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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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nicht italienische, doch toscanische Politik einzuschlagen bemüht war. Auf dem
Congreß von Laibach tauchte dieser Plan wieder auf. Moden" willigte endlich
im Jahr 1822 ein, aber der turiner Hof blieb nicht nur selbst fest, sondern
suchte auch die Höfe von Florenz und Rom in ihrem Widerstand zu bekräftigen.
Auf dem Congreß von Verona wurde von della Tone noch die Hilfe Englands
und Frankreichs angerufen, und Metternich mußte sich mit dem allgemeinen
Versprechen begnügen, daß nach dem Congreß die Verhandlungen wegen eines
PostVertrags von Specialbevollmächtigten weiter verfolgt werden sollten. Aber
auch im folgenden Jahr war Oestreich nicht glücklicher, seine Vorschläge stießen
jetzt sogar in Modena, Massa und Lucca auf Hindernisse, und an der festen
Haltung Turins und Roms scheiterte das ganze Project. Auch von dem Con-
föderationsplan war, nachdem er noch einmal während des Congresses von
Verona aufgetaucht war, nicht weiter die Rede.

Im Uebrigen aber war Sardinien in dieser Zeit der getreueste Trabant
und Helfershelfer Oestreichs. Als letzteres im Jahr 1822 mit dem monströsen
Gedanken hervortrat, ein Centralinquisitionsgericht für ganz Italien einzusetzen,
ähnlich der Mainzer Untersuchungscommission, war der turiner Hof mit Freuden
bereit, darauf einzugehen, und nur den Höfen von Rom und Florenz war das
Scheitern dieses Projects zu verdanken. Ebenso ging in der Flüchtlingsfrage,
die vor und nach dem Congreß von Verona die Mächte angelegentlich beschäf¬
tigte, Sardinien Hand in Hand mit Oestreich oder übertraf dieses noch in blinder
Neactionswuth. Auch hier zeichnete sich Toscanas humane Praxis vortheilhaft
vor der Verfolgungssucht des turiner Hoff aus. Uebertroffen wurde dieser über¬
haupt nur durch den Herzog von Modena, dessen scurrile Denkschrift "über die
italienische Nationalität" bei Bianchi zum ersten Mal veröffentlicht ist.

Ganz konnten freilich die Linien der traditionellen Politik auch jetzt nicht
verwischt werden. Es war zur Zeit der dicksten Freundschaft mit Oestreich, im
Jahr 1823, als Simonetti, der als Gesandter nach München ging, von della
Tone geheime Jnstructionen in folgendem Sinne erhielt: "Gegenwärtig sind
unsere Beziehungen zu Oestreich im Allgemeinen gut, und das wiener Cabinet
zeigt anscheinend Mäßigung. Ich sage anscheinend, weil man andrerseits zu¬
geben muß, daß Oestreich die Verwirklichung seiner mehr oder weniger ausge¬
dehnten Plane auf Italien nur vertagt hat, und wenn es jetzt bemüht ist, seine
Suprematie über alle Regierungen Italiens nicht fühlen oder anerkennen zu
lassen, doch viele Thatsachen seine Herrschsucht beweisen. Uebrigens ist bekannt,
mit welcher Ausdauer Oestreich in allem zu Werke geht, und welche Vortheile
es hieraus gezogen hat. Gleicherweise ist bekannt, wie diese Macht die Oppor¬
tunist für ihre Ziele abzuwarten versteht, wie sie eine bis ins Einzelste gehende
Überwachung über alles, was nah und ferne vorgeht, ausübt" u. s. w.

Auch die Vergrößerung seines Gebiets vergaß Piemont nicht, sobald eine


nicht italienische, doch toscanische Politik einzuschlagen bemüht war. Auf dem
Congreß von Laibach tauchte dieser Plan wieder auf. Moden« willigte endlich
im Jahr 1822 ein, aber der turiner Hof blieb nicht nur selbst fest, sondern
suchte auch die Höfe von Florenz und Rom in ihrem Widerstand zu bekräftigen.
Auf dem Congreß von Verona wurde von della Tone noch die Hilfe Englands
und Frankreichs angerufen, und Metternich mußte sich mit dem allgemeinen
Versprechen begnügen, daß nach dem Congreß die Verhandlungen wegen eines
PostVertrags von Specialbevollmächtigten weiter verfolgt werden sollten. Aber
auch im folgenden Jahr war Oestreich nicht glücklicher, seine Vorschläge stießen
jetzt sogar in Modena, Massa und Lucca auf Hindernisse, und an der festen
Haltung Turins und Roms scheiterte das ganze Project. Auch von dem Con-
föderationsplan war, nachdem er noch einmal während des Congresses von
Verona aufgetaucht war, nicht weiter die Rede.

Im Uebrigen aber war Sardinien in dieser Zeit der getreueste Trabant
und Helfershelfer Oestreichs. Als letzteres im Jahr 1822 mit dem monströsen
Gedanken hervortrat, ein Centralinquisitionsgericht für ganz Italien einzusetzen,
ähnlich der Mainzer Untersuchungscommission, war der turiner Hof mit Freuden
bereit, darauf einzugehen, und nur den Höfen von Rom und Florenz war das
Scheitern dieses Projects zu verdanken. Ebenso ging in der Flüchtlingsfrage,
die vor und nach dem Congreß von Verona die Mächte angelegentlich beschäf¬
tigte, Sardinien Hand in Hand mit Oestreich oder übertraf dieses noch in blinder
Neactionswuth. Auch hier zeichnete sich Toscanas humane Praxis vortheilhaft
vor der Verfolgungssucht des turiner Hoff aus. Uebertroffen wurde dieser über¬
haupt nur durch den Herzog von Modena, dessen scurrile Denkschrift „über die
italienische Nationalität" bei Bianchi zum ersten Mal veröffentlicht ist.

