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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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land war es, wie früher berührt, zu verdanken, daß im pariser Vertrag Oest¬
reich mit diesem Verlangen abgewiesen wurde. In Wien versuchte Fürst
Metternich durch directe Verhandlungen mit San Marzcmo zum Ziel zu ge¬
langen. In sehr dringlicher Weise stellte er dem sardinischen Gesandten im
December den Wunsch des Kaisers vor, in den Besitz des Theiles vom Nova-
resischen zu gelangen, der die Simplonstraße bis zur Stadt Aroma begreift, wo¬
bei er militärische und strategische Gründe geltend machte. San Marzano ging
einem so mächtigen Gegner gegenüber sehr vorsichtig zu Werke, suchte vor allem
Zeit zu gewinnen und benachrichtigte inzwischen Victor Emanuel. der im Ja¬
nuar zurückschrieb: Das Anerbieten, das uns Oestreich macht, die Vertheidigung
eines Theils von Italien übernehmen zu wollen, ist unsers Erachtens nichts
als Lug und Trug. Denn sein Besitz des Overnovaresc würde in nichts zur
Sicherheit der Halbinsel beitragen. . . Wenn aber auch diese Gebietsabtretung
das System der Alvenvertheidigung verbessern würde, wäre sie jedenfalls unsrer
Sicherheit gegenüber von Oestreich höchst nachtheilig. Zwischen zwei große
Mächte gestellt, müssen wir mit aller Umsicht abwägen, was zu unserer Ver¬
theidigung gegen ihre Angriffe dienen kann. Ohne bei der Gebietsvergrößcrung
zu verweilen, die Oestreich dadurch erlangte, wäre es uns ein unwiederbring¬
licher Nachtheil, dieser Macht den Tessinübergang offen zu lassen. Die Vor¬
theile, welche andererseits für den Handel daraus entspringen, daß eine einzige
Regierung im Besitz der Straße von Valese bis Genua ist. führt uns zu dem
wohlerwogenen Entschlüsse, uns gegen die Zustimmung zu solchem Vorschlag bis
aufs äußerste zu wehren. Müßte man jedoch durchaus einen Theil des Över-
novarese abtreten, so vertheidigen Sie hartnäckig Zoll um Zoll und bemühen
sich so viel als möglich von den uns günstigen militärischen Stellungen zu er¬
halten... Trotz der Mahnung Metternichs an Sie, die Sache geheim zu hal¬
ten, werden Sie jede Gelegenheit ergreifen, um Lord Castlereagh und die
russischen und preußischen Bevollmächtigten von dieser Angelegenheit in Kennt-
niß zu.setzen. San Marzano versäumte nicht Capodistria und Castlereagh Vor¬
stellungen zu machen, auch händigte er ihnen eine Denkschrift ein, welche aus¬
führte, daß die Simplonstraße unter militärischem Gesichtspunkt naturgemäß
zum piemontesischen Vertheidigungssystcm. nicht zu dem der Lombardei gehöre.
Auf Talleyrand suchte er dadurch zu wirken, daß er ihm ins Ohr raunte, wie
Oestreich nur deshalb der Simplonstraße sich zu bemächtigen suche, um mit
Leichtigkeit bei jeder Gelegenheit nach Frankreich zu kommen, wo nach seiner
Meinung der Thron der Bourbonen bereits wieder wanke.

Der Erfolg dieser Schritte war der beste. Einstimmig waren die Minister
der großen Mächte für die Zurückweisung der Ansprüche Oestreichs, Fürst
Metternich zwang sich zu der freundlichsten Miene, als er im Januar zu San
Marzano sagte: Der Kaiser hatte den Wunsch ausgedrückt, daß der König von


Grenzboten III. 186ö. 3

land war es, wie früher berührt, zu verdanken, daß im pariser Vertrag Oest¬
reich mit diesem Verlangen abgewiesen wurde. In Wien versuchte Fürst
Metternich durch directe Verhandlungen mit San Marzcmo zum Ziel zu ge¬
langen. In sehr dringlicher Weise stellte er dem sardinischen Gesandten im
December den Wunsch des Kaisers vor, in den Besitz des Theiles vom Nova-
resischen zu gelangen, der die Simplonstraße bis zur Stadt Aroma begreift, wo¬
bei er militärische und strategische Gründe geltend machte. San Marzano ging
einem so mächtigen Gegner gegenüber sehr vorsichtig zu Werke, suchte vor allem
Zeit zu gewinnen und benachrichtigte inzwischen Victor Emanuel. der im Ja¬
nuar zurückschrieb: Das Anerbieten, das uns Oestreich macht, die Vertheidigung
eines Theils von Italien übernehmen zu wollen, ist unsers Erachtens nichts
als Lug und Trug. Denn sein Besitz des Overnovaresc würde in nichts zur
Sicherheit der Halbinsel beitragen. . . Wenn aber auch diese Gebietsabtretung
das System der Alvenvertheidigung verbessern würde, wäre sie jedenfalls unsrer
Sicherheit gegenüber von Oestreich höchst nachtheilig. Zwischen zwei große
Mächte gestellt, müssen wir mit aller Umsicht abwägen, was zu unserer Ver¬
theidigung gegen ihre Angriffe dienen kann. Ohne bei der Gebietsvergrößcrung
zu verweilen, die Oestreich dadurch erlangte, wäre es uns ein unwiederbring¬
licher Nachtheil, dieser Macht den Tessinübergang offen zu lassen. Die Vor¬
theile, welche andererseits für den Handel daraus entspringen, daß eine einzige
Regierung im Besitz der Straße von Valese bis Genua ist. führt uns zu dem
wohlerwogenen Entschlüsse, uns gegen die Zustimmung zu solchem Vorschlag bis
aufs äußerste zu wehren. Müßte man jedoch durchaus einen Theil des Över-
novarese abtreten, so vertheidigen Sie hartnäckig Zoll um Zoll und bemühen
sich so viel als möglich von den uns günstigen militärischen Stellungen zu er¬
halten... Trotz der Mahnung Metternichs an Sie, die Sache geheim zu hal¬
ten, werden Sie jede Gelegenheit ergreifen, um Lord Castlereagh und die
russischen und preußischen Bevollmächtigten von dieser Angelegenheit in Kennt-
niß zu.setzen. San Marzano versäumte nicht Capodistria und Castlereagh Vor¬
stellungen zu machen, auch händigte er ihnen eine Denkschrift ein, welche aus¬
führte, daß die Simplonstraße unter militärischem Gesichtspunkt naturgemäß
zum piemontesischen Vertheidigungssystcm. nicht zu dem der Lombardei gehöre.
Auf Talleyrand suchte er dadurch zu wirken, daß er ihm ins Ohr raunte, wie
Oestreich nur deshalb der Simplonstraße sich zu bemächtigen suche, um mit
Leichtigkeit bei jeder Gelegenheit nach Frankreich zu kommen, wo nach seiner
Meinung der Thron der Bourbonen bereits wieder wanke.

Der Erfolg dieser Schritte war der beste. Einstimmig waren die Minister
der großen Mächte für die Zurückweisung der Ansprüche Oestreichs, Fürst
Metternich zwang sich zu der freundlichsten Miene, als er im Januar zu San
Marzano sagte: Der Kaiser hatte den Wunsch ausgedrückt, daß der König von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/27>, abgerufen am 25.08.2024.