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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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schaft und Kunst. Handel und Industrie in langen Friedensjahren diesseit des
Rheins ein lebendiges Nationalgefühl großgezogen haben, und daß ein Con¬
flict mit Frankreich die Deutschen am ersten zu einmüthigen Anstrengungen
verbinden könnte. Die Ereignisse der letzten Monate haben ihm ferner die
Kriegstüchtigkeit Preußens in nicht verächtlichem Licht erscheinen lassen, er ist
sich wohl bewußt, daß ein Rheinkrieg die gefährlichste aller Campagnen ist,
welche Frankreich führen kann, und daß die Terrainbildung Frankreichs Preußen
zu dem furchtbarsten Gegner seines Staates macht. Endlich kann er nicht ver¬
kennen, daß ein solcher Krieg noch größere Gefahren für ihn selbst und sein
Haus schaffen würde, als für Frankreich. Es würde ein großer Krieg; militä¬
rische Erfolge der Gegner würden den französischen Stolz heftiger erbittern und
einen schnellen Friedensschluß unmöglich machen, wiederholte und große Er¬
folge der Gegner würden seine eigene Herrschaft über Frankreich mit höchster
Gefahr bedrohen; französische Siege aber würden dem Stolze der Preußen und
fast aller Deutschen eine tiefe, immer schwärmte Wunde schlagen. Preußen
würde ein Feind 'seines Hauses und Frankreichs werden, bei jeder politischen Ver¬
wickelung müßte der Gegensatz sich thätig erweisen, ihm und seinem Nachfolger
würde die Ostgrenze unablässige Gefahr bereiten. Große und staatenzertrüm-
mcrnde Siege Frankreichs endlich würden ihm sogar noch ernstere Gefahr her¬
aufbeschwören: der französische Marschall, welcher stegreich bis in das Herz
Deutschlands vordränge, müßte in Frankreich eine Bedeutung gewinnen, welche
igstcns in der nächsten Generation dem Erben des Kaiserreichs ebenso ge-
" in könnte als große Siege der Preußen.

men andere Betrachtungen. Wenn Frankreich jetzt gegen das
und eine zeitgemäßige politische Verbindung der deutschen
, so liegt in solchem Kriege etwas Unedles, das wenigstens
theiligten Zuschauer dem Kaiser und seinem Frankreich
'in Fall England einem solchen Krieg ohne sich ein-
rungssucht Frankreichs würde dort schwere Be-
ob besiegt, der Kaiser würde den Ruf bedäch-
Vertrauen, das er sich gewonnen, verlieren,
cipien seines eigenen politischen Credo,
Spruch nehmen, ist nur das Recht jedes
'neu selbst zu ordnen; sie denken nicht
en kein französisches Dorf, sie haben
se und freundlicher Verbindung mit
Savoyen und Nizza von Italien
zu Gunsten Italiens in das Feld
ten ihr Blut vergossen. Was aber
n und Oestreich gethan? Es hat


schaft und Kunst. Handel und Industrie in langen Friedensjahren diesseit des
Rheins ein lebendiges Nationalgefühl großgezogen haben, und daß ein Con¬
flict mit Frankreich die Deutschen am ersten zu einmüthigen Anstrengungen
verbinden könnte. Die Ereignisse der letzten Monate haben ihm ferner die
Kriegstüchtigkeit Preußens in nicht verächtlichem Licht erscheinen lassen, er ist
sich wohl bewußt, daß ein Rheinkrieg die gefährlichste aller Campagnen ist,
welche Frankreich führen kann, und daß die Terrainbildung Frankreichs Preußen
zu dem furchtbarsten Gegner seines Staates macht. Endlich kann er nicht ver¬
kennen, daß ein solcher Krieg noch größere Gefahren für ihn selbst und sein
Haus schaffen würde, als für Frankreich. Es würde ein großer Krieg; militä¬
rische Erfolge der Gegner würden den französischen Stolz heftiger erbittern und
einen schnellen Friedensschluß unmöglich machen, wiederholte und große Er¬
folge der Gegner würden seine eigene Herrschaft über Frankreich mit höchster
Gefahr bedrohen; französische Siege aber würden dem Stolze der Preußen und
fast aller Deutschen eine tiefe, immer schwärmte Wunde schlagen. Preußen
würde ein Feind 'seines Hauses und Frankreichs werden, bei jeder politischen Ver¬
wickelung müßte der Gegensatz sich thätig erweisen, ihm und seinem Nachfolger
würde die Ostgrenze unablässige Gefahr bereiten. Große und staatenzertrüm-
mcrnde Siege Frankreichs endlich würden ihm sogar noch ernstere Gefahr her¬
aufbeschwören: der französische Marschall, welcher stegreich bis in das Herz
Deutschlands vordränge, müßte in Frankreich eine Bedeutung gewinnen, welche
igstcns in der nächsten Generation dem Erben des Kaiserreichs ebenso ge-
" in könnte als große Siege der Preußen.

men andere Betrachtungen. Wenn Frankreich jetzt gegen das
und eine zeitgemäßige politische Verbindung der deutschen
, so liegt in solchem Kriege etwas Unedles, das wenigstens
theiligten Zuschauer dem Kaiser und seinem Frankreich
'in Fall England einem solchen Krieg ohne sich ein-
rungssucht Frankreichs würde dort schwere Be-
ob besiegt, der Kaiser würde den Ruf bedäch-
Vertrauen, das er sich gewonnen, verlieren,
cipien seines eigenen politischen Credo,
Spruch nehmen, ist nur das Recht jedes
'neu selbst zu ordnen; sie denken nicht
en kein französisches Dorf, sie haben
se und freundlicher Verbindung mit
Savoyen und Nizza von Italien
zu Gunsten Italiens in das Feld
ten ihr Blut vergossen. Was aber
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/306>, abgerufen am 22.07.2024.