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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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hinzusetzen.. Wo erbliche Landlose Mich sind, wird das Gleiche beobachtet, nur
wird die Berechnung für jedes Familienhaupt besonders gemacht.

Männer sind vom 18. bis zum 5S., Frauen vom 17. bis zum 50. Jahre frohn-
pflichtig. Die frohnpflichtigen Bauern können sich durch andere taugliche Arbeiter
Vertreten lassen. Die für einen Frohndiensttag genügende Quantität Arbeit wird
für bestimmte mit Genauigkeit zu berechnende Arbeiten durch Reglement fest¬
gesetzt. Bei den auf diese Weise nicht bestimmbaren Arbeiten wird statt eines
gewissen Tagewerks eine, .gewisse Anzahl von Stunden für einen Arbeitstag ge¬
rechnet, welche im Sommer 12, im Winter 9 Stunden nicht überschreiten darf.
Die Arbeiten, dürfen der Gesundheit nicht nachtheilig, den Kräften der Arbeiter
nicht unangemessen sein, und es darf den Weibern keine Arbeit zugemuthet
werden, welche nach örtlicher Gewohnheit nicht für ihr Geschlecht paßt. Wer
sein Tagewerk beendigt oder, wenn ihm kein solches obliegt, die verlangte Zahl
von Stunden gearbeitet hat. darf nicht länger bei der Arbeit zurückgehalten
werden. Die Arbeiter müssen sich in anständiger Haltung, mit ordnungsmäßigen
Geräthschaften und zu rechter Zeit einstellen, sonst kann der Gutsherr den
Arbeitstag als, rückständig berechnen.

In den kleinrussischen Provinzen Tschernigow, Pultawa und Charkow, wo
die Ländereien in, Gehöften, nicht in Gemeindenutzungen bestehen, werden die
Frohnden nach Feuerstellen oder Familien vertheilt. Die Eintheilung in Zonen
fällt hier weg, und es tritt nach Bestätigung der Urbarialurkunden nur eine
Eintheilung in. Regionen ein. Der Gutsherr behält ein Drittel der urbaren
Ländereien, jede Familie den bisher benutzten Flächeninhalt an Acker, Wiese
und Weide., und dazu kommt ein ergänzender Landantheil, für welchen der In¬
haber einen Frohndienst in Ochsentagewerken leistet, welchen Landantheil er
jedoch ausschlagen kann. Die Frauen sind hier von jeder Handarbeit für den
Gutsherrn befreit. Aehnliche Bestimmungen gelten für die Provinzen Kiew,
Volhynien und, Podolien, ferner für Wilna. Grodno, Kowno, Minsk und einen
Theil von Witebsk, worüber , man das Nähere in unserer Schrift selbst nach¬
sehen wolle. !

Wie zu Anfang dieser Mittheilungen bemerkt wurde, ist das Werk des
Kaisers Alexander bis jetzt durchaus gelungen. Die materiellen Auseinander¬
setzungen zwischen Adel und Bauern sind beendet und in den meisten Fällen
durch freiwilliges Uebereinkommen zwischen den Herren und ihren früheren Leib¬
eigenen. Die Bauern zeigen sich dem Willen ihres Czaren gehorsam, besonnen,
klug un5 wohl bekannt mit ihren Interessen. Fast allenthalben sind die neuen
Institutionen der Gemeindeverwaltungen, der Woloste, der Friedensrichter be¬
reits in voller Wirksamkeit. Die factisch fast unbeschränkte Gewalt der Guts¬
herren ist wie ein Phantom verschwunden. Selbst an Ausübung gewisser
Patrimonialrechte, welche die Februargesetze von 1861 denselben für die zwei-


hinzusetzen.. Wo erbliche Landlose Mich sind, wird das Gleiche beobachtet, nur
wird die Berechnung für jedes Familienhaupt besonders gemacht.

Männer sind vom 18. bis zum 5S., Frauen vom 17. bis zum 50. Jahre frohn-
pflichtig. Die frohnpflichtigen Bauern können sich durch andere taugliche Arbeiter
Vertreten lassen. Die für einen Frohndiensttag genügende Quantität Arbeit wird
für bestimmte mit Genauigkeit zu berechnende Arbeiten durch Reglement fest¬
gesetzt. Bei den auf diese Weise nicht bestimmbaren Arbeiten wird statt eines
gewissen Tagewerks eine, .gewisse Anzahl von Stunden für einen Arbeitstag ge¬
rechnet, welche im Sommer 12, im Winter 9 Stunden nicht überschreiten darf.
Die Arbeiten, dürfen der Gesundheit nicht nachtheilig, den Kräften der Arbeiter
nicht unangemessen sein, und es darf den Weibern keine Arbeit zugemuthet
werden, welche nach örtlicher Gewohnheit nicht für ihr Geschlecht paßt. Wer
sein Tagewerk beendigt oder, wenn ihm kein solches obliegt, die verlangte Zahl
von Stunden gearbeitet hat. darf nicht länger bei der Arbeit zurückgehalten
werden. Die Arbeiter müssen sich in anständiger Haltung, mit ordnungsmäßigen
Geräthschaften und zu rechter Zeit einstellen, sonst kann der Gutsherr den
Arbeitstag als, rückständig berechnen.

