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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Probe ihrer Fertigkeit und der Distanzschätzung benutzt hätten. Aber für das
Eine war es zu viel, für das Andere zu wenig. Am andern Tage sagten hes¬
sische Offiziere: ein Prinz von Hanau habe die Artilleristen zum Weiterfeuern
ermuntert und mit Wein tractirt. Der dort commandirende General v. Buttler
hätte ihm aber endlich das Handwerk gelegt.

In dem grassirenden Schießeifer feuerte man nicht nur auf den Feind,
sondern auch auf den Freund. So Puffte eine würtemberger Patrouille in den
Außenwerken zur Nachtzeit auf eine meininger. die ihr begegnete, ohne vor¬
herigen Anruf. Zum Glück trafen die Kugeln nicht und die Meininger waren
so vernünftig, nicht ohne weiteres Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Der äußerste von den Bayern besetzte Posten bei einem Blockhause stand
etwa nur 1000 Schritte von Bibrich entfernt. Die preußischen Patrouillen und
Posten hatten von dort aus nie einen Schuß auf die Bayern abgegeben. Da
fiel es einem guten bayerischen Schützen ein, seine Geschicklichkeit und Bravour
leuchten zu lassen. Mit zwei Schüssen putzt er einen Doppelposten weg. mit
dem dritten wirft er einen Cavalcrisien herunter, der eben harmlos daherritt.
Einer von den Gebliebenen soll ein Landwehrmann und Familienvater ge¬
wesen sein.

Als ein bayerischer Unteroffizier, der eine Patrouille geführt hatte, mit sei¬
nen Mannschaften zurückkam und seinem Vorgesetzten rapportirte, meldete er noch
schließlich und zugleich entschuldigend: daß man mit dem besten Willen nicht
auf eine preußische Patrouille habe schießen können, da diese zu entfernt und
zu gut gedeckt gestanden habe. -- -- Die Pufferei unter den Patrouillen,
namentlich auf dem Terrain des rechten Rheinufers, hinter Castel nach Bibrich
und Hochheim hin, war von den Landleuten so gefürchtet, daß dort die Ernte
großentheils stehen blieb, die anderwärts bereits eingebracht war. Niemand
wagte sich auf das Feld.

Die in die Außenwerke detachirten Bavarier fouragirten in den Obst¬
anlagen und auf den Feldern nach Herzenslust. Man begegnete Einzelnen und
ganzen Trupps mit gefüllten Brodbeuteln, zu Bündeln zusammengebundenen
Taschentüchern, die mit Kirschen, Zwiebeln und Kartoffeln gefüllt waren. Als
die Eigenthümer der Grundstücke sich über diesen Unfug bei einem eben visiti-
renden bayerischen Stabsoffizier beschwerten, versprach dieser Abhilfe und ersuchte
den im nächsten Fort commandirenden Offizier einer anderen Truppe, den
Bayern, wenn sie in sein Rayon kämen, das Handwerk zu legen und sie sofort
zu arretiren. Der Offizier kam diesem Auftrag pflichtschuldigst nach, er brachte
ein halbes Dutzend Blauröcke, die eben auf einer Razzia begriffen waren, in
Numero Sicher und ließ es sofort dem bayerischen Hauptmann im Nebenfort, von
dessen Compagnie die Arretirten waren, melden. Der aber nahm das gewaltig
übel, und, als er erfuhr, wer die Veranlassung gewesen, zog er arg über den


Probe ihrer Fertigkeit und der Distanzschätzung benutzt hätten. Aber für das
Eine war es zu viel, für das Andere zu wenig. Am andern Tage sagten hes¬
sische Offiziere: ein Prinz von Hanau habe die Artilleristen zum Weiterfeuern
ermuntert und mit Wein tractirt. Der dort commandirende General v. Buttler
hätte ihm aber endlich das Handwerk gelegt.

In dem grassirenden Schießeifer feuerte man nicht nur auf den Feind,
sondern auch auf den Freund. So Puffte eine würtemberger Patrouille in den
Außenwerken zur Nachtzeit auf eine meininger. die ihr begegnete, ohne vor¬
herigen Anruf. Zum Glück trafen die Kugeln nicht und die Meininger waren
so vernünftig, nicht ohne weiteres Gleiches mit Gleichem zu vergelten.

Der äußerste von den Bayern besetzte Posten bei einem Blockhause stand
etwa nur 1000 Schritte von Bibrich entfernt. Die preußischen Patrouillen und
Posten hatten von dort aus nie einen Schuß auf die Bayern abgegeben. Da
fiel es einem guten bayerischen Schützen ein, seine Geschicklichkeit und Bravour
leuchten zu lassen. Mit zwei Schüssen putzt er einen Doppelposten weg. mit
dem dritten wirft er einen Cavalcrisien herunter, der eben harmlos daherritt.
Einer von den Gebliebenen soll ein Landwehrmann und Familienvater ge¬
wesen sein.

