Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.Elberfeld-Barmer Handelskammer, welche um diese Zeit ins Leben trat -- am Der ElbWld-Barmer Handelskammer, deren verdienter Schrift- und Ge¬ Elberfeld-Barmer Handelskammer, welche um diese Zeit ins Leben trat — am Der ElbWld-Barmer Handelskammer, deren verdienter Schrift- und Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0288" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285876"/> <p xml:id="ID_873" prev="#ID_872"> Elberfeld-Barmer Handelskammer, welche um diese Zeit ins Leben trat — am<lb/> 17. Januar 1831 eröffnete sie der geheime Regierungsrath Jacobi aus Düssel¬<lb/> dorf mit einer charakteristisch-philosophischen Anrede— , nahm vom ersten Tage<lb/> an das schutzzöllnerische Bekenntniß in sich auf, dem sie noch heute nicht aus¬<lb/> drücklich abgeschworen hat. Als in den vierziger Jahren die Meinungskämpfe<lb/> heftiger ausbrachen, galt eine freihändlerische Gesinnung nirgends in Deutsch¬<lb/> land für so verdächtig und gemein, wie in Elberfeld und Barmer. Die jüng-<lb/> sten Jahrzehnte sind diesem Aberglauben allerdings nicht günstig gewesen.<lb/> Nachdem sich selbst die französische Regierung, der Neffe und Nachfolger Napo¬<lb/> leons, zum Freihandel bekehrt, und andere Staaten, darunter Preußen und<lb/> Deutschland, auf dem Wege der Abschaffung schützender, d. h. verlehrhemmender<lb/> Zölle mit sich fortgerissen hat, hat im Wupperthal der Glaube an die Ge¬<lb/> meinnützigkeit des Zollschutzes aufgehört zu den Erfordernissen des rechtlichen<lb/> und wohlgesinnten Menschen gerechnet zu werden. Gegen den deutsch-franzö¬<lb/> sischen Handelsvertrag machte die Handelskammer weniger die Niedrigkeit der<lb/> Tarifsätze als den Abschluß ohne vorgängige Befragung der Interessenten gel¬<lb/> tend. Ein deutscher Freund und Nachfolger Cobdens, Dr. Julius Faücher, hat<lb/> es im Herbste 1864 wagen können, vor einem Publikum von elberfelder und<lb/> barmer Industriellen seine unbedingt freihändlerischen Ansichten zu begründen,<lb/> die ihm zwanzig, ja noch zehn Jahre früher kaum in einer Privatgesellschaft<lb/> durchgegangen wären. Er wurde nicht einmal öffentlich oder halböffentlich<lb/> widerlegt; die noch vorhandene schutzzöllnerische Meinung begnügt sich heutzu¬<lb/> tage, ihre Vorliebe für die alte Farbe durch Beifallklatschen kundzuthun, wenn<lb/> dieselbe etwa in einem Gutachten russischer Industrieller wieder zum Vorschein<lb/> kommt, wäre es auch, um die Producte des deutschen Gewerbfleißes damit vom<lb/> russischen Markte ferner auszuschließen. Im Allgemeinen darf man annehmen,<lb/> daß das Wupperthal in der Freihandelsfrage praktisch bekehrt ist, obgleich es<lb/> vorzieht, diesen Umschwung lediglich durch seine thatsächlichen Konsequenzen zu<lb/> verrathen.</p><lb/> <p xml:id="ID_874" next="#ID_875"> Der ElbWld-Barmer Handelskammer, deren verdienter Schrift- und Ge¬<lb/> schäftsführer Herr C. N. Hoette ist, früher selbst Kaufmann, muß übrigens das<lb/> Zeugniß wachsamer Wahrnehmung der ihr überwiesenen Interessen ausgestellt<lb/> werden. Inwiefern sie dem mehren kaufmännischen Korporationen Preußens über¬<lb/> haupt nachgesagten Fehler verfällt, nach oben hin übergroße Vorsicht und Gunst-<lb/> hascherei zu üben, entzieht sich bei der Heimlichkeit fast aller ihrer Schritte und<lb/> Verhandlungen der Beobachtung. Ein mehr öffentliches Verfahren würde sie<lb/> gegen unbegründeten Verdacht in dieser Hinsicht sicher stellen. Aber sie läßt<lb/> nicht einmal, wie manche ihrer rheinisch-westfälischen Schwestern, Auszüge ihrer<lb/> regelmäßigen Verhandlungen an die Oeffentlichkeit gelangen, in der sie damit<lb/> doch so leicht für ihre gemeinnützigen Bemühungen Hilfskräfte Mohn machen könnte.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0288]
Elberfeld-Barmer Handelskammer, welche um diese Zeit ins Leben trat — am
17. Januar 1831 eröffnete sie der geheime Regierungsrath Jacobi aus Düssel¬
dorf mit einer charakteristisch-philosophischen Anrede— , nahm vom ersten Tage
an das schutzzöllnerische Bekenntniß in sich auf, dem sie noch heute nicht aus¬
drücklich abgeschworen hat. Als in den vierziger Jahren die Meinungskämpfe
heftiger ausbrachen, galt eine freihändlerische Gesinnung nirgends in Deutsch¬
land für so verdächtig und gemein, wie in Elberfeld und Barmer. Die jüng-
sten Jahrzehnte sind diesem Aberglauben allerdings nicht günstig gewesen.
