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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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daß die Frage bereits durch einen Vertrag erledigt ist, während dies ge¬
schrieben wird.

Seit der Schlachtendonner verhallt ist, erregt der Gedanke, was aus Sach¬
sen werden soll, die Gemüther so heftig, wie kaum die Telegramme von den
Schlachtfeldern; Sorge in jedermanns Herzen, Eiser und Erbitterung der Par¬
teien in Zunahme. Es fehlt in Sachsen, wenigstens in Leipzig, nicht ganz an
Anhängern des Einheitstaates, welche bereit wären, öffentlich für Annexion zu
petitioniren, eine größere Zahl fühlt sich durch Staats- oder Beamteneid ge¬
bunden und an öffentlichen Schritten verhindert, ist aber mit ihren Wünschen
für völligen Einschluß; diesen gegenüber steht eine andere Minderzahl von preußen¬
feindlichen Sachsen, die große Mehrzahl des Volkes ist zur Zeit durch gemüthliche
Stimmungen und MeM uM dMch die Furcht vor AblMiZA vM Zollverein hin
und hergeworfen, sie wünscht möglichste Herstellung der alten Verhältnisse, mit
möglichst geringen Opfern und ist bereit, sich Neues gefallen zü lassen, wenn
das Neue besseren Vortheil verspricht. Man ist hier zu Lande behutsam im
Ausdruck seiner Stimmung, aber Eifer und Antipathie, Liebe und Haß sind in
der Stille so geschäftig, daß geselliger Verkehr fast nur unter Gesinnungs¬
genossen möglich wird.

In der That aber ist die Frage nicht nach Sympathien und Antipathien
zu entscheiden, es ist eine Frage großer Interessen geworden, welche einander
gegenüberstehen, zuerst Preußens und des Bundesstaates, dann des erlauchten
königlichen Hauses von Sachsen, endlich des sächsischen Volkes. .

Die Friedenspräliminarien legen Preußen die Verpflichtung auf, das König¬
reich Sachsen in seinem jetzigen Territorialbestande fortdauern zu lassen, geben
ihm aber die Berechtigung, durch einen mit dem König von Sachsen abzuschlie¬
ßenden Vertrag seine Forderung auf Kriegsentschädigung zu reguliren. ebenso
die künftige Stellung Sachsens in dem norddeutschen Bunde festzusetzen. Diese
Praiiminqrbestimmung verpflichtet Preußen gegen Oestreich und in zweiter Linie
gegen das vermittelnde Frankreich, noch nicht gegen Sachsen. Es ist im höch¬
sten Interesse Preußens, diese wie sämmtliche Friedensbedingungen mit loyaler
Gewissenhaftigkeit zu erfüllen, es ist also jede Annexion Sachsens nach Kriegs¬
recht selbstverständlich ausgeschlossen, während solche nach dem Wortlaut des
Friedens bei teri übrigen occuvirten Ländern im Norden des Main in Preu¬
ßens Macht und Willen gestellt ist. Nur in dem Fall, wenn sich ein Vertrag
mit der Majestät von Sachsen auf Grundlage der bundesstaatlichen Forderun¬
gen Preußens als unausführbar erweisen sollte, würde Preußen sich möglicher¬
weise für berechtigt halten, zwar den Territorialbesiand des Königreichs zu
respectiren, aber wegen der Einordnung des Territoriums in den Bundesstaat
mit anderen Faktoren in Verhandlung zu treten. Preußen müßte in diesem Fall
für den nächstberechtigten Interessenten das sächsische Volk selbst in seinem


daß die Frage bereits durch einen Vertrag erledigt ist, während dies ge¬
schrieben wird.

Seit der Schlachtendonner verhallt ist, erregt der Gedanke, was aus Sach¬
sen werden soll, die Gemüther so heftig, wie kaum die Telegramme von den
Schlachtfeldern; Sorge in jedermanns Herzen, Eiser und Erbitterung der Par¬
teien in Zunahme. Es fehlt in Sachsen, wenigstens in Leipzig, nicht ganz an
Anhängern des Einheitstaates, welche bereit wären, öffentlich für Annexion zu
petitioniren, eine größere Zahl fühlt sich durch Staats- oder Beamteneid ge¬
bunden und an öffentlichen Schritten verhindert, ist aber mit ihren Wünschen
für völligen Einschluß; diesen gegenüber steht eine andere Minderzahl von preußen¬
feindlichen Sachsen, die große Mehrzahl des Volkes ist zur Zeit durch gemüthliche
Stimmungen und MeM uM dMch die Furcht vor AblMiZA vM Zollverein hin
und hergeworfen, sie wünscht möglichste Herstellung der alten Verhältnisse, mit
möglichst geringen Opfern und ist bereit, sich Neues gefallen zü lassen, wenn
das Neue besseren Vortheil verspricht. Man ist hier zu Lande behutsam im
Ausdruck seiner Stimmung, aber Eifer und Antipathie, Liebe und Haß sind in
der Stille so geschäftig, daß geselliger Verkehr fast nur unter Gesinnungs¬
genossen möglich wird.

In der That aber ist die Frage nicht nach Sympathien und Antipathien
zu entscheiden, es ist eine Frage großer Interessen geworden, welche einander
gegenüberstehen, zuerst Preußens und des Bundesstaates, dann des erlauchten
königlichen Hauses von Sachsen, endlich des sächsischen Volkes. .

Die Friedenspräliminarien legen Preußen die Verpflichtung auf, das König¬
reich Sachsen in seinem jetzigen Territorialbestande fortdauern zu lassen, geben
ihm aber die Berechtigung, durch einen mit dem König von Sachsen abzuschlie¬
ßenden Vertrag seine Forderung auf Kriegsentschädigung zu reguliren. ebenso
die künftige Stellung Sachsens in dem norddeutschen Bunde festzusetzen. Diese
Praiiminqrbestimmung verpflichtet Preußen gegen Oestreich und in zweiter Linie
gegen das vermittelnde Frankreich, noch nicht gegen Sachsen. Es ist im höch¬
sten Interesse Preußens, diese wie sämmtliche Friedensbedingungen mit loyaler
Gewissenhaftigkeit zu erfüllen, es ist also jede Annexion Sachsens nach Kriegs¬
recht selbstverständlich ausgeschlossen, während solche nach dem Wortlaut des
Friedens bei teri übrigen occuvirten Ländern im Norden des Main in Preu¬
ßens Macht und Willen gestellt ist. Nur in dem Fall, wenn sich ein Vertrag
mit der Majestät von Sachsen auf Grundlage der bundesstaatlichen Forderun¬
gen Preußens als unausführbar erweisen sollte, würde Preußen sich möglicher¬
weise für berechtigt halten, zwar den Territorialbesiand des Königreichs zu
respectiren, aber wegen der Einordnung des Territoriums in den Bundesstaat
mit anderen Faktoren in Verhandlung zu treten. Preußen müßte in diesem Fall
für den nächstberechtigten Interessenten das sächsische Volk selbst in seinem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/264>, abgerufen am 22.07.2024.