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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Unvergleichlich größer sind die Opfer, welche durch die neue Bundes-
verfassung und den furchtbaren Zwang der Ereignisse dem Königshause Sach¬
sens auferlegt werden. Und es ist nicht unnatürlich, wenn der König für
UNerttäglich hält, sich denselben zu unterzieh". Was ihm vor dem 14. Juni
unannehmbar schien, das wird jetzt vermindert noch einmal geboten. Aber größer
ist die Kluft zwischen ihm und dem Bietenden, herber die Stimmung, verhaßter
der Zwang durch die Ereignisse geworden. Und dazu wird des Königs Gemüth
wahrscheinlich noch durch den ernsten Gedanken bewegt, daß die Erhaltung sei¬
ner Dynastie für Sachsen auch seinem Lande eine schwere Last auflegt: die Mil-
lionen Kriegskosten, die Festungswerke um Dresden; und daß unzweifelhaft dadurch
auf Jahre auch dem Volke das Gedeihen gestört wird. Denn allerdings, wenn
Sachsen i"re delli preußisch geworden wäre, würden die sämmtlichen Kriegs¬
kosten wegfallen und der Gundesstaat würde nicht-in der gleichen Nothwendigkeit
sein , die königliche Residenz von Sachsen zu einem befestigten Punkt zu machen;
die Rücksichten auf das Behagen der Stadt dürften größere Bedeutung gewinnen,
lind ein verschanztes Lager weiter stromauf für genügende Sicherung gelten.

In Wahrheit ist schwer zu begreifen, wie ein hochgesinnter Fürst nach diesem
Kriege in sein Land zurückkehren soll, um sich mit demselben in den neuen Bundes-
staat seiner Feinde einzufügen. Wie sott der erlauchte Herr, welchem die Reihen
der östreichischen Armee eben erst zugejauchzt chaben. die Pickelhauben ertragen,
welche fortan in seiner Hauptstadt Garnison bilden? Wenn er in seinew Wein¬
berg fährt, muß er preußische Schanzen Passiren und wenn ein fremder Offizier
artig vor ihm salutirt, muß er sich vorkommen wie ein Gefangener. Der König
Von Sachsen besaß in ausgezeichneter Weise die Patriarchaten Tugenden eines
Landesvaters, der um das Einzelne sorgt. Wie soll ihm erträglich sein, wenn
ein großer Theil der Landesinteressen seinem höchsten Entscheid entzogen sind;
wenn die Briefe und Depeschen, welche er erhält. Nicht mehr durch seine Be¬
amte befördert werden, wenn die Vorsteher vieler Bureaux nicht ihn als ihren
Herrn durch die Arbeitsräume geleiten? Ja der feindliche Gegensatz droht die
jetzt regierenden Herren zu überleben. Wie der Kronprinz von Preußen auf
dem Schlachtfeld von Königgrätz von seinem königlichen Vater mit dem höchsten
Militärorden Preußens-geschmückt wurde, ebenso wurde vor den Thoren Wiens
Mit besonderer Feierlichkeit, unter Benutzung eines Altars, der Kronprinz von
Sachsen Mit dem höchsten Militärorden Oestreichs begabt. Jene Lagerscene
War kein Zufall und keine blasse Copie der Feinde, es war eine bedeutungs¬
volle, allen Regierungskreisen Europas verständliche Weihe eines feindseligen
Gegensatzes zwischen zwei wackern, geradsinnigen und ritterlichen jungen
Herren. Wie soll unter diesen Umständen der Kronprinz von Sachsen die
'veränderte Stellung seines Landes ertragen, wenn sein königlicher Vater> sich
dazu nickt entschließen könnte? - -


Unvergleichlich größer sind die Opfer, welche durch die neue Bundes-
verfassung und den furchtbaren Zwang der Ereignisse dem Königshause Sach¬
sens auferlegt werden. Und es ist nicht unnatürlich, wenn der König für
UNerttäglich hält, sich denselben zu unterzieh». Was ihm vor dem 14. Juni
unannehmbar schien, das wird jetzt vermindert noch einmal geboten. Aber größer
ist die Kluft zwischen ihm und dem Bietenden, herber die Stimmung, verhaßter
der Zwang durch die Ereignisse geworden. Und dazu wird des Königs Gemüth
wahrscheinlich noch durch den ernsten Gedanken bewegt, daß die Erhaltung sei¬
ner Dynastie für Sachsen auch seinem Lande eine schwere Last auflegt: die Mil-
lionen Kriegskosten, die Festungswerke um Dresden; und daß unzweifelhaft dadurch
auf Jahre auch dem Volke das Gedeihen gestört wird. Denn allerdings, wenn
Sachsen i»re delli preußisch geworden wäre, würden die sämmtlichen Kriegs¬
kosten wegfallen und der Gundesstaat würde nicht-in der gleichen Nothwendigkeit
sein , die königliche Residenz von Sachsen zu einem befestigten Punkt zu machen;
die Rücksichten auf das Behagen der Stadt dürften größere Bedeutung gewinnen,
lind ein verschanztes Lager weiter stromauf für genügende Sicherung gelten.

In Wahrheit ist schwer zu begreifen, wie ein hochgesinnter Fürst nach diesem
Kriege in sein Land zurückkehren soll, um sich mit demselben in den neuen Bundes-
staat seiner Feinde einzufügen. Wie sott der erlauchte Herr, welchem die Reihen
der östreichischen Armee eben erst zugejauchzt chaben. die Pickelhauben ertragen,
welche fortan in seiner Hauptstadt Garnison bilden? Wenn er in seinew Wein¬
berg fährt, muß er preußische Schanzen Passiren und wenn ein fremder Offizier
artig vor ihm salutirt, muß er sich vorkommen wie ein Gefangener. Der König
Von Sachsen besaß in ausgezeichneter Weise die Patriarchaten Tugenden eines
Landesvaters, der um das Einzelne sorgt. Wie soll ihm erträglich sein, wenn
ein großer Theil der Landesinteressen seinem höchsten Entscheid entzogen sind;
wenn die Briefe und Depeschen, welche er erhält. Nicht mehr durch seine Be¬
amte befördert werden, wenn die Vorsteher vieler Bureaux nicht ihn als ihren
Herrn durch die Arbeitsräume geleiten? Ja der feindliche Gegensatz droht die
jetzt regierenden Herren zu überleben. Wie der Kronprinz von Preußen auf
dem Schlachtfeld von Königgrätz von seinem königlichen Vater mit dem höchsten
Militärorden Preußens-geschmückt wurde, ebenso wurde vor den Thoren Wiens
Mit besonderer Feierlichkeit, unter Benutzung eines Altars, der Kronprinz von
Sachsen Mit dem höchsten Militärorden Oestreichs begabt. Jene Lagerscene
War kein Zufall und keine blasse Copie der Feinde, es war eine bedeutungs¬
volle, allen Regierungskreisen Europas verständliche Weihe eines feindseligen
Gegensatzes zwischen zwei wackern, geradsinnigen und ritterlichen jungen
Herren. Wie soll unter diesen Umständen der Kronprinz von Sachsen die
'veränderte Stellung seines Landes ertragen, wenn sein königlicher Vater> sich
dazu nickt entschließen könnte? - -


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/267>, abgerufen am 25.08.2024.