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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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etwaigen neuen Vermessungen zu berichtigen und die Termine zur Entrichtung
des Obrok zu bestimmen, wo die betheiligten Parteien sich nicht unter einander
Verständigen können. >

Die Provinzialcommission endlich, die aus dem Gouverneur als Präsidenten,
dem Adelsmarschall der Provinz, dem Director der Provinzialkammer der Kron¬
domänen, dem Prokurator und vier Gutsbesitzern, zwei von dem Ministerium
des Innern ernannten und zwei von der Versammlung der Kreismarschälle und
des Adelsmarschalls der Provinz gewählten, besteht, ist die oberste Instanz für
alle Streitigkeiten und Klagen, die im Vorhergehenden als vor das Forum der
Friedensrichter und Friedensrichterkollegien gehörig bezeichnet wurden.

Schon vor der Promulgation der die neue Ordnung der Bauernangelegen¬
heiten betreffenden Gesetze wurde in jedem Gouvernement eine Commission er¬
richtet, um die Einführung derselben vorzubereiten, i Diese Commissionen be¬
standen aus denselben Elementen wie die eben erwähnten Provinzialcommissionen,
in die sie sich nach Veröffentlichung der Reglements für die Bauernemancivation
auch Verwandelten. In ihren Geschäftskreis fielen vor allem die zur Feststellung
der neuen Verhältnisse eingeführten Urbarialürkunden (HstÄvria Mamota),
durch welche die künftigen Beziehungen der Bauern zu ihren bisherigen Herren,
den Gutsbesitzern, in jeder Gemeinde geregelt werden sollten. Diese Urkunden
wurden von den Gutsbesitzern oder deren Bevollmächtigten versaßt und zwar
nach Berathung mit den Bauern, und es war darin ^die Zahl der letzteren, die
Größe des denselben abgetretenen Landes und das Maß der Abgaben derselben
angegeben. Zur Abfassung und Einreichung war den Gutsbesitzern eine Frist
von neun Monaten, zu ihrer definitiven Regulirung und Einführung ins Leben
eine Frist von zwei Jahren gesetzt. Bei Säumigkeit der Gutsbesitzer wurden
die Urbarialürkunden von den Friedensrichtern gegen eine von den Guisbesitzern
zu tragende Gebühr besorgt. Wollte der Gutsbesitzer ein solches Schriftstück
als Ergebniß eines freien Uebereinkommens mit den Bauern darstellen, so mußte
er dasselbe vorher der Gemeindeversammlung mitgetheilt und die Unterschriften
sämmtlicher Bauern erlangt haben, und außerdem wa'r noch Bestätigung durch
unbetheiligte Zeugen und Beglaubigung durch den Fliedensrichter vorgeschrieben.
Letzterer hatte die Urkunden auch nach Vorlesung derselben in voller Gemeinde¬
versammlung, bei welcher der Gutsherr und drei bis sechs unbetheiligte Ver¬
trauensmänner zugegen waren, schließlich, in Kraft zu setzen. Dem Gutsbesitzer
sowie den Bauern wurden beglaubigte Abschriften eingehändigt, das Original
aber wurde der Goüvernementsbehörde zur Aufbewahrung übergeben.

Um das Bestehen der freigegebnen Bauern und die Erfüllung ihrer Pflichten
gegen die Regierung und ihre bisherigen Herren zu sichern, erhielt jede Ge¬
meinde in Groß-, Neu- und Weißrußland zu immerwährendem Nießbrauch eine
nach den .örtlichen Umständen bemessene Fläche Landes, für welche die Bauern


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etwaigen neuen Vermessungen zu berichtigen und die Termine zur Entrichtung
des Obrok zu bestimmen, wo die betheiligten Parteien sich nicht unter einander
Verständigen können. >

Die Provinzialcommission endlich, die aus dem Gouverneur als Präsidenten,
dem Adelsmarschall der Provinz, dem Director der Provinzialkammer der Kron¬
domänen, dem Prokurator und vier Gutsbesitzern, zwei von dem Ministerium
des Innern ernannten und zwei von der Versammlung der Kreismarschälle und
des Adelsmarschalls der Provinz gewählten, besteht, ist die oberste Instanz für
alle Streitigkeiten und Klagen, die im Vorhergehenden als vor das Forum der
Friedensrichter und Friedensrichterkollegien gehörig bezeichnet wurden.

