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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Herrn darf er Mittheilung von den letzten Motiven machen, welche sein Han¬
deln bestimmen. Es giebt kein Amt, in welchem die Resultate für den Staat
so sehr von der Persönlichkeit des Staatsmannes abhängen, als das Ministerium
des Auswärtigen.

Das weiß jedermann und jeder- Preuße erkennt auch, daß jetzt mitten in
der größten Arbeit der Baumeister nicht gestört werden darf, den uns das
Schicksal octroyirt hat. er hat sich dem Staate Preußen so nöthig gemacht,
daß nach gemeinem Urtheil das Gedeihen des Werkes, wie es einmal begonnen
wurde, mit ihm steht und fällt. Es ist auch in diesem Augenblick ganz unthun-
Uch. eine Kritik seiner Person und seiner Thätigkeit auszuüben, denn wir wissen
viel zu wenig, was Menschenkraft überhaupt durchzusetzen vermochte; wir haben
nicht die Briefe Kaiser Alexander des Zweiten gelesen, nicht das Murmeln von
Paris gehört, wir kennen nicht die stillen Bedenken des Freiherrn v. Moltke
und nicht die Armeeberichte, und wir wissen gar nichts von den letzten Depeschen
aus Konstantinopel, wir ahnen auch nur wenig von den gemüthlichen Regungen
des Königs Wilhelm und haben keine Vorstellung, wie weit der Ministerpräsident
in der Lage war. vertraulichen Bitten hoher Verwandter entgegen zu arbeiten.
Wenn er uns sagt, was ich will, ist grade das jetzt Erreichbare, nicht mehr,
nicht weniger, so müssen wir ihm zuletzt glauben. Es bleibt uns gar nichts
Anderes übrig. Natürlich wir haben das Recht, eine abweichende Ausfassung
vor ihm zu vertreten, aber nur in der Weise, wie der Advocat seine Partei vor
dem Richter vertritt, denn wir sind in Wahrheit nicht zum Urtheilsprechen be¬
fugt; ja wir haben nicht einmal das Recht Enthüllungen von ihm zu fordern
und er wahrscheinlich nicht das Recht sie vollständig zu geben. Diese Lage ist
für den Patnoten, der sein Ideal des einigen Deutschlands in warmem Herzen
getragen und Jahre lang dafür in seiner Weise gearbeitet hat, sehr unbequem.
Aber wir alle haben uns darein zu finden.

Ohne Zweifel wäre die Einführung der Reichsverfassung von 1849 im Jahr
1866 eine große Sache; es wäre wirklich hvcherfreulich, wenn auch die Bayern,
Schwaben und Alemannen vom Seekreis ihre Vertreter zu dem neuen Reichs¬
tage senden wollten; ohne Zweifel würde auch die Umschreibung des Königs von
Preußen in einen deutschen Kaiser bei vielen, welche möglichste Steigerung ir¬
discher Titel für wünschenswerth erachten, Beifall finden. Was aber in aller
Welt sollen diese Forderungen jetzt in einer Adresse des preußischen Abgeord¬
netenhauses? Ein patriotischer Club mag sich ohne jede Demüthigung bescheiden
lassen, daß seine Adresse Unausführbares verlange; ein Journalist kann sich
u"es jeder Refutation damit trösten, daß er so gut geschrieben habe, als er
es verstand; aber das hohe Haus der Abgeordneten darf sich in so großer
Sache nicht der Antwort aussetzen, daß es mit mangelhafter Sachkenntniß und
falscher Beurtheilung gefordert habe. Selbst nicht um eine edle Idee aufrecht


Herrn darf er Mittheilung von den letzten Motiven machen, welche sein Han¬
deln bestimmen. Es giebt kein Amt, in welchem die Resultate für den Staat
so sehr von der Persönlichkeit des Staatsmannes abhängen, als das Ministerium
des Auswärtigen.

Das weiß jedermann und jeder- Preuße erkennt auch, daß jetzt mitten in
der größten Arbeit der Baumeister nicht gestört werden darf, den uns das
Schicksal octroyirt hat. er hat sich dem Staate Preußen so nöthig gemacht,
daß nach gemeinem Urtheil das Gedeihen des Werkes, wie es einmal begonnen
wurde, mit ihm steht und fällt. Es ist auch in diesem Augenblick ganz unthun-
Uch. eine Kritik seiner Person und seiner Thätigkeit auszuüben, denn wir wissen
viel zu wenig, was Menschenkraft überhaupt durchzusetzen vermochte; wir haben
nicht die Briefe Kaiser Alexander des Zweiten gelesen, nicht das Murmeln von
Paris gehört, wir kennen nicht die stillen Bedenken des Freiherrn v. Moltke
und nicht die Armeeberichte, und wir wissen gar nichts von den letzten Depeschen
aus Konstantinopel, wir ahnen auch nur wenig von den gemüthlichen Regungen
des Königs Wilhelm und haben keine Vorstellung, wie weit der Ministerpräsident
in der Lage war. vertraulichen Bitten hoher Verwandter entgegen zu arbeiten.
Wenn er uns sagt, was ich will, ist grade das jetzt Erreichbare, nicht mehr,
nicht weniger, so müssen wir ihm zuletzt glauben. Es bleibt uns gar nichts
Anderes übrig. Natürlich wir haben das Recht, eine abweichende Ausfassung
vor ihm zu vertreten, aber nur in der Weise, wie der Advocat seine Partei vor
dem Richter vertritt, denn wir sind in Wahrheit nicht zum Urtheilsprechen be¬
fugt; ja wir haben nicht einmal das Recht Enthüllungen von ihm zu fordern
und er wahrscheinlich nicht das Recht sie vollständig zu geben. Diese Lage ist
für den Patnoten, der sein Ideal des einigen Deutschlands in warmem Herzen
getragen und Jahre lang dafür in seiner Weise gearbeitet hat, sehr unbequem.
Aber wir alle haben uns darein zu finden.

Ohne Zweifel wäre die Einführung der Reichsverfassung von 1849 im Jahr
1866 eine große Sache; es wäre wirklich hvcherfreulich, wenn auch die Bayern,
Schwaben und Alemannen vom Seekreis ihre Vertreter zu dem neuen Reichs¬
tage senden wollten; ohne Zweifel würde auch die Umschreibung des Königs von
Preußen in einen deutschen Kaiser bei vielen, welche möglichste Steigerung ir¬
discher Titel für wünschenswerth erachten, Beifall finden. Was aber in aller
Welt sollen diese Forderungen jetzt in einer Adresse des preußischen Abgeord¬
netenhauses? Ein patriotischer Club mag sich ohne jede Demüthigung bescheiden
lassen, daß seine Adresse Unausführbares verlange; ein Journalist kann sich
u«es jeder Refutation damit trösten, daß er so gut geschrieben habe, als er
es verstand; aber das hohe Haus der Abgeordneten darf sich in so großer
Sache nicht der Antwort aussetzen, daß es mit mangelhafter Sachkenntniß und
falscher Beurtheilung gefordert habe. Selbst nicht um eine edle Idee aufrecht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/351>, abgerufen am 22.07.2024.