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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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italienischen Fürsten wäre gleichbedeutend mit einer Verminderung der östreichi¬
schen Macht, und nicht blos in Italien, wegen des moralischen Einflusses, den
die in den andern italienischen Staaten eingeführten Einrichtungen auf die
Länder Oestreichs ausüben müßten. Die Bedingungen, welche Oestreich dem
König von Neapel auferlegt hat und welche es ebenso den andern italienischen
Fürsten auferlegen wollte, beweisen, daß es wirklich nach diesem Grundsatz
handelt. Müßte der wiener Hos sich entschließen, seinen italienischen Provinzen
liberale Einrichtungen zu geben, so würde er sicherlich alles daran setzen, um
die italienischen Fürsten durch Verträge derart zu binden, daß sie ihren Unter¬
thanen nicht mehr Freiheiten geben dürften, als die Lombarden und Venetianer
besäßen."

"So zu verfahren gebieten Oestreich seine Interessen. Es ist zu hoffen,
daß die italienischen Fürsten und insbesondere unser König gleichfalls ihre Inter¬
essen nicht verkennen. Unser Wunsch muß daher sein, daß sie niemals einwilligen
werden, sich der Macht und der Mittel berauben zu lassen, um solche Einrich¬
tungen zu treffen, welche die Stärke ihrer Völker erhöhen und das Glück der¬
selben fördern können. Piemont ist immer ein Militärstaat gewesen, aber es
ist wegen der ausgedehnten Besitzungen Oestreichs seit 1815 weit schwächer als
1792. In dieser Lage kann allein die moralische Stärke der Nation, die in
Wahrheit die wahre reale Macht der Staaten zweiten Ranges ist, Piemont die
nöthige Defensivkraft geben und es in den Zustand der Unabhängigkeit, dessen
es sich 1792 erfreute, versetzen. Demgemäß sollten die Einrichtungen Piemonts
darauf gerichtet werden, der Nation diese moralische Stärke zu geben und gleich,
zeitig einen moralischen Einfluß auf die lombardisch-venetianischen Provinzen
auszuüben. Der Zweck wäre, Oestreich zu schwächen und seiner sardinischen
Majestät große Vortheile in allen Offensivkriegen vorzubereiten, welche sie gegen
diese Macht zu führen hätte. Um diesen doppelten Zweck zu erreichen, müßten
diese Einrichtungen den militärischen Geist der Bevölkerung erhalten, das Ge¬
fühl der Nationalunabhängigkeit einflößen, die Wissenschaften, die Künste und
das Wachsthum von Handel und Industrie begünstigen und von durchaus
italienischem Gepräge sein. Auf diese Weise würde die Stärke und Wohlfahrt
Piemonts einen schneidenden Gegensatz zu dem Zustand tödtlicher Erschlaffung
bilden, der die östreichischen Unterthanen drückt, ein Gegensatz, der sicher Eurer
Majestät die Herzen der Lombarden gewänne. Und wenn die Vorsehung eines Tages
Ereignisse herbeiführte, die unmöglich vorauszusehen sind, aber mit Sicherheit
eintreffen werden, Ereignisse, durch welche Oestreich genöthigt würde, auf
die Lombardei zu verzichten, und wenn die eiserne Krone, die aus so vielen
Gründen für das Haus Savoyen bestimmt scheint, mit der Zustimmung Euro-
Pas auf das Haupt unserer Könige käme, so hätte Eure Majestät durch die
Gewährung solcher Einrichtungen jenen Erfolg um vieles beschleunigt und so


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italienischen Fürsten wäre gleichbedeutend mit einer Verminderung der östreichi¬
schen Macht, und nicht blos in Italien, wegen des moralischen Einflusses, den
die in den andern italienischen Staaten eingeführten Einrichtungen auf die
Länder Oestreichs ausüben müßten. Die Bedingungen, welche Oestreich dem
König von Neapel auferlegt hat und welche es ebenso den andern italienischen
Fürsten auferlegen wollte, beweisen, daß es wirklich nach diesem Grundsatz
handelt. Müßte der wiener Hos sich entschließen, seinen italienischen Provinzen
liberale Einrichtungen zu geben, so würde er sicherlich alles daran setzen, um
die italienischen Fürsten durch Verträge derart zu binden, daß sie ihren Unter¬
thanen nicht mehr Freiheiten geben dürften, als die Lombarden und Venetianer
besäßen."

