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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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selbst mancherlei Schwierigkeiten bereitet habe, zu widerstreben und durch Aus¬
sprechen des Wortes "Indemnität" die Versöhnung anzubahnen.

So standen die Ansichten einander gegenüber; und da der folgende Tag
-- der fünfte August -- in der Thronrede des Königs die Entscheidung bringen
mußte, so faßte man den Entschluß, welcher nach Lage der Sache der vernünf¬
tigste war.

Man verlegte die Vorstandssitzung von dem vierten auf den sechsten August
und von Braunschweig nach Berlin, wohin die Mitglieder in der Nacht vom
4. auf den ö. August abreisten. Das Uebrige ist aus den Zeitungen bekannt.
Die nichtpreußischen Mitglieder hatten die Sachlage, wie es scheint, richtiger
aufgefaßt als die preußischen, die noch in dem Labyrinth des innern Conflictes
befangen sind.

Gehen wir nun von den beiden politischen Versammlungen zu den beiden
ökonomischen über. Wie jene der Mangelhaftigkeit der Bundesverfassung in xo-
litieis, so sollen diese der Verfassungslosigkeit des Zollvereins in oeeonomiois
zu Hilfe kommen. Der volkswirthschaftliche Congreß wurde schon 18S8 in Gotha,
der demsche Handelslag 1861 in Heidelberg gegründet. Jener hat bis jetzt acht¬
mal, nämlich 1858 in Gotha, 1859 in Frankfurt am Main, 1860 in Köln,
1861 in Stuttgart, 1862 in Weimar, 1863 in Dresden, 1864 in Hannover,
1865 in Nürnberg getagt. Der Handelstag war nur dreimal, 1861 in Heidel¬
berg, 1862 in München, 1865 in Frankfurt, versammelt. Der Handelstag ist
eine Vertretung officieller oder HUWi-officieller Verbände, nämlich der Handels¬
kammern und solcher Vereine oder Körperschaften, welche deren Functionen aus¬
üben. Nicht der einzelne Mann ist Mitglied, sondern die betreffende Corporation,
welche ihn delegirt. Die Körperschaften bringen auch die Mittel auf; letztere
fließen reichlich, so daß namentlich auch die Vorstandsmitglieder Vergütung er¬
halten.

Bei dem volkswirthschaftlichen Congreß ist alles das umgekehrt. Auf ihm
erscheinen zwar auch Delegirte von Vereinen aller Art, nicht blos von Handels¬
kammern und -Vereinen, sondern auch von landwirthschaftlichen, von Ingenieur-,
von Apotheker-, von Gerbervereinen u. f. w., von Banken, von Versicherungs¬
anstalten, von Credit-, Rohstoff-, Consum-, Handwerker- und allen möglichen
Genossenschaften, welche ausschließlich, oder vorwiegend, oder nebenher wirth¬
schaftliche Zwecke verfolgen. Aber sie fungiren nicht als Vereinsdeputationen,
die an Jnstructionen gebunden sind. Und außer ihnen erscheint eine Reihe
andrer Männer, welche kein weiteres Mandat besitzen als das, welches sie aus
ihren wissenschaftlichen Bestrebungen, ihren praktischen Kenntnissen und Leistungen,
aus ihrem Thätigkeits- und Nützlichkeitstrieb und ihrem Patriotismus herleiten.
Es sind lauter Freiwillige; und auch hier bestätigt sich der Satz, daß geschulte
Freiwillige gute Truppen sind. Die Mittel des Congresses fließen nicht aus


selbst mancherlei Schwierigkeiten bereitet habe, zu widerstreben und durch Aus¬
sprechen des Wortes „Indemnität" die Versöhnung anzubahnen.

So standen die Ansichten einander gegenüber; und da der folgende Tag
— der fünfte August — in der Thronrede des Königs die Entscheidung bringen
mußte, so faßte man den Entschluß, welcher nach Lage der Sache der vernünf¬
tigste war.

Man verlegte die Vorstandssitzung von dem vierten auf den sechsten August
und von Braunschweig nach Berlin, wohin die Mitglieder in der Nacht vom
4. auf den ö. August abreisten. Das Uebrige ist aus den Zeitungen bekannt.
Die nichtpreußischen Mitglieder hatten die Sachlage, wie es scheint, richtiger
aufgefaßt als die preußischen, die noch in dem Labyrinth des innern Conflictes
befangen sind.

Gehen wir nun von den beiden politischen Versammlungen zu den beiden
ökonomischen über. Wie jene der Mangelhaftigkeit der Bundesverfassung in xo-
litieis, so sollen diese der Verfassungslosigkeit des Zollvereins in oeeonomiois
zu Hilfe kommen. Der volkswirthschaftliche Congreß wurde schon 18S8 in Gotha,
der demsche Handelslag 1861 in Heidelberg gegründet. Jener hat bis jetzt acht¬
mal, nämlich 1858 in Gotha, 1859 in Frankfurt am Main, 1860 in Köln,
1861 in Stuttgart, 1862 in Weimar, 1863 in Dresden, 1864 in Hannover,
1865 in Nürnberg getagt. Der Handelstag war nur dreimal, 1861 in Heidel¬
berg, 1862 in München, 1865 in Frankfurt, versammelt. Der Handelstag ist
eine Vertretung officieller oder HUWi-officieller Verbände, nämlich der Handels¬
kammern und solcher Vereine oder Körperschaften, welche deren Functionen aus¬
üben. Nicht der einzelne Mann ist Mitglied, sondern die betreffende Corporation,
welche ihn delegirt. Die Körperschaften bringen auch die Mittel auf; letztere
fließen reichlich, so daß namentlich auch die Vorstandsmitglieder Vergütung er¬
halten.

