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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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seite hin waren vermauert, die Schienenwege zerstört worden. In den letzten
Wochen war fast aller Verkehr gehemmt und auf dem Rheinstrom war es leer
und öde. Man gewahrte auf seiner breiten Fluth fast kein Fahrzeug mehr,
selbst die, welche bis dahin am Ufer gelegen, waren verschwunden, die Waaren¬
hallen geleert, das sonst so belebte Ufer fast menschenleer. Nur auf der Rhein¬
brücke zeigte sich einiges Leben. An dieser landete an mehren Abenden ein
Dampfer, der aber keineswegs zu friedlicher Fahrt bestimmt war. Er wurde
zum Avisiren rheinabwärts gebraucht, wenn feindliche Schiffe sich zur Nachtzeit
nahen sollten. Die Besatzung bestand aus einem Offizier und 30 Mann vom
meiningschen Contingent. Seine Aufgabe, sich im Fahrwasser durchzuwinden,
War nicht immer leicht, da die Preußen Bibrich an beiden Ufern inne hatten.
Einige preußische Abtheilungen gaben auch gelegentlich Salven auf den Dampfer
ab, der aber geschickt hinter einsame Schiffe retirirte, die eben den Rhein hinauf-
geschleppt wurden und welche den größern Theil der Ladung bekamen.

In den letzten Tagen des Juli zog das meiningensche Contingent aus
Mainz ab, da der Herzog aus dem Bunde getreten war und den Rückmarsch
ins Land befohlen hatte. Für die Truppe war das eine mißliche Sache, da
der Gouverneur sie als Kriegsgefangene zurückbehalten konnte. Da sich das
Regiment durch seine gute Führung bei den anderen Truppen, wie auch bei
den Einwohnern des größten Wohlwollens zu erfreuen hatte, so wurde es
so glimpflich wie möglich behandelt. Der Gouverneur ließ nur die Ge¬
wehre und Munition zurückbehalten, sonst gestattete er freien und ehrenvollen
Abzug mit Fahnen und allem Eigenthum. In allen Kreisen erregte das
Geschick der Truppe aufrichtigste Theilnahme und vielen Militärs, festen
Männern, traten die Thränen in die Augen. Selbst der Gouverneur war davon
ergriffen. Den Abziehenden gab man ein so ehrendes Geleite, wie man es
vermochte, denn fast alle Generale, Stabs- und sonstigen berittenen Offiziere,
der Gouverneur und der nachfolgende Commandant, General v. Loßberg, an
der Spitze begleiteten die Truppen über den Rhein bis an die Außenwerke.
Trotzdem dichte Haufen von Militärs und Civil am Wege standen, so war doch
nichts von einer unfreundlichen Demonstration zu gewahren.

So blieben denn die Hessen, Bayern und Nassauer in der Festung zurück.
Der Zerfall des deutschen Bundes trat eindringlich vor Augen, man sah. wie
n. am Marasmus schon lange hinsiechend, seiner Auflösung sich rasch näherte,
ein Glied nach dem andern erkaltete und starb ab. Der kranke Mann weit
hinten in der Türkei sollte ihn noch überleben.

Aber auch die Zustände des bisherigen Bundeskriegswesens spiegelten sich
in der ersten deutschen Bundesfcste ziemlich getreu ab, und das Bild konnte
leider nicht ein befriedigendes genannt werden. Das Kleinliche. Zerstückelte.
Unvollkommene, Ungleiche drängte sich überall auf. Jeder, der diese Monate in


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seite hin waren vermauert, die Schienenwege zerstört worden. In den letzten
Wochen war fast aller Verkehr gehemmt und auf dem Rheinstrom war es leer
und öde. Man gewahrte auf seiner breiten Fluth fast kein Fahrzeug mehr,
selbst die, welche bis dahin am Ufer gelegen, waren verschwunden, die Waaren¬
hallen geleert, das sonst so belebte Ufer fast menschenleer. Nur auf der Rhein¬
brücke zeigte sich einiges Leben. An dieser landete an mehren Abenden ein
Dampfer, der aber keineswegs zu friedlicher Fahrt bestimmt war. Er wurde
zum Avisiren rheinabwärts gebraucht, wenn feindliche Schiffe sich zur Nachtzeit
nahen sollten. Die Besatzung bestand aus einem Offizier und 30 Mann vom
meiningschen Contingent. Seine Aufgabe, sich im Fahrwasser durchzuwinden,
War nicht immer leicht, da die Preußen Bibrich an beiden Ufern inne hatten.
Einige preußische Abtheilungen gaben auch gelegentlich Salven auf den Dampfer
ab, der aber geschickt hinter einsame Schiffe retirirte, die eben den Rhein hinauf-
geschleppt wurden und welche den größern Theil der Ladung bekamen.

In den letzten Tagen des Juli zog das meiningensche Contingent aus
Mainz ab, da der Herzog aus dem Bunde getreten war und den Rückmarsch
ins Land befohlen hatte. Für die Truppe war das eine mißliche Sache, da
der Gouverneur sie als Kriegsgefangene zurückbehalten konnte. Da sich das
Regiment durch seine gute Führung bei den anderen Truppen, wie auch bei
den Einwohnern des größten Wohlwollens zu erfreuen hatte, so wurde es
so glimpflich wie möglich behandelt. Der Gouverneur ließ nur die Ge¬
wehre und Munition zurückbehalten, sonst gestattete er freien und ehrenvollen
Abzug mit Fahnen und allem Eigenthum. In allen Kreisen erregte das
Geschick der Truppe aufrichtigste Theilnahme und vielen Militärs, festen
Männern, traten die Thränen in die Augen. Selbst der Gouverneur war davon
ergriffen. Den Abziehenden gab man ein so ehrendes Geleite, wie man es
vermochte, denn fast alle Generale, Stabs- und sonstigen berittenen Offiziere,
der Gouverneur und der nachfolgende Commandant, General v. Loßberg, an
der Spitze begleiteten die Truppen über den Rhein bis an die Außenwerke.
Trotzdem dichte Haufen von Militärs und Civil am Wege standen, so war doch
nichts von einer unfreundlichen Demonstration zu gewahren.

So blieben denn die Hessen, Bayern und Nassauer in der Festung zurück.
Der Zerfall des deutschen Bundes trat eindringlich vor Augen, man sah. wie
n. am Marasmus schon lange hinsiechend, seiner Auflösung sich rasch näherte,
ein Glied nach dem andern erkaltete und starb ab. Der kranke Mann weit
hinten in der Türkei sollte ihn noch überleben.

Aber auch die Zustände des bisherigen Bundeskriegswesens spiegelten sich
in der ersten deutschen Bundesfcste ziemlich getreu ab, und das Bild konnte
leider nicht ein befriedigendes genannt werden. Das Kleinliche. Zerstückelte.
Unvollkommene, Ungleiche drängte sich überall auf. Jeder, der diese Monate in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/381>, abgerufen am 22.07.2024.