Schon vor der Promulgation der die neue Ordnung der Bauernangelegen¬
heiten betreffenden Gesetze wurde in jedem Gouvernement eine Commission er¬
richtet, um die Einführung derselben vorzubereiten, i Diese Commissionen be¬
standen aus denselben Elementen wie die eben erwähnten Provinzialcommissionen,
in die sie sich nach Veröffentlichung der Reglements für die Bauernemancivation
auch Verwandelten. In ihren Geschäftskreis fielen vor allem die zur Feststellung
der neuen Verhältnisse eingeführten Urbarialürkunden (HstÄvria Mamota),
durch welche die künftigen Beziehungen der Bauern zu ihren bisherigen Herren,
den Gutsbesitzern, in jeder Gemeinde geregelt werden sollten. Diese Urkunden
wurden von den Gutsbesitzern oder deren Bevollmächtigten versaßt und zwar
nach Berathung mit den Bauern, und es war darin ^die Zahl der letzteren, die
Größe des denselben abgetretenen Landes und das Maß der Abgaben derselben
angegeben. Zur Abfassung und Einreichung war den Gutsbesitzern eine Frist
von neun Monaten, zu ihrer definitiven Regulirung und Einführung ins Leben
eine Frist von zwei Jahren gesetzt. Bei Säumigkeit der Gutsbesitzer wurden
die Urbarialürkunden von den Friedensrichtern gegen eine von den Guisbesitzern
zu tragende Gebühr besorgt. Wollte der Gutsbesitzer ein solches Schriftstück
als Ergebniß eines freien Uebereinkommens mit den Bauern darstellen, so mußte
er dasselbe vorher der Gemeindeversammlung mitgetheilt und die Unterschriften
sämmtlicher Bauern erlangt haben, und außerdem wa'r noch Bestätigung durch
unbetheiligte Zeugen und Beglaubigung durch den Fliedensrichter vorgeschrieben.
Letzterer hatte die Urkunden auch nach Vorlesung derselben in voller Gemeinde¬
versammlung, bei welcher der Gutsherr und drei bis sechs unbetheiligte Ver¬
trauensmänner zugegen waren, schließlich, in Kraft zu setzen. Dem Gutsbesitzer
sowie den Bauern wurden beglaubigte Abschriften eingehändigt, das Original
aber wurde der Goüvernementsbehörde zur Aufbewahrung übergeben.

Um das Bestehen der freigegebnen Bauern und die Erfüllung ihrer Pflichten
gegen die Regierung und ihre bisherigen Herren zu sichern, erhielt jede Ge¬
meinde in Groß-, Neu- und Weißrußland zu immerwährendem Nießbrauch eine
nach den .örtlichen Umständen bemessene Fläche Landes, für welche die Bauern


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[0273] etwaigen neuen Vermessungen zu berichtigen und die Termine zur Entrichtung des Obrok zu bestimmen, wo die betheiligten Parteien sich nicht unter einander Verständigen können. > Die Provinzialcommission endlich, die aus dem Gouverneur als Präsidenten, dem Adelsmarschall der Provinz, dem Director der Provinzialkammer der Kron¬ domänen, dem Prokurator und vier Gutsbesitzern, zwei von dem Ministerium des Innern ernannten und zwei von der Versammlung der Kreismarschälle und des Adelsmarschalls der Provinz gewählten, besteht, ist die oberste Instanz für alle Streitigkeiten und Klagen, die im Vorhergehenden als vor das Forum der Friedensrichter und Friedensrichterkollegien gehörig bezeichnet wurden. Schon vor der Promulgation der die neue Ordnung der Bauernangelegen¬ heiten betreffenden Gesetze wurde in jedem Gouvernement eine Commission er¬ richtet, um die Einführung derselben vorzubereiten, i Diese Commissionen be¬ standen aus denselben Elementen wie die eben erwähnten Provinzialcommissionen, in die sie sich nach Veröffentlichung der Reglements für die Bauernemancivation auch Verwandelten. In ihren Geschäftskreis fielen vor allem die zur Feststellung der neuen Verhältnisse eingeführten Urbarialürkunden (HstÄvria Mamota), durch welche die künftigen Beziehungen der Bauern zu ihren bisherigen Herren, den Gutsbesitzern, in jeder Gemeinde geregelt werden sollten. Diese Urkunden wurden von den Gutsbesitzern oder deren Bevollmächtigten versaßt und zwar nach Berathung mit den Bauern, und es war darin ^die Zahl der letzteren, die Größe des denselben abgetretenen Landes und das Maß der Abgaben derselben angegeben. Zur Abfassung und Einreichung war den Gutsbesitzern eine Frist von neun Monaten, zu ihrer definitiven Regulirung und Einführung ins Leben eine Frist von zwei Jahren gesetzt. Bei Säumigkeit der Gutsbesitzer wurden die Urbarialürkunden von den Friedensrichtern gegen eine von den Guisbesitzern zu tragende Gebühr besorgt. Wollte der Gutsbesitzer ein solches Schriftstück als Ergebniß eines freien Uebereinkommens mit den Bauern darstellen, so mußte er dasselbe vorher der Gemeindeversammlung mitgetheilt und die Unterschriften sämmtlicher Bauern erlangt haben, und außerdem wa'r noch Bestätigung durch unbetheiligte Zeugen und Beglaubigung durch den Fliedensrichter vorgeschrieben. Letzterer hatte die Urkunden auch nach Vorlesung derselben in voller Gemeinde¬ versammlung, bei welcher der Gutsherr und drei bis sechs unbetheiligte Ver¬ trauensmänner zugegen waren, schließlich, in Kraft zu setzen. Dem Gutsbesitzer sowie den Bauern wurden beglaubigte Abschriften eingehändigt, das Original aber wurde der Goüvernementsbehörde zur Aufbewahrung übergeben. Um das Bestehen der freigegebnen Bauern und die Erfüllung ihrer Pflichten gegen die Regierung und ihre bisherigen Herren zu sichern, erhielt jede Ge¬ meinde in Groß-, Neu- und Weißrußland zu immerwährendem Nießbrauch eine nach den .örtlichen Umständen bemessene Fläche Landes, für welche die Bauern 32*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/273>, abgerufen am 22.07.2024.