Bei dem volkswirthschaftlichen Congreß ist alles das umgekehrt. Auf ihm
erscheinen zwar auch Delegirte von Vereinen aller Art, nicht blos von Handels¬
kammern und -Vereinen, sondern auch von landwirthschaftlichen, von Ingenieur-,
von Apotheker-, von Gerbervereinen u. f. w., von Banken, von Versicherungs¬
anstalten, von Credit-, Rohstoff-, Consum-, Handwerker- und allen möglichen
Genossenschaften, welche ausschließlich, oder vorwiegend, oder nebenher wirth¬
schaftliche Zwecke verfolgen. Aber sie fungiren nicht als Vereinsdeputationen,
die an Jnstructionen gebunden sind. Und außer ihnen erscheint eine Reihe
andrer Männer, welche kein weiteres Mandat besitzen als das, welches sie aus
ihren wissenschaftlichen Bestrebungen, ihren praktischen Kenntnissen und Leistungen,
aus ihrem Thätigkeits- und Nützlichkeitstrieb und ihrem Patriotismus herleiten.
Es sind lauter Freiwillige; und auch hier bestätigt sich der Satz, daß geschulte
Freiwillige gute Truppen sind. Die Mittel des Congresses fließen nicht aus


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[0336] selbst mancherlei Schwierigkeiten bereitet habe, zu widerstreben und durch Aus¬ sprechen des Wortes „Indemnität" die Versöhnung anzubahnen. So standen die Ansichten einander gegenüber; und da der folgende Tag — der fünfte August — in der Thronrede des Königs die Entscheidung bringen mußte, so faßte man den Entschluß, welcher nach Lage der Sache der vernünf¬ tigste war. Man verlegte die Vorstandssitzung von dem vierten auf den sechsten August und von Braunschweig nach Berlin, wohin die Mitglieder in der Nacht vom 4. auf den ö. August abreisten. Das Uebrige ist aus den Zeitungen bekannt. Die nichtpreußischen Mitglieder hatten die Sachlage, wie es scheint, richtiger aufgefaßt als die preußischen, die noch in dem Labyrinth des innern Conflictes befangen sind. Gehen wir nun von den beiden politischen Versammlungen zu den beiden ökonomischen über. Wie jene der Mangelhaftigkeit der Bundesverfassung in xo- litieis, so sollen diese der Verfassungslosigkeit des Zollvereins in oeeonomiois zu Hilfe kommen. Der volkswirthschaftliche Congreß wurde schon 18S8 in Gotha, der demsche Handelslag 1861 in Heidelberg gegründet. Jener hat bis jetzt acht¬ mal, nämlich 1858 in Gotha, 1859 in Frankfurt am Main, 1860 in Köln, 1861 in Stuttgart, 1862 in Weimar, 1863 in Dresden, 1864 in Hannover, 1865 in Nürnberg getagt. Der Handelstag war nur dreimal, 1861 in Heidel¬ berg, 1862 in München, 1865 in Frankfurt, versammelt. Der Handelstag ist eine Vertretung officieller oder HUWi-officieller Verbände, nämlich der Handels¬ kammern und solcher Vereine oder Körperschaften, welche deren Functionen aus¬ üben. Nicht der einzelne Mann ist Mitglied, sondern die betreffende Corporation, welche ihn delegirt. Die Körperschaften bringen auch die Mittel auf; letztere fließen reichlich, so daß namentlich auch die Vorstandsmitglieder Vergütung er¬ halten. Bei dem volkswirthschaftlichen Congreß ist alles das umgekehrt. Auf ihm erscheinen zwar auch Delegirte von Vereinen aller Art, nicht blos von Handels¬ kammern und -Vereinen, sondern auch von landwirthschaftlichen, von Ingenieur-, von Apotheker-, von Gerbervereinen u. f. w., von Banken, von Versicherungs¬ anstalten, von Credit-, Rohstoff-, Consum-, Handwerker- und allen möglichen Genossenschaften, welche ausschließlich, oder vorwiegend, oder nebenher wirth¬ schaftliche Zwecke verfolgen. Aber sie fungiren nicht als Vereinsdeputationen, die an Jnstructionen gebunden sind. Und außer ihnen erscheint eine Reihe andrer Männer, welche kein weiteres Mandat besitzen als das, welches sie aus ihren wissenschaftlichen Bestrebungen, ihren praktischen Kenntnissen und Leistungen, aus ihrem Thätigkeits- und Nützlichkeitstrieb und ihrem Patriotismus herleiten. Es sind lauter Freiwillige; und auch hier bestätigt sich der Satz, daß geschulte Freiwillige gute Truppen sind. Die Mittel des Congresses fließen nicht aus

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/336>, abgerufen am 22.07.2024.