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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Lehrer. Schriftsteller, Maler u. s. f.. deren Hinzutritt theils dem Ausbruch des
alten künstlich genährten Gegensatzes zwischen jenen vorbeugte, theils ihrem Zu¬
sammenwirken ein neues befruchtendes Moment beimischte. So ist denn z. B.
auch gleich im ersten Winter aus dem elbcrfelder Bildungsverein eine Volks-
bank hervorgegangen, welche am 14. Mai ihre umsichtig vorbereiteten Geschäfte
eröffnen wollte. Durch eine eben dort entstandene Eingabe an den Stadtrath
ist die Anregung zu der Sanitätscommission gegeben worden, welche man vor
kurzem, von der drohend herannahenden Cholera gedrängt, hat zusammentreten
lassen. Ein Vortrag über die Ausdehnung des weiblichen Wirkungskreises hat
Besprechungen veranlaßt, welche früher oder später die Begründung eines Ver¬
eins für Frauenarbeit und praktisch wirthschaftliche Mädchenerziehung zur Folge
haben werden.

Die wupperthaler Industrie beschäftigt nur erst zur kleineren Hälfte Frauen¬
zimmer. In der entsprechenden Production Englands wiegt die weibliche Arbeit
seit Jahren vor. und von Lowell bei Boston, dem Hauptsitz der amerikanischen
Baumwollenmanufactur. ist es ja bekannt, wie sehr dort das schwächere Ge¬
schlecht in den Fabriksälen überwiegt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß
auch in Elberfeld und Barmer das Verhältniß der Arbeiterinnen zu den
Arbeitern noch bedeutend und stetig wachsen wird. Aehnliche Vorkehrungen.
Wie sie in Lowell nach der Entdeckung der dort vorhandenen starken Wasserkraft
wegen des plötzlichen Emporschießens einer höchst umfänglichen Industrie getroffen
werden mußten, werden dann vielleicht auch hier zur Nothwendigkeit werden:
Kosthäuser für Fabnkmädchen, in welchen sie sowohl gegen Uebertheuerung, als
gegen unsittliche Zusprüche geschützt sind. Aber nicht blos für die ohne Familie
lebenden Mädchen thut solche Bewahrung Noth. Auch die übrigen sollten
namentlich an den Sonntagnachmittagen einen Raum geöffnet finden, der ihnen
eine zusagende und gesunde Unterhaltung, eine leichte Belehrung böte; damit
sie wenigstens nicht mehr, wie jetzt, zur Erholung von der strengen Arbeit der
Woche lediglich auf den Besuch Von Kasfeewirthschaften und Tanzsälen der
Stadt und Umgegend. Arm in Arm mit den jungen Burschen, angewiesen
Wären. Je nachdem Er oder Sie Geld hat. pflegt Er oder Sie den andern
Theil freizuhalten; es entsteht dadurch eine Art wilder Ehe gleich in den ersten
Jahren der Selbständigkeit und Heirathsfähigkeit. und wenn auch treues Aus-
halten bei der einmal erkorenen Liebsten die Regel ist. der ersten Geburt die
Hochzeit vorauszugehen pflegt und auf diese Weise die unehelichen Geburten
keine erhebliche Verhältnißziffer ausmachen, so bleiben dafür die üblen Folgen
allzufrühen Heirathens selten aus. Der Haushalt wird im besten Falle mit
nichts angefangen, anstatt daß der Aufschub weniger Jahre auf beiden Seiten
ein kleines Capital als Nothpfennig anhäufen könnte. Die Verheirathung tritt
nicht ein infolge freien wohlüberlegten Entschlusses, sondern wie eine rein


Lehrer. Schriftsteller, Maler u. s. f.. deren Hinzutritt theils dem Ausbruch des
alten künstlich genährten Gegensatzes zwischen jenen vorbeugte, theils ihrem Zu¬
sammenwirken ein neues befruchtendes Moment beimischte. So ist denn z. B.
auch gleich im ersten Winter aus dem elbcrfelder Bildungsverein eine Volks-
bank hervorgegangen, welche am 14. Mai ihre umsichtig vorbereiteten Geschäfte
eröffnen wollte. Durch eine eben dort entstandene Eingabe an den Stadtrath
ist die Anregung zu der Sanitätscommission gegeben worden, welche man vor
kurzem, von der drohend herannahenden Cholera gedrängt, hat zusammentreten
lassen. Ein Vortrag über die Ausdehnung des weiblichen Wirkungskreises hat
Besprechungen veranlaßt, welche früher oder später die Begründung eines Ver¬
eins für Frauenarbeit und praktisch wirthschaftliche Mädchenerziehung zur Folge
haben werden.