In den kleinrussischen Provinzen Tschernigow, Pultawa und Charkow, wo
die Ländereien in, Gehöften, nicht in Gemeindenutzungen bestehen, werden die
Frohnden nach Feuerstellen oder Familien vertheilt. Die Eintheilung in Zonen
fällt hier weg, und es tritt nach Bestätigung der Urbarialurkunden nur eine
Eintheilung in. Regionen ein. Der Gutsherr behält ein Drittel der urbaren
Ländereien, jede Familie den bisher benutzten Flächeninhalt an Acker, Wiese
und Weide., und dazu kommt ein ergänzender Landantheil, für welchen der In¬
haber einen Frohndienst in Ochsentagewerken leistet, welchen Landantheil er
jedoch ausschlagen kann. Die Frauen sind hier von jeder Handarbeit für den
Gutsherrn befreit. Aehnliche Bestimmungen gelten für die Provinzen Kiew,
Volhynien und, Podolien, ferner für Wilna. Grodno, Kowno, Minsk und einen
Theil von Witebsk, worüber , man das Nähere in unserer Schrift selbst nach¬
sehen wolle. !

Wie zu Anfang dieser Mittheilungen bemerkt wurde, ist das Werk des
Kaisers Alexander bis jetzt durchaus gelungen. Die materiellen Auseinander¬
setzungen zwischen Adel und Bauern sind beendet und in den meisten Fällen
durch freiwilliges Uebereinkommen zwischen den Herren und ihren früheren Leib¬
eigenen. Die Bauern zeigen sich dem Willen ihres Czaren gehorsam, besonnen,
klug un5 wohl bekannt mit ihren Interessen. Fast allenthalben sind die neuen
Institutionen der Gemeindeverwaltungen, der Woloste, der Friedensrichter be¬
reits in voller Wirksamkeit. Die factisch fast unbeschränkte Gewalt der Guts¬
herren ist wie ein Phantom verschwunden. Selbst an Ausübung gewisser
Patrimonialrechte, welche die Februargesetze von 1861 denselben für die zwei-


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[0277] hinzusetzen.. Wo erbliche Landlose Mich sind, wird das Gleiche beobachtet, nur wird die Berechnung für jedes Familienhaupt besonders gemacht. Männer sind vom 18. bis zum 5S., Frauen vom 17. bis zum 50. Jahre frohn- pflichtig. Die frohnpflichtigen Bauern können sich durch andere taugliche Arbeiter Vertreten lassen. Die für einen Frohndiensttag genügende Quantität Arbeit wird für bestimmte mit Genauigkeit zu berechnende Arbeiten durch Reglement fest¬ gesetzt. Bei den auf diese Weise nicht bestimmbaren Arbeiten wird statt eines gewissen Tagewerks eine, .gewisse Anzahl von Stunden für einen Arbeitstag ge¬ rechnet, welche im Sommer 12, im Winter 9 Stunden nicht überschreiten darf. Die Arbeiten, dürfen der Gesundheit nicht nachtheilig, den Kräften der Arbeiter nicht unangemessen sein, und es darf den Weibern keine Arbeit zugemuthet werden, welche nach örtlicher Gewohnheit nicht für ihr Geschlecht paßt. Wer sein Tagewerk beendigt oder, wenn ihm kein solches obliegt, die verlangte Zahl von Stunden gearbeitet hat. darf nicht länger bei der Arbeit zurückgehalten werden. Die Arbeiter müssen sich in anständiger Haltung, mit ordnungsmäßigen Geräthschaften und zu rechter Zeit einstellen, sonst kann der Gutsherr den Arbeitstag als, rückständig berechnen. In den kleinrussischen Provinzen Tschernigow, Pultawa und Charkow, wo die Ländereien in, Gehöften, nicht in Gemeindenutzungen bestehen, werden die Frohnden nach Feuerstellen oder Familien vertheilt. Die Eintheilung in Zonen fällt hier weg, und es tritt nach Bestätigung der Urbarialurkunden nur eine Eintheilung in. Regionen ein. Der Gutsherr behält ein Drittel der urbaren Ländereien, jede Familie den bisher benutzten Flächeninhalt an Acker, Wiese und Weide., und dazu kommt ein ergänzender Landantheil, für welchen der In¬ haber einen Frohndienst in Ochsentagewerken leistet, welchen Landantheil er jedoch ausschlagen kann. Die Frauen sind hier von jeder Handarbeit für den Gutsherrn befreit. Aehnliche Bestimmungen gelten für die Provinzen Kiew, Volhynien und, Podolien, ferner für Wilna. Grodno, Kowno, Minsk und einen Theil von Witebsk, worüber , man das Nähere in unserer Schrift selbst nach¬ sehen wolle. ! Wie zu Anfang dieser Mittheilungen bemerkt wurde, ist das Werk des Kaisers Alexander bis jetzt durchaus gelungen. Die materiellen Auseinander¬ setzungen zwischen Adel und Bauern sind beendet und in den meisten Fällen durch freiwilliges Uebereinkommen zwischen den Herren und ihren früheren Leib¬ eigenen. Die Bauern zeigen sich dem Willen ihres Czaren gehorsam, besonnen, klug un5 wohl bekannt mit ihren Interessen. Fast allenthalben sind die neuen Institutionen der Gemeindeverwaltungen, der Woloste, der Friedensrichter be¬ reits in voller Wirksamkeit. Die factisch fast unbeschränkte Gewalt der Guts¬ herren ist wie ein Phantom verschwunden. Selbst an Ausübung gewisser Patrimonialrechte, welche die Februargesetze von 1861 denselben für die zwei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/277>, abgerufen am 22.07.2024.