Als ein bayerischer Unteroffizier, der eine Patrouille geführt hatte, mit sei¬
nen Mannschaften zurückkam und seinem Vorgesetzten rapportirte, meldete er noch
schließlich und zugleich entschuldigend: daß man mit dem besten Willen nicht
auf eine preußische Patrouille habe schießen können, da diese zu entfernt und
zu gut gedeckt gestanden habe. — — Die Pufferei unter den Patrouillen,
namentlich auf dem Terrain des rechten Rheinufers, hinter Castel nach Bibrich
und Hochheim hin, war von den Landleuten so gefürchtet, daß dort die Ernte
großentheils stehen blieb, die anderwärts bereits eingebracht war. Niemand
wagte sich auf das Feld.

Die in die Außenwerke detachirten Bavarier fouragirten in den Obst¬
anlagen und auf den Feldern nach Herzenslust. Man begegnete Einzelnen und
ganzen Trupps mit gefüllten Brodbeuteln, zu Bündeln zusammengebundenen
Taschentüchern, die mit Kirschen, Zwiebeln und Kartoffeln gefüllt waren. Als
die Eigenthümer der Grundstücke sich über diesen Unfug bei einem eben visiti-
renden bayerischen Stabsoffizier beschwerten, versprach dieser Abhilfe und ersuchte
den im nächsten Fort commandirenden Offizier einer anderen Truppe, den
Bayern, wenn sie in sein Rayon kämen, das Handwerk zu legen und sie sofort
zu arretiren. Der Offizier kam diesem Auftrag pflichtschuldigst nach, er brachte
ein halbes Dutzend Blauröcke, die eben auf einer Razzia begriffen waren, in
Numero Sicher und ließ es sofort dem bayerischen Hauptmann im Nebenfort, von
dessen Compagnie die Arretirten waren, melden. Der aber nahm das gewaltig
übel, und, als er erfuhr, wer die Veranlassung gewesen, zog er arg über den


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[0374] Probe ihrer Fertigkeit und der Distanzschätzung benutzt hätten. Aber für das Eine war es zu viel, für das Andere zu wenig. Am andern Tage sagten hes¬ sische Offiziere: ein Prinz von Hanau habe die Artilleristen zum Weiterfeuern ermuntert und mit Wein tractirt. Der dort commandirende General v. Buttler hätte ihm aber endlich das Handwerk gelegt. In dem grassirenden Schießeifer feuerte man nicht nur auf den Feind, sondern auch auf den Freund. So Puffte eine würtemberger Patrouille in den Außenwerken zur Nachtzeit auf eine meininger. die ihr begegnete, ohne vor¬ herigen Anruf. Zum Glück trafen die Kugeln nicht und die Meininger waren so vernünftig, nicht ohne weiteres Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Der äußerste von den Bayern besetzte Posten bei einem Blockhause stand etwa nur 1000 Schritte von Bibrich entfernt. Die preußischen Patrouillen und Posten hatten von dort aus nie einen Schuß auf die Bayern abgegeben. Da fiel es einem guten bayerischen Schützen ein, seine Geschicklichkeit und Bravour leuchten zu lassen. Mit zwei Schüssen putzt er einen Doppelposten weg. mit dem dritten wirft er einen Cavalcrisien herunter, der eben harmlos daherritt. Einer von den Gebliebenen soll ein Landwehrmann und Familienvater ge¬ wesen sein. Als ein bayerischer Unteroffizier, der eine Patrouille geführt hatte, mit sei¬ nen Mannschaften zurückkam und seinem Vorgesetzten rapportirte, meldete er noch schließlich und zugleich entschuldigend: daß man mit dem besten Willen nicht auf eine preußische Patrouille habe schießen können, da diese zu entfernt und zu gut gedeckt gestanden habe. — — Die Pufferei unter den Patrouillen, namentlich auf dem Terrain des rechten Rheinufers, hinter Castel nach Bibrich und Hochheim hin, war von den Landleuten so gefürchtet, daß dort die Ernte großentheils stehen blieb, die anderwärts bereits eingebracht war. Niemand wagte sich auf das Feld. Die in die Außenwerke detachirten Bavarier fouragirten in den Obst¬ anlagen und auf den Feldern nach Herzenslust. Man begegnete Einzelnen und ganzen Trupps mit gefüllten Brodbeuteln, zu Bündeln zusammengebundenen Taschentüchern, die mit Kirschen, Zwiebeln und Kartoffeln gefüllt waren. Als die Eigenthümer der Grundstücke sich über diesen Unfug bei einem eben visiti- renden bayerischen Stabsoffizier beschwerten, versprach dieser Abhilfe und ersuchte den im nächsten Fort commandirenden Offizier einer anderen Truppe, den Bayern, wenn sie in sein Rayon kämen, das Handwerk zu legen und sie sofort zu arretiren. Der Offizier kam diesem Auftrag pflichtschuldigst nach, er brachte ein halbes Dutzend Blauröcke, die eben auf einer Razzia begriffen waren, in Numero Sicher und ließ es sofort dem bayerischen Hauptmann im Nebenfort, von dessen Compagnie die Arretirten waren, melden. Der aber nahm das gewaltig übel, und, als er erfuhr, wer die Veranlassung gewesen, zog er arg über den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/374>, abgerufen am 22.07.2024.