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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Aehnlich den Bayern sind die Würtenberger. aber gutmüthiger und naiver.
Ihre Ausstattung war eine eigenthümliche, im Ganzen wenig geschmackvolle,
die Haltung gewöhnlich mehr als leger. Die anderen Soldaten nannten sie
scherzweise die "Wühsteberger". weniger um eines wüsten Wesens willen, son¬
dern weil sie das Wort "wühst" häusig gebrauchten.

Eine gut ausgerüstete und trefflich geschulte Truppe war grade die kleinste,
die Bückeburger. Jäger mit Zündnadelbüchsen. Die Offiziere waren sehr ge¬
bildet und unterrichtet und meist gut beritten. Die Bückeburger haben sich
bekanntlich schon früher einen guten Namen gemacht, im siebenjährigen Kriege
als Carabiniers unter dem tüchtigen aber wunderlichen Grafen Wilhelm; in
neurer Zeit als Jäger im Schleswig.holsteinschen Kriege. Sie waren nur kurze
Zeit in Mainz, erwarben sich aber allgemeine Achtung. Sie kamen von da
in die Festung Ulm, wurden aber aus Unkenntniß der Sachlage dort mit
allerlei feindseligen Demonstrationen als Bundesabtrünnige empfangen.

Grade wie die Bückeburger, verschwanden, man darf sagen über Nacht,
auch die Weimaraner. Wie das Gerücht, ging, sollen sie mehr Sympathien
für Preußen als für die Bundessache zu erkennen gegeben haben. Der Oberst
v. Sydow, früher in preußischen Diensten, ein sehr gediegener und allgemein
geachteter Offizier, war bereits vor dem Abmarsch seiner Truppe des Kommandos
enthoben worden und ging nach Weimar zurück. Vom Regiments, das preu¬
ßische Zündnadelgewehre führte und sonst aufs trefflichste ausgerüstet war,
kamen zwei Bataillone "ach Rastadt. ein drittes nach Ulm.

Unter den Truppentheilen unsrer Garnison war alles mehr oder weniger
verschieden, die Verpflegung, Gagen und Zulagen, Reglement. Signale. Aus¬
rüstung, tactische Ausbildung. Das mußte ein einheitliches Wirken außerordent¬
lich erschweren, keine Truppe kannte den Generalmarsch der andern; komisch, fast
peinlich sah es aus. wenn die Wachen gemischt waren und ins Gewehr ge¬
rufen wurden. Da standen die hellblauen Bayern und Würtenberger neben
dem dunkelgrün und gelben Weimaraner. oder dem grün und rothen Meininger.
Da Commandos und Griffe verschieden waren, so war die Mischung für den
Commandirenden nicht zu regieren. Da die Würtenberger das geschulterte
Gewehr gar nicht kannten, sondern gleich vom Fuß aus präsentirten, während
dies die andren von der Schulter aus effectuirten, so sahen selbst die Honneurs
und die militärische Hochachtung putzig aus. Zu der bunten Musterkarte in
Uniformen, in Lederzeug und Waffen kam noch als besondrer Unfall, daß mehre


etwas zu thun. Ein Offizier wollte auch eine Chaussee aufreißen lassen, und zwar an einer
Stelle, wo rechts und links die schönsten Saaten standen. Als man ihm nun bemerklich
machte, daß die Preußen dann ganz bequem zur Seite vorüberziehen könnten, ohne Hinderniß
und nur zum Schaden der Aecker, meinte er nach einigem Nachdenken: "Da Habens Recht,
na dann können wirs ja auch lassen."

Aehnlich den Bayern sind die Würtenberger. aber gutmüthiger und naiver.
Ihre Ausstattung war eine eigenthümliche, im Ganzen wenig geschmackvolle,
die Haltung gewöhnlich mehr als leger. Die anderen Soldaten nannten sie
scherzweise die „Wühsteberger". weniger um eines wüsten Wesens willen, son¬
dern weil sie das Wort „wühst" häusig gebrauchten.

Eine gut ausgerüstete und trefflich geschulte Truppe war grade die kleinste,
die Bückeburger. Jäger mit Zündnadelbüchsen. Die Offiziere waren sehr ge¬
bildet und unterrichtet und meist gut beritten. Die Bückeburger haben sich
bekanntlich schon früher einen guten Namen gemacht, im siebenjährigen Kriege
als Carabiniers unter dem tüchtigen aber wunderlichen Grafen Wilhelm; in
neurer Zeit als Jäger im Schleswig.holsteinschen Kriege. Sie waren nur kurze
Zeit in Mainz, erwarben sich aber allgemeine Achtung. Sie kamen von da
in die Festung Ulm, wurden aber aus Unkenntniß der Sachlage dort mit
allerlei feindseligen Demonstrationen als Bundesabtrünnige empfangen.

Grade wie die Bückeburger, verschwanden, man darf sagen über Nacht,
auch die Weimaraner. Wie das Gerücht, ging, sollen sie mehr Sympathien
für Preußen als für die Bundessache zu erkennen gegeben haben. Der Oberst
v. Sydow, früher in preußischen Diensten, ein sehr gediegener und allgemein
geachteter Offizier, war bereits vor dem Abmarsch seiner Truppe des Kommandos
enthoben worden und ging nach Weimar zurück. Vom Regiments, das preu¬
ßische Zündnadelgewehre führte und sonst aufs trefflichste ausgerüstet war,
kamen zwei Bataillone »ach Rastadt. ein drittes nach Ulm.

Unter den Truppentheilen unsrer Garnison war alles mehr oder weniger
verschieden, die Verpflegung, Gagen und Zulagen, Reglement. Signale. Aus¬
rüstung, tactische Ausbildung. Das mußte ein einheitliches Wirken außerordent¬
lich erschweren, keine Truppe kannte den Generalmarsch der andern; komisch, fast
peinlich sah es aus. wenn die Wachen gemischt waren und ins Gewehr ge¬
rufen wurden. Da standen die hellblauen Bayern und Würtenberger neben
dem dunkelgrün und gelben Weimaraner. oder dem grün und rothen Meininger.
Da Commandos und Griffe verschieden waren, so war die Mischung für den
Commandirenden nicht zu regieren. Da die Würtenberger das geschulterte
Gewehr gar nicht kannten, sondern gleich vom Fuß aus präsentirten, während
dies die andren von der Schulter aus effectuirten, so sahen selbst die Honneurs
und die militärische Hochachtung putzig aus. Zu der bunten Musterkarte in
Uniformen, in Lederzeug und Waffen kam noch als besondrer Unfall, daß mehre


etwas zu thun. Ein Offizier wollte auch eine Chaussee aufreißen lassen, und zwar an einer
Stelle, wo rechts und links die schönsten Saaten standen. Als man ihm nun bemerklich
machte, daß die Preußen dann ganz bequem zur Seite vorüberziehen könnten, ohne Hinderniß
und nur zum Schaden der Aecker, meinte er nach einigem Nachdenken: „Da Habens Recht,
na dann können wirs ja auch lassen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/376>, abgerufen am 22.07.2024.