Ganz konnten freilich die Linien der traditionellen Politik auch jetzt nicht
verwischt werden. Es war zur Zeit der dicksten Freundschaft mit Oestreich, im
Jahr 1823, als Simonetti, der als Gesandter nach München ging, von della
Tone geheime Jnstructionen in folgendem Sinne erhielt: „Gegenwärtig sind
unsere Beziehungen zu Oestreich im Allgemeinen gut, und das wiener Cabinet
zeigt anscheinend Mäßigung. Ich sage anscheinend, weil man andrerseits zu¬
geben muß, daß Oestreich die Verwirklichung seiner mehr oder weniger ausge¬
dehnten Plane auf Italien nur vertagt hat, und wenn es jetzt bemüht ist, seine
Suprematie über alle Regierungen Italiens nicht fühlen oder anerkennen zu
lassen, doch viele Thatsachen seine Herrschsucht beweisen. Uebrigens ist bekannt,
mit welcher Ausdauer Oestreich in allem zu Werke geht, und welche Vortheile
es hieraus gezogen hat. Gleicherweise ist bekannt, wie diese Macht die Oppor¬
tunist für ihre Ziele abzuwarten versteht, wie sie eine bis ins Einzelste gehende
Überwachung über alles, was nah und ferne vorgeht, ausübt" u. s. w.

Auch die Vergrößerung seines Gebiets vergaß Piemont nicht, sobald eine


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[0362] nicht italienische, doch toscanische Politik einzuschlagen bemüht war. Auf dem Congreß von Laibach tauchte dieser Plan wieder auf. Moden« willigte endlich im Jahr 1822 ein, aber der turiner Hof blieb nicht nur selbst fest, sondern suchte auch die Höfe von Florenz und Rom in ihrem Widerstand zu bekräftigen. Auf dem Congreß von Verona wurde von della Tone noch die Hilfe Englands und Frankreichs angerufen, und Metternich mußte sich mit dem allgemeinen Versprechen begnügen, daß nach dem Congreß die Verhandlungen wegen eines PostVertrags von Specialbevollmächtigten weiter verfolgt werden sollten. Aber auch im folgenden Jahr war Oestreich nicht glücklicher, seine Vorschläge stießen jetzt sogar in Modena, Massa und Lucca auf Hindernisse, und an der festen Haltung Turins und Roms scheiterte das ganze Project. Auch von dem Con- föderationsplan war, nachdem er noch einmal während des Congresses von Verona aufgetaucht war, nicht weiter die Rede. Im Uebrigen aber war Sardinien in dieser Zeit der getreueste Trabant und Helfershelfer Oestreichs. Als letzteres im Jahr 1822 mit dem monströsen Gedanken hervortrat, ein Centralinquisitionsgericht für ganz Italien einzusetzen, ähnlich der Mainzer Untersuchungscommission, war der turiner Hof mit Freuden bereit, darauf einzugehen, und nur den Höfen von Rom und Florenz war das Scheitern dieses Projects zu verdanken. Ebenso ging in der Flüchtlingsfrage, die vor und nach dem Congreß von Verona die Mächte angelegentlich beschäf¬ tigte, Sardinien Hand in Hand mit Oestreich oder übertraf dieses noch in blinder Neactionswuth. Auch hier zeichnete sich Toscanas humane Praxis vortheilhaft vor der Verfolgungssucht des turiner Hoff aus. Uebertroffen wurde dieser über¬ haupt nur durch den Herzog von Modena, dessen scurrile Denkschrift „über die italienische Nationalität" bei Bianchi zum ersten Mal veröffentlicht ist. Ganz konnten freilich die Linien der traditionellen Politik auch jetzt nicht verwischt werden. Es war zur Zeit der dicksten Freundschaft mit Oestreich, im Jahr 1823, als Simonetti, der als Gesandter nach München ging, von della Tone geheime Jnstructionen in folgendem Sinne erhielt: „Gegenwärtig sind unsere Beziehungen zu Oestreich im Allgemeinen gut, und das wiener Cabinet zeigt anscheinend Mäßigung. Ich sage anscheinend, weil man andrerseits zu¬ geben muß, daß Oestreich die Verwirklichung seiner mehr oder weniger ausge¬ dehnten Plane auf Italien nur vertagt hat, und wenn es jetzt bemüht ist, seine Suprematie über alle Regierungen Italiens nicht fühlen oder anerkennen zu lassen, doch viele Thatsachen seine Herrschsucht beweisen. Uebrigens ist bekannt, mit welcher Ausdauer Oestreich in allem zu Werke geht, und welche Vortheile es hieraus gezogen hat. Gleicherweise ist bekannt, wie diese Macht die Oppor¬ tunist für ihre Ziele abzuwarten versteht, wie sie eine bis ins Einzelste gehende Überwachung über alles, was nah und ferne vorgeht, ausübt" u. s. w. Auch die Vergrößerung seines Gebiets vergaß Piemont nicht, sobald eine

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/362>, abgerufen am 22.07.2024.