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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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nähren und den Brand mehr denn je zu schüren. Die ehrlichen Leute, d. h.
die übergroße Mehrzahl der Italiener, wünschen in Neapel die Herstellung der
absoluten Monarchie, gestärkt durch gewisse consultative Stützen, welche den
Geist des Monarchen aufzuklären geeignet seien, ohne seinen Willen im Gering¬
sten zu beschränken.

'Für die Bereitwilligkeit, mit welcher Piemont die östreichische Intervention
in Neapel unterstützt hatte, sollte die Nemesis nicht ausbleiben. Nach dem Aus¬
bruch der Revolution in Piemont hatte sich Karl Felix selbst sofort beeilt,
östreichische Hilfe zu begehren, und nachdem die französischen und russischen
Mediationsversuche gescheitert, rückten am 8. April 1821 die Oestreicher über die
Grenze. Ein Rundschreiben des neuen Ministers della Valle an die auswär-
tigen Agenten des Königs von Sardinien im Juli empfahl in erster Linie
Zusammenwirken mit Oestreich gegen die unversöhnlichen Feinde der öffentlichen
Ordnung und der Legitimität der Throne. In der vertraulichen Instruction
an den Grafen Pralormo vom Januar 1822 trug Karl Felix seinem Gesandten
in Wien auf, alle Mittel anzuwenden, um den Kaiser Franz zur Ueberzeugung
zu bringen, daß Sardinien sich in das engste Einvernehmen mit Oestreich
setzen und ohne Mißtrauen und Hintergedanken in Gemeinschaft mit ihm
gehen wolle, um die Revolution zu bekämpfen und die Ruhe der Halbinsel zu
erhalten.

Aber die östreichische Hilfe hatte auch ihre Schattenseiten. Schon dies
wurmte Karl Felix, daß die Oestreicher sich der Citadelle von Alessandria zwar
in seinem Namen bemächtigten, aber die Schlüssel derselben dem Kaiser nach
Wien schickten. Der König beklagte sich darüber gegen seinen Bruder in einem
Briefe, der freilich auch seine ganze Schwäche zeigt. "Bubna," schreibt er.
"wollte mir damit, wie er sagte, das Vergnügen machen, die Schlüssel aus der
Hand des Kaisers zurückzuerhalten. Ich nahm dies, obwohl ich es sehr schlecht
fand, als eine Artigkeit auf. Aber als ich den Vorfall darauf in der Zeitung
gedruckt fand, war ich sehr böse darüber, da ich mir wohl den schlimmen Ein¬
druck denken konnte, den es im Publikum machen würde. D'Aglio, der für
einen Minister sehr ehrenhaft ist, wollte um jeden Preis, ich sollte Lärm
darüber schlagen. Aber da ich mir sagte, daß ich von dieser Seite doch keine
Genugthuung erhalten würde, denn Bubna sitzt allzu fest, und daß ich ihn
höchstens erbittert hätte, so beschränkte ich mich darauf, ihm selbst meine
Ueberraschung und meine Unzufriedenheit ausdrücken zu lassen und im Uebrigen
Zu warten, bis ich die Schlüssel aus derLand des Kaisers wieder erhalte, was
ich dann sogleich ebenfalls durch den Druck bekannt machen werde."

Auch sonst gab es viel zu klagen. Die östreichischen Commissaire benahmen
sich anmaßend und Oestreich ließ sich seine Hilfe theuer bezahlen. Man stritt
sich über die Höhe der fremden Truppen, über die Art und Weise der Ent-


nähren und den Brand mehr denn je zu schüren. Die ehrlichen Leute, d. h.
die übergroße Mehrzahl der Italiener, wünschen in Neapel die Herstellung der
absoluten Monarchie, gestärkt durch gewisse consultative Stützen, welche den
Geist des Monarchen aufzuklären geeignet seien, ohne seinen Willen im Gering¬
sten zu beschränken.

'Für die Bereitwilligkeit, mit welcher Piemont die östreichische Intervention
in Neapel unterstützt hatte, sollte die Nemesis nicht ausbleiben. Nach dem Aus¬
bruch der Revolution in Piemont hatte sich Karl Felix selbst sofort beeilt,
östreichische Hilfe zu begehren, und nachdem die französischen und russischen
Mediationsversuche gescheitert, rückten am 8. April 1821 die Oestreicher über die
Grenze. Ein Rundschreiben des neuen Ministers della Valle an die auswär-
tigen Agenten des Königs von Sardinien im Juli empfahl in erster Linie
Zusammenwirken mit Oestreich gegen die unversöhnlichen Feinde der öffentlichen
Ordnung und der Legitimität der Throne. In der vertraulichen Instruction
an den Grafen Pralormo vom Januar 1822 trug Karl Felix seinem Gesandten
in Wien auf, alle Mittel anzuwenden, um den Kaiser Franz zur Ueberzeugung
zu bringen, daß Sardinien sich in das engste Einvernehmen mit Oestreich
setzen und ohne Mißtrauen und Hintergedanken in Gemeinschaft mit ihm
gehen wolle, um die Revolution zu bekämpfen und die Ruhe der Halbinsel zu
erhalten.

