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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Zum Commandanten war der meiningensche Oberst v. Buch, als der älteste
der anwesenden Commandeure, bestimmt worden. Er ist eine lange aber mili¬
tärisch straffe Gestalt, das faltige Gesicht von der afrikanischen Sonne stark ge¬
bräunt. Als halber Knabe von vierzehn Jahren hatte er unter den Hessen den
Feldzug von 1816 mitgemacht. Dann hatte er dem ersten Zug der Fran-
.zosen gegen Algier als Volontär beigewohnt, sich dabei ausgezeichnet und war
mit dem Kreuze der Ehrenlegion zurückgekehrt. Mit Leib und Seele Soldat,
ist er bei schon vorgerücktem Alter noch sehr thätig, ausdauernd und energisch,
im Dienste streng, in allem genau und gewissenhaft bis ins Penible. Den
Dienst kennt er gründlich. Als nächste Hilfe beider Herren fungirten die zu¬
rückgebliebenen östreichischen Offiziere vom Generalstab und der Artillerie, die
zum größeren Theil schon mehre Jahre in der Festung waren, mithin alles
genau kannten. Besonders verdient hier der Oberst Pirner genannt zu werden,
der mit in der Commandantur wohnte. Sonst waren dem Gouverneur und
dem Commandanten außer ihren bisherigen Adjutanten noch mehre andere von
verschiedenen Truppengattungen beigegeben worden. Platzcommandant blieb der
östreichische Oberstlieutnant Graf Trips.

Die Truppe", die zuerst in Mainz eingerückt waren, fanden in den ihnen
zugewiesenen Kasernen Raum genug, sonst wenig nach Wunsch. Alles war in
Unordnung, unsauber und voller Ungeziefer; namentlich waren die Wanzen,
womit Mainz überhaupt gesegnet ist, arge Quälgeister. Bei dem schnellen Abzug
der Preußen hatten diese mancherlei zurückgelassen, namentlich viel Bettzeug
und Wäsche, was den nachfolgenden Bundestruppen sehr zu Statten kam. denn
darin waren sie nackt wie die Kirchenmäuse eingerückt und ohne diese will¬
kommene Hinterlassenschaft hätten sie nicht gewußt, wo sie ihr müdes Haupt
hätten hinlegen sollen. Da gab es denn in den ersten Tagen gewaltig mit
Ordnen und Säubern zu thun und die Leute beschäftigten sich mit Razzias gegen
das lästige Ungeziefer. Weit übler sah es in den östreichischen Kasernen aus.
Manche waren wie Augiasställe, denn glaubte man mit Schmutz und Unord¬
nung fertig zu sein, so fand sich immer wieder Aergercs vor. Als später an¬
dere Truppen nachrückten, mußten Dislocirungen vorgenommen, die mühselig
gesäuberten Räume mit anderen noch im Urzustande befindlichen vertauscht wer¬
den und so schien die Sisyphusarbeit gar kein Ende zu nehmen. Daß da und
dort Flüche, Verwünschungen und nächtliche Seufzer von Seiten der Betheiligten
ausgestoßen wurden, ist leicht erklärlich.

Die beiden Großmächte hatten sich während des langen Friedens in der
Bundesfestung häuslich niedergelassen und besaßen dort viel werthvollen Grund¬
besitz. Ganze Straßenreihen waren ihr Eigenthum, es waren theils Bureaus,
theils Wohnungen für Offiziere und Militärbeamte. Auch für das gesellige Ver-
gnügen war hinreichend gesorgt, denn die beiden Militärcasinos, nahe zusammen am


Zum Commandanten war der meiningensche Oberst v. Buch, als der älteste
der anwesenden Commandeure, bestimmt worden. Er ist eine lange aber mili¬
tärisch straffe Gestalt, das faltige Gesicht von der afrikanischen Sonne stark ge¬
bräunt. Als halber Knabe von vierzehn Jahren hatte er unter den Hessen den
Feldzug von 1816 mitgemacht. Dann hatte er dem ersten Zug der Fran-
.zosen gegen Algier als Volontär beigewohnt, sich dabei ausgezeichnet und war
mit dem Kreuze der Ehrenlegion zurückgekehrt. Mit Leib und Seele Soldat,
ist er bei schon vorgerücktem Alter noch sehr thätig, ausdauernd und energisch,
im Dienste streng, in allem genau und gewissenhaft bis ins Penible. Den
Dienst kennt er gründlich. Als nächste Hilfe beider Herren fungirten die zu¬
rückgebliebenen östreichischen Offiziere vom Generalstab und der Artillerie, die
zum größeren Theil schon mehre Jahre in der Festung waren, mithin alles
genau kannten. Besonders verdient hier der Oberst Pirner genannt zu werden,
der mit in der Commandantur wohnte. Sonst waren dem Gouverneur und
dem Commandanten außer ihren bisherigen Adjutanten noch mehre andere von
verschiedenen Truppengattungen beigegeben worden. Platzcommandant blieb der
östreichische Oberstlieutnant Graf Trips.