Nachdem sich selbst die französische Regierung, der Neffe und Nachfolger Napo¬
leons, zum Freihandel bekehrt, und andere Staaten, darunter Preußen und
Deutschland, auf dem Wege der Abschaffung schützender, d. h. verlehrhemmender
Zölle mit sich fortgerissen hat, hat im Wupperthal der Glaube an die Ge¬
meinnützigkeit des Zollschutzes aufgehört zu den Erfordernissen des rechtlichen
und wohlgesinnten Menschen gerechnet zu werden. Gegen den deutsch-franzö¬
sischen Handelsvertrag machte die Handelskammer weniger die Niedrigkeit der
Tarifsätze als den Abschluß ohne vorgängige Befragung der Interessenten gel¬
tend. Ein deutscher Freund und Nachfolger Cobdens, Dr. Julius Faücher, hat
es im Herbste 1864 wagen können, vor einem Publikum von elberfelder und
barmer Industriellen seine unbedingt freihändlerischen Ansichten zu begründen,
die ihm zwanzig, ja noch zehn Jahre früher kaum in einer Privatgesellschaft
durchgegangen wären. Er wurde nicht einmal öffentlich oder halböffentlich
widerlegt; die noch vorhandene schutzzöllnerische Meinung begnügt sich heutzu¬
tage, ihre Vorliebe für die alte Farbe durch Beifallklatschen kundzuthun, wenn
dieselbe etwa in einem Gutachten russischer Industrieller wieder zum Vorschein
kommt, wäre es auch, um die Producte des deutschen Gewerbfleißes damit vom
russischen Markte ferner auszuschließen. Im Allgemeinen darf man annehmen,
daß das Wupperthal in der Freihandelsfrage praktisch bekehrt ist, obgleich es
vorzieht, diesen Umschwung lediglich durch seine thatsächlichen Konsequenzen zu
verrathen.
Der ElbWld-Barmer Handelskammer, deren verdienter Schrift- und Ge¬
schäftsführer Herr C. N. Hoette ist, früher selbst Kaufmann, muß übrigens das
Zeugniß wachsamer Wahrnehmung der ihr überwiesenen Interessen ausgestellt
werden. Inwiefern sie dem mehren kaufmännischen Korporationen Preußens über¬
haupt nachgesagten Fehler verfällt, nach oben hin übergroße Vorsicht und Gunst-
hascherei zu üben, entzieht sich bei der Heimlichkeit fast aller ihrer Schritte und
Verhandlungen der Beobachtung. Ein mehr öffentliches Verfahren würde sie
gegen unbegründeten Verdacht in dieser Hinsicht sicher stellen. Aber sie läßt
nicht einmal, wie manche ihrer rheinisch-westfälischen Schwestern, Auszüge ihrer
regelmäßigen Verhandlungen an die Oeffentlichkeit gelangen, in der sie damit
doch so leicht für ihre gemeinnützigen Bemühungen Hilfskräfte Mohn machen könnte.
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