aufs leb¬ hafteste zurückversetzt. Wir erleben am gegenwärtigen Zustande Sachsens die Wiederkehr der Alternative von 1813 und 14; noch einmal, zum letzten Male wohl, wird uns auferlegt, strebend und handelnd die Acten der Ersahrungen von damals zu prüfen. Grenzboten III. 18W. 46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/389>, abgerufen am 22.07.2024.