Die Truppe», die zuerst in Mainz eingerückt waren, fanden in den ihnen
zugewiesenen Kasernen Raum genug, sonst wenig nach Wunsch. Alles war in
Unordnung, unsauber und voller Ungeziefer; namentlich waren die Wanzen,
womit Mainz überhaupt gesegnet ist, arge Quälgeister. Bei dem schnellen Abzug
der Preußen hatten diese mancherlei zurückgelassen, namentlich viel Bettzeug
und Wäsche, was den nachfolgenden Bundestruppen sehr zu Statten kam. denn
darin waren sie nackt wie die Kirchenmäuse eingerückt und ohne diese will¬
kommene Hinterlassenschaft hätten sie nicht gewußt, wo sie ihr müdes Haupt
hätten hinlegen sollen. Da gab es denn in den ersten Tagen gewaltig mit
Ordnen und Säubern zu thun und die Leute beschäftigten sich mit Razzias gegen
das lästige Ungeziefer. Weit übler sah es in den östreichischen Kasernen aus.
Manche waren wie Augiasställe, denn glaubte man mit Schmutz und Unord¬
nung fertig zu sein, so fand sich immer wieder Aergercs vor. Als später an¬
dere Truppen nachrückten, mußten Dislocirungen vorgenommen, die mühselig
gesäuberten Räume mit anderen noch im Urzustande befindlichen vertauscht wer¬
den und so schien die Sisyphusarbeit gar kein Ende zu nehmen. Daß da und
dort Flüche, Verwünschungen und nächtliche Seufzer von Seiten der Betheiligten
ausgestoßen wurden, ist leicht erklärlich.

Die beiden Großmächte hatten sich während des langen Friedens in der
Bundesfestung häuslich niedergelassen und besaßen dort viel werthvollen Grund¬
besitz. Ganze Straßenreihen waren ihr Eigenthum, es waren theils Bureaus,
theils Wohnungen für Offiziere und Militärbeamte. Auch für das gesellige Ver-
gnügen war hinreichend gesorgt, denn die beiden Militärcasinos, nahe zusammen am


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[0367] Zum Commandanten war der meiningensche Oberst v. Buch, als der älteste der anwesenden Commandeure, bestimmt worden. Er ist eine lange aber mili¬ tärisch straffe Gestalt, das faltige Gesicht von der afrikanischen Sonne stark ge¬ bräunt. Als halber Knabe von vierzehn Jahren hatte er unter den Hessen den Feldzug von 1816 mitgemacht. Dann hatte er dem ersten Zug der Fran- .zosen gegen Algier als Volontär beigewohnt, sich dabei ausgezeichnet und war mit dem Kreuze der Ehrenlegion zurückgekehrt. Mit Leib und Seele Soldat, ist er bei schon vorgerücktem Alter noch sehr thätig, ausdauernd und energisch, im Dienste streng, in allem genau und gewissenhaft bis ins Penible. Den Dienst kennt er gründlich. Als nächste Hilfe beider Herren fungirten die zu¬ rückgebliebenen östreichischen Offiziere vom Generalstab und der Artillerie, die zum größeren Theil schon mehre Jahre in der Festung waren, mithin alles genau kannten. Besonders verdient hier der Oberst Pirner genannt zu werden, der mit in der Commandantur wohnte. Sonst waren dem Gouverneur und dem Commandanten außer ihren bisherigen Adjutanten noch mehre andere von verschiedenen Truppengattungen beigegeben worden. Platzcommandant blieb der östreichische Oberstlieutnant Graf Trips. Die Truppe», die zuerst in Mainz eingerückt waren, fanden in den ihnen zugewiesenen Kasernen Raum genug, sonst wenig nach Wunsch. Alles war in Unordnung, unsauber und voller Ungeziefer; namentlich waren die Wanzen, womit Mainz überhaupt gesegnet ist, arge Quälgeister. Bei dem schnellen Abzug der Preußen hatten diese mancherlei zurückgelassen, namentlich viel Bettzeug und Wäsche, was den nachfolgenden Bundestruppen sehr zu Statten kam. denn darin waren sie nackt wie die Kirchenmäuse eingerückt und ohne diese will¬ kommene Hinterlassenschaft hätten sie nicht gewußt, wo sie ihr müdes Haupt hätten hinlegen sollen. Da gab es denn in den ersten Tagen gewaltig mit Ordnen und Säubern zu thun und die Leute beschäftigten sich mit Razzias gegen das lästige Ungeziefer. Weit übler sah es in den östreichischen Kasernen aus. Manche waren wie Augiasställe, denn glaubte man mit Schmutz und Unord¬ nung fertig zu sein, so fand sich immer wieder Aergercs vor. Als später an¬ dere Truppen nachrückten, mußten Dislocirungen vorgenommen, die mühselig gesäuberten Räume mit anderen noch im Urzustande befindlichen vertauscht wer¬ den und so schien die Sisyphusarbeit gar kein Ende zu nehmen. Daß da und dort Flüche, Verwünschungen und nächtliche Seufzer von Seiten der Betheiligten ausgestoßen wurden, ist leicht erklärlich. Die beiden Großmächte hatten sich während des langen Friedens in der Bundesfestung häuslich niedergelassen und besaßen dort viel werthvollen Grund¬ besitz. Ganze Straßenreihen waren ihr Eigenthum, es waren theils Bureaus, theils Wohnungen für Offiziere und Militärbeamte. Auch für das gesellige Ver- gnügen war hinreichend gesorgt, denn die beiden Militärcasinos, nahe zusammen am

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/367>, abgerufen am 22.07.2024.