Aber die östreichische Hilfe hatte auch ihre Schattenseiten. Schon dies
wurmte Karl Felix, daß die Oestreicher sich der Citadelle von Alessandria zwar
in seinem Namen bemächtigten, aber die Schlüssel derselben dem Kaiser nach
Wien schickten. Der König beklagte sich darüber gegen seinen Bruder in einem
Briefe, der freilich auch seine ganze Schwäche zeigt. „Bubna," schreibt er.
„wollte mir damit, wie er sagte, das Vergnügen machen, die Schlüssel aus der
Hand des Kaisers zurückzuerhalten. Ich nahm dies, obwohl ich es sehr schlecht
fand, als eine Artigkeit auf. Aber als ich den Vorfall darauf in der Zeitung
gedruckt fand, war ich sehr böse darüber, da ich mir wohl den schlimmen Ein¬
druck denken konnte, den es im Publikum machen würde. D'Aglio, der für
einen Minister sehr ehrenhaft ist, wollte um jeden Preis, ich sollte Lärm
darüber schlagen. Aber da ich mir sagte, daß ich von dieser Seite doch keine
Genugthuung erhalten würde, denn Bubna sitzt allzu fest, und daß ich ihn
höchstens erbittert hätte, so beschränkte ich mich darauf, ihm selbst meine
Ueberraschung und meine Unzufriedenheit ausdrücken zu lassen und im Uebrigen
Zu warten, bis ich die Schlüssel aus derLand des Kaisers wieder erhalte, was
ich dann sogleich ebenfalls durch den Druck bekannt machen werde."

Auch sonst gab es viel zu klagen. Die östreichischen Commissaire benahmen
sich anmaßend und Oestreich ließ sich seine Hilfe theuer bezahlen. Man stritt
sich über die Höhe der fremden Truppen, über die Art und Weise der Ent-


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[0359] nähren und den Brand mehr denn je zu schüren. Die ehrlichen Leute, d. h. die übergroße Mehrzahl der Italiener, wünschen in Neapel die Herstellung der absoluten Monarchie, gestärkt durch gewisse consultative Stützen, welche den Geist des Monarchen aufzuklären geeignet seien, ohne seinen Willen im Gering¬ sten zu beschränken. 'Für die Bereitwilligkeit, mit welcher Piemont die östreichische Intervention in Neapel unterstützt hatte, sollte die Nemesis nicht ausbleiben. Nach dem Aus¬ bruch der Revolution in Piemont hatte sich Karl Felix selbst sofort beeilt, östreichische Hilfe zu begehren, und nachdem die französischen und russischen Mediationsversuche gescheitert, rückten am 8. April 1821 die Oestreicher über die Grenze. Ein Rundschreiben des neuen Ministers della Valle an die auswär- tigen Agenten des Königs von Sardinien im Juli empfahl in erster Linie Zusammenwirken mit Oestreich gegen die unversöhnlichen Feinde der öffentlichen Ordnung und der Legitimität der Throne. In der vertraulichen Instruction an den Grafen Pralormo vom Januar 1822 trug Karl Felix seinem Gesandten in Wien auf, alle Mittel anzuwenden, um den Kaiser Franz zur Ueberzeugung zu bringen, daß Sardinien sich in das engste Einvernehmen mit Oestreich setzen und ohne Mißtrauen und Hintergedanken in Gemeinschaft mit ihm gehen wolle, um die Revolution zu bekämpfen und die Ruhe der Halbinsel zu erhalten. Aber die östreichische Hilfe hatte auch ihre Schattenseiten. Schon dies wurmte Karl Felix, daß die Oestreicher sich der Citadelle von Alessandria zwar in seinem Namen bemächtigten, aber die Schlüssel derselben dem Kaiser nach Wien schickten. Der König beklagte sich darüber gegen seinen Bruder in einem Briefe, der freilich auch seine ganze Schwäche zeigt. „Bubna," schreibt er. „wollte mir damit, wie er sagte, das Vergnügen machen, die Schlüssel aus der Hand des Kaisers zurückzuerhalten. Ich nahm dies, obwohl ich es sehr schlecht fand, als eine Artigkeit auf. Aber als ich den Vorfall darauf in der Zeitung gedruckt fand, war ich sehr böse darüber, da ich mir wohl den schlimmen Ein¬ druck denken konnte, den es im Publikum machen würde. D'Aglio, der für einen Minister sehr ehrenhaft ist, wollte um jeden Preis, ich sollte Lärm darüber schlagen. Aber da ich mir sagte, daß ich von dieser Seite doch keine Genugthuung erhalten würde, denn Bubna sitzt allzu fest, und daß ich ihn höchstens erbittert hätte, so beschränkte ich mich darauf, ihm selbst meine Ueberraschung und meine Unzufriedenheit ausdrücken zu lassen und im Uebrigen Zu warten, bis ich die Schlüssel aus derLand des Kaisers wieder erhalte, was ich dann sogleich ebenfalls durch den Druck bekannt machen werde." Auch sonst gab es viel zu klagen. Die östreichischen Commissaire benahmen sich anmaßend und Oestreich ließ sich seine Hilfe theuer bezahlen. Man stritt sich über die Höhe der fremden Truppen, über die Art und Weise der Ent-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/359>, abgerufen am 22.07.2024.