Die wupperthaler Industrie beschäftigt nur erst zur kleineren Hälfte Frauen¬
zimmer. In der entsprechenden Production Englands wiegt die weibliche Arbeit
seit Jahren vor. und von Lowell bei Boston, dem Hauptsitz der amerikanischen
Baumwollenmanufactur. ist es ja bekannt, wie sehr dort das schwächere Ge¬
schlecht in den Fabriksälen überwiegt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß
auch in Elberfeld und Barmer das Verhältniß der Arbeiterinnen zu den
Arbeitern noch bedeutend und stetig wachsen wird. Aehnliche Vorkehrungen.
Wie sie in Lowell nach der Entdeckung der dort vorhandenen starken Wasserkraft
wegen des plötzlichen Emporschießens einer höchst umfänglichen Industrie getroffen
werden mußten, werden dann vielleicht auch hier zur Nothwendigkeit werden:
Kosthäuser für Fabnkmädchen, in welchen sie sowohl gegen Uebertheuerung, als
gegen unsittliche Zusprüche geschützt sind. Aber nicht blos für die ohne Familie
lebenden Mädchen thut solche Bewahrung Noth. Auch die übrigen sollten
namentlich an den Sonntagnachmittagen einen Raum geöffnet finden, der ihnen
eine zusagende und gesunde Unterhaltung, eine leichte Belehrung böte; damit
sie wenigstens nicht mehr, wie jetzt, zur Erholung von der strengen Arbeit der
Woche lediglich auf den Besuch Von Kasfeewirthschaften und Tanzsälen der
Stadt und Umgegend. Arm in Arm mit den jungen Burschen, angewiesen
Wären. Je nachdem Er oder Sie Geld hat. pflegt Er oder Sie den andern
Theil freizuhalten; es entsteht dadurch eine Art wilder Ehe gleich in den ersten
Jahren der Selbständigkeit und Heirathsfähigkeit. und wenn auch treues Aus-
halten bei der einmal erkorenen Liebsten die Regel ist. der ersten Geburt die
Hochzeit vorauszugehen pflegt und auf diese Weise die unehelichen Geburten
keine erhebliche Verhältnißziffer ausmachen, so bleiben dafür die üblen Folgen
allzufrühen Heirathens selten aus. Der Haushalt wird im besten Falle mit
nichts angefangen, anstatt daß der Aufschub weniger Jahre auf beiden Seiten
ein kleines Capital als Nothpfennig anhäufen könnte. Die Verheirathung tritt
nicht ein infolge freien wohlüberlegten Entschlusses, sondern wie eine rein


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[0327] Lehrer. Schriftsteller, Maler u. s. f.. deren Hinzutritt theils dem Ausbruch des alten künstlich genährten Gegensatzes zwischen jenen vorbeugte, theils ihrem Zu¬ sammenwirken ein neues befruchtendes Moment beimischte. So ist denn z. B. auch gleich im ersten Winter aus dem elbcrfelder Bildungsverein eine Volks- bank hervorgegangen, welche am 14. Mai ihre umsichtig vorbereiteten Geschäfte eröffnen wollte. Durch eine eben dort entstandene Eingabe an den Stadtrath ist die Anregung zu der Sanitätscommission gegeben worden, welche man vor kurzem, von der drohend herannahenden Cholera gedrängt, hat zusammentreten lassen. Ein Vortrag über die Ausdehnung des weiblichen Wirkungskreises hat Besprechungen veranlaßt, welche früher oder später die Begründung eines Ver¬ eins für Frauenarbeit und praktisch wirthschaftliche Mädchenerziehung zur Folge haben werden. Die wupperthaler Industrie beschäftigt nur erst zur kleineren Hälfte Frauen¬ zimmer. In der entsprechenden Production Englands wiegt die weibliche Arbeit seit Jahren vor. und von Lowell bei Boston, dem Hauptsitz der amerikanischen Baumwollenmanufactur. ist es ja bekannt, wie sehr dort das schwächere Ge¬ schlecht in den Fabriksälen überwiegt. Es ist daher nicht unwahrscheinlich, daß auch in Elberfeld und Barmer das Verhältniß der Arbeiterinnen zu den Arbeitern noch bedeutend und stetig wachsen wird. Aehnliche Vorkehrungen. Wie sie in Lowell nach der Entdeckung der dort vorhandenen starken Wasserkraft wegen des plötzlichen Emporschießens einer höchst umfänglichen Industrie getroffen werden mußten, werden dann vielleicht auch hier zur Nothwendigkeit werden: Kosthäuser für Fabnkmädchen, in welchen sie sowohl gegen Uebertheuerung, als gegen unsittliche Zusprüche geschützt sind. Aber nicht blos für die ohne Familie lebenden Mädchen thut solche Bewahrung Noth. Auch die übrigen sollten namentlich an den Sonntagnachmittagen einen Raum geöffnet finden, der ihnen eine zusagende und gesunde Unterhaltung, eine leichte Belehrung böte; damit sie wenigstens nicht mehr, wie jetzt, zur Erholung von der strengen Arbeit der Woche lediglich auf den Besuch Von Kasfeewirthschaften und Tanzsälen der Stadt und Umgegend. Arm in Arm mit den jungen Burschen, angewiesen Wären. Je nachdem Er oder Sie Geld hat. pflegt Er oder Sie den andern Theil freizuhalten; es entsteht dadurch eine Art wilder Ehe gleich in den ersten Jahren der Selbständigkeit und Heirathsfähigkeit. und wenn auch treues Aus- halten bei der einmal erkorenen Liebsten die Regel ist. der ersten Geburt die Hochzeit vorauszugehen pflegt und auf diese Weise die unehelichen Geburten keine erhebliche Verhältnißziffer ausmachen, so bleiben dafür die üblen Folgen allzufrühen Heirathens selten aus. Der Haushalt wird im besten Falle mit nichts angefangen, anstatt daß der Aufschub weniger Jahre auf beiden Seiten ein kleines Capital als Nothpfennig anhäufen könnte. Die Verheirathung tritt nicht ein infolge freien wohlüberlegten Entschlusses, sondern wie eine rein

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/327>, abgerufen am 22.07.2024.