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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Item, es bat sein Gutes, das? der alte Spötter nicht mehr zu fürchten ist.
Das Ewige von ihm, auch der Geist übermüthiger Laune, ist über die Welt
verbreitet. Ohne Frage ist das Geschichtchen, was ich Ihnen erzähle, ein Schaber¬
nack der "Lady Maid" -- oder ihres Vetters, der in der bayrischen Mythologie
unter dem Namen Alkohol auftritt -- denn


"Fährt sie über des Soldaten Nacken,
Dann träumt er gleich von Niedersäbcln. träumt
Von Breschen, Damascencrn, Spionage
Und manchem klaftertiefen Ehrentrunk."

Dies sind, mit Bevorzugung des Letzteren, die Boraussetzungen des Her¬
ganges.

In der letzten Julinacht knarrte das Geschirr eines Hauderers auf der
äußersten Ecke des sächsischen Voigtlcmdes durch Eger nach Bayern zu. Der
Jnsasse des Wagens, ein Mann, nicht gewohnt, mit fremden Pferden schlechte
Umwege zu fahren, war kein anderer als Graf Hohenthal. Sie erinnern Sich,
daß dieser Diplomat damals nach Wien zu seinem Herrn, dem König von
Sachsen berufen worden war. Am 29. Juli Nachts hatte er telegraphisch über
Paris Weisung erhalten, mit möglichster Beschleunigung nach Schönbrunn zu
kommen, um dort Instructionen zu Verhandlungen mit dem preußischen Hofe
entgegenzunehmen, da man in Nikolsburg zu verstehen gegeben haben soll, daß
man für Herrn v. Beust die Wege in der Umgegend des preußischen Haupt¬
quartiers wegen mangelhafter Sicherheit nicht empfehlen könne. Die Wahl des
Grafen Hohenthal war ohne Frage die beste, die man zu diesem Ende treffen
konnte. Aeußerlich durchaus unabhängig hat sich der Graf in vierzehnjähriger
Thätigkeit als Gesandter in Berlin bei beiden Höfen in gleicher Gunst und
gleichem Ansehen erhalten; neuerdings hat er insbesondere die Eigenart des
Grafen Bismarck studirt, und wie er zu diesem in bestem gesellschaftlichen Ver¬
hältnisse stehen soll, so rühmt man ihm seltene Vorurtheilslosigkeit nach. In
allem war er der Mann der Situation. Nur sollte seine Eigenschaft als Diplo¬
mat einem ungeahnten Zweifel in einer Weise unterworfen werden, die aber¬
gläubischen Gemüthern als übles Omen erscheinen könnte.

Schon der Anfang der Reise brachte lästige Hindernisse. Die sächsische
westliche Staatseisenbahn, welche in die südlichen Provinzen führt, war nur bis
Plauen fahrbar; darüber hinaus eitel Wirrwarr und Unsicherheit des Kriegs¬
zustandes; die nächste sichere Station Weiden in Bayern; von dort aus in
bundestreuem Lande mußte dann die Fahrt um so rascher gehen.

An dem Morgen, als der Graf auf dem dortigen Bahnhof anlangt, zeigt
die Scene ein ungeheures Menschengewühl. Tags vorher hatte in geringer
Entfernung von dem Orte ein Zusammenstoß mit den Preußen stattgefunden,
"ach welchem die Bayern, obgleich nach ihrer Auffassung siegreich, wie immer,


Item, es bat sein Gutes, das? der alte Spötter nicht mehr zu fürchten ist.
Das Ewige von ihm, auch der Geist übermüthiger Laune, ist über die Welt
verbreitet. Ohne Frage ist das Geschichtchen, was ich Ihnen erzähle, ein Schaber¬
nack der „Lady Maid" — oder ihres Vetters, der in der bayrischen Mythologie
unter dem Namen Alkohol auftritt — denn


„Fährt sie über des Soldaten Nacken,
Dann träumt er gleich von Niedersäbcln. träumt
Von Breschen, Damascencrn, Spionage
Und manchem klaftertiefen Ehrentrunk."

Dies sind, mit Bevorzugung des Letzteren, die Boraussetzungen des Her¬
ganges.

In der letzten Julinacht knarrte das Geschirr eines Hauderers auf der
äußersten Ecke des sächsischen Voigtlcmdes durch Eger nach Bayern zu. Der
Jnsasse des Wagens, ein Mann, nicht gewohnt, mit fremden Pferden schlechte
Umwege zu fahren, war kein anderer als Graf Hohenthal. Sie erinnern Sich,
daß dieser Diplomat damals nach Wien zu seinem Herrn, dem König von
Sachsen berufen worden war. Am 29. Juli Nachts hatte er telegraphisch über
Paris Weisung erhalten, mit möglichster Beschleunigung nach Schönbrunn zu
kommen, um dort Instructionen zu Verhandlungen mit dem preußischen Hofe
entgegenzunehmen, da man in Nikolsburg zu verstehen gegeben haben soll, daß
man für Herrn v. Beust die Wege in der Umgegend des preußischen Haupt¬
quartiers wegen mangelhafter Sicherheit nicht empfehlen könne. Die Wahl des
Grafen Hohenthal war ohne Frage die beste, die man zu diesem Ende treffen
konnte. Aeußerlich durchaus unabhängig hat sich der Graf in vierzehnjähriger
Thätigkeit als Gesandter in Berlin bei beiden Höfen in gleicher Gunst und
gleichem Ansehen erhalten; neuerdings hat er insbesondere die Eigenart des
Grafen Bismarck studirt, und wie er zu diesem in bestem gesellschaftlichen Ver¬
hältnisse stehen soll, so rühmt man ihm seltene Vorurtheilslosigkeit nach. In
allem war er der Mann der Situation. Nur sollte seine Eigenschaft als Diplo¬
mat einem ungeahnten Zweifel in einer Weise unterworfen werden, die aber¬
gläubischen Gemüthern als übles Omen erscheinen könnte.

Schon der Anfang der Reise brachte lästige Hindernisse. Die sächsische
westliche Staatseisenbahn, welche in die südlichen Provinzen führt, war nur bis
Plauen fahrbar; darüber hinaus eitel Wirrwarr und Unsicherheit des Kriegs¬
zustandes; die nächste sichere Station Weiden in Bayern; von dort aus in
bundestreuem Lande mußte dann die Fahrt um so rascher gehen.

An dem Morgen, als der Graf auf dem dortigen Bahnhof anlangt, zeigt
die Scene ein ungeheures Menschengewühl. Tags vorher hatte in geringer
Entfernung von dem Orte ein Zusammenstoß mit den Preußen stattgefunden,
»ach welchem die Bayern, obgleich nach ihrer Auffassung siegreich, wie immer,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/317>, abgerufen am 22.07.2024.