„So zu verfahren gebieten Oestreich seine Interessen. Es ist zu hoffen,
daß die italienischen Fürsten und insbesondere unser König gleichfalls ihre Inter¬
essen nicht verkennen. Unser Wunsch muß daher sein, daß sie niemals einwilligen
werden, sich der Macht und der Mittel berauben zu lassen, um solche Einrich¬
tungen zu treffen, welche die Stärke ihrer Völker erhöhen und das Glück der¬
selben fördern können. Piemont ist immer ein Militärstaat gewesen, aber es
ist wegen der ausgedehnten Besitzungen Oestreichs seit 1815 weit schwächer als
1792. In dieser Lage kann allein die moralische Stärke der Nation, die in
Wahrheit die wahre reale Macht der Staaten zweiten Ranges ist, Piemont die
nöthige Defensivkraft geben und es in den Zustand der Unabhängigkeit, dessen
es sich 1792 erfreute, versetzen. Demgemäß sollten die Einrichtungen Piemonts
darauf gerichtet werden, der Nation diese moralische Stärke zu geben und gleich,
zeitig einen moralischen Einfluß auf die lombardisch-venetianischen Provinzen
auszuüben. Der Zweck wäre, Oestreich zu schwächen und seiner sardinischen
Majestät große Vortheile in allen Offensivkriegen vorzubereiten, welche sie gegen
diese Macht zu führen hätte. Um diesen doppelten Zweck zu erreichen, müßten
diese Einrichtungen den militärischen Geist der Bevölkerung erhalten, das Ge¬
fühl der Nationalunabhängigkeit einflößen, die Wissenschaften, die Künste und
das Wachsthum von Handel und Industrie begünstigen und von durchaus
italienischem Gepräge sein. Auf diese Weise würde die Stärke und Wohlfahrt
Piemonts einen schneidenden Gegensatz zu dem Zustand tödtlicher Erschlaffung
bilden, der die östreichischen Unterthanen drückt, ein Gegensatz, der sicher Eurer
Majestät die Herzen der Lombarden gewänne. Und wenn die Vorsehung eines Tages
Ereignisse herbeiführte, die unmöglich vorauszusehen sind, aber mit Sicherheit
eintreffen werden, Ereignisse, durch welche Oestreich genöthigt würde, auf
die Lombardei zu verzichten, und wenn die eiserne Krone, die aus so vielen
Gründen für das Haus Savoyen bestimmt scheint, mit der Zustimmung Euro-
Pas auf das Haupt unserer Könige käme, so hätte Eure Majestät durch die
Gewährung solcher Einrichtungen jenen Erfolg um vieles beschleunigt und so


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[0357] italienischen Fürsten wäre gleichbedeutend mit einer Verminderung der östreichi¬ schen Macht, und nicht blos in Italien, wegen des moralischen Einflusses, den die in den andern italienischen Staaten eingeführten Einrichtungen auf die Länder Oestreichs ausüben müßten. Die Bedingungen, welche Oestreich dem König von Neapel auferlegt hat und welche es ebenso den andern italienischen Fürsten auferlegen wollte, beweisen, daß es wirklich nach diesem Grundsatz handelt. Müßte der wiener Hos sich entschließen, seinen italienischen Provinzen liberale Einrichtungen zu geben, so würde er sicherlich alles daran setzen, um die italienischen Fürsten durch Verträge derart zu binden, daß sie ihren Unter¬ thanen nicht mehr Freiheiten geben dürften, als die Lombarden und Venetianer besäßen." „So zu verfahren gebieten Oestreich seine Interessen. Es ist zu hoffen, daß die italienischen Fürsten und insbesondere unser König gleichfalls ihre Inter¬ essen nicht verkennen. Unser Wunsch muß daher sein, daß sie niemals einwilligen werden, sich der Macht und der Mittel berauben zu lassen, um solche Einrich¬ tungen zu treffen, welche die Stärke ihrer Völker erhöhen und das Glück der¬ selben fördern können. Piemont ist immer ein Militärstaat gewesen, aber es ist wegen der ausgedehnten Besitzungen Oestreichs seit 1815 weit schwächer als 1792. In dieser Lage kann allein die moralische Stärke der Nation, die in Wahrheit die wahre reale Macht der Staaten zweiten Ranges ist, Piemont die nöthige Defensivkraft geben und es in den Zustand der Unabhängigkeit, dessen es sich 1792 erfreute, versetzen. Demgemäß sollten die Einrichtungen Piemonts darauf gerichtet werden, der Nation diese moralische Stärke zu geben und gleich, zeitig einen moralischen Einfluß auf die lombardisch-venetianischen Provinzen auszuüben. Der Zweck wäre, Oestreich zu schwächen und seiner sardinischen Majestät große Vortheile in allen Offensivkriegen vorzubereiten, welche sie gegen diese Macht zu führen hätte. Um diesen doppelten Zweck zu erreichen, müßten diese Einrichtungen den militärischen Geist der Bevölkerung erhalten, das Ge¬ fühl der Nationalunabhängigkeit einflößen, die Wissenschaften, die Künste und das Wachsthum von Handel und Industrie begünstigen und von durchaus italienischem Gepräge sein. Auf diese Weise würde die Stärke und Wohlfahrt Piemonts einen schneidenden Gegensatz zu dem Zustand tödtlicher Erschlaffung bilden, der die östreichischen Unterthanen drückt, ein Gegensatz, der sicher Eurer Majestät die Herzen der Lombarden gewänne. Und wenn die Vorsehung eines Tages Ereignisse herbeiführte, die unmöglich vorauszusehen sind, aber mit Sicherheit eintreffen werden, Ereignisse, durch welche Oestreich genöthigt würde, auf die Lombardei zu verzichten, und wenn die eiserne Krone, die aus so vielen Gründen für das Haus Savoyen bestimmt scheint, mit der Zustimmung Euro- Pas auf das Haupt unserer Könige käme, so hätte Eure Majestät durch die Gewährung solcher Einrichtungen jenen Erfolg um vieles beschleunigt und so 42"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/357>, abgerufen am 22.07.2024.