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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Freihafen und für deren Durchfuhr durch die anderen Provinzen alle möglichen
Vortheile zugestehen, für außerordentliche Staatssteuern sollte immer die Zu¬
stimmung der Provinzialräthe, die von der Regierung aus höchstbesteuerten No-
tabeln gewählt wurden, erforderlich sein, das Maximum der ordentlichen Steuern
sollte den Ansatz für die übrigen Provinzen nicht übersteigen. Diese Privilegien
wurden übrigens noch so verclausulirt, daß die Integrität der königlichen Macht¬
vollkommenheit möglichst gewahrt blieb. Dieses Elaborat fiel ganz zur Zufrie¬
denheit der Commission aus. Brignoles Amendements und Gegenvorschläge
wurden sämmtlich beseitigt, es blieb nur noch übrig, daß die acht leitenden
Mächte dem Entwurf ihre Sanction ertheilten. Zuvor noch richtete Brignole,
entsprechend seinen Jnstructionen, an sämmtliche Bevollmächtigte einen feier¬
lichen Protest, worin er die gerechten Ansprüche Genuas auf eine eigene poli¬
tische Existenz wiederholte und erklärte, daß weder die Regierung noch das Volk
von Genua die über sie getroffenen Entschließungen als gerecht und legitim
anerkennen könnten und daß sie dagegen an jene ewige Gerechtigkeit appellir-
ten, welche die mißkannten und schwachen Staaten ohne Unterlaß anrufen und
mit fester Zuversicht abwarten müßten. Dies war am 9. December. Am fol¬
genden Tag war die Schlußentscheidung. Brignoles Protest wurde nicht ein¬
mal verlesen, nicht einmal dem Protokoll, das die Reihe der Actenstücke über
die Annexion schloß, einverleibt. Vergnügt konnte San Marzano das Ergeb-
niß an den König melden, der am 17. December seinen Beitritt zu wissen that.
Brignole gab ein nicht von allen seinen Landsleuten befolgtes Beispiel der
Loyalität, indem er sofort erklärte, daß er sich von nun an als getreuen Unter¬
thanen des Königs von Sardinien betrachte und bald darauf in die sardini¬
sche Diplomatie eintrat. Am 7. Januar 1815 nahm Thaon ti Nevel im Namen
des Königs Victor Emanuel Besitz von Ligurien, das lange noch ein Herd
separatistischer Tendenzen blieb und ganz sich erst dann mit seinem Schicksal
aussöhnte, als es nicht mehr zum Königreich Piemont, sondern zum König¬
reich Italien gehörte.




San Marzano und Brignole waren übereingekommen, daß das ligurische
Gebiet, das mit Sardinien vereinigt wurde, dieselben Grenzen haben sollte, wie
die Republik Genua im Jahre 1792, einschließlich der kaiserlichen Lehen, welche
nachmals der ligurischen Republik zugetheilt worden waren. Hierüber gab es
noch einen Streit mit Oestreich, das den Besitz dieser Lehen reclamirte oder sie
nur gegen Herausgabe des Obernovarese Sardinien zugestehen wollte, mit sei¬
ner Forderung jedoch nicht durchdringen konnte.

In den Besitz des Obernov aresischen mit der Simplonstraße zu ge¬
langen, war einer der am hartnäckigst verfolgten Pläne Oestreichs. Nur Ruß.


Freihafen und für deren Durchfuhr durch die anderen Provinzen alle möglichen
Vortheile zugestehen, für außerordentliche Staatssteuern sollte immer die Zu¬
stimmung der Provinzialräthe, die von der Regierung aus höchstbesteuerten No-
tabeln gewählt wurden, erforderlich sein, das Maximum der ordentlichen Steuern
sollte den Ansatz für die übrigen Provinzen nicht übersteigen. Diese Privilegien
wurden übrigens noch so verclausulirt, daß die Integrität der königlichen Macht¬
vollkommenheit möglichst gewahrt blieb. Dieses Elaborat fiel ganz zur Zufrie¬
denheit der Commission aus. Brignoles Amendements und Gegenvorschläge
wurden sämmtlich beseitigt, es blieb nur noch übrig, daß die acht leitenden
Mächte dem Entwurf ihre Sanction ertheilten. Zuvor noch richtete Brignole,
entsprechend seinen Jnstructionen, an sämmtliche Bevollmächtigte einen feier¬
lichen Protest, worin er die gerechten Ansprüche Genuas auf eine eigene poli¬
tische Existenz wiederholte und erklärte, daß weder die Regierung noch das Volk
von Genua die über sie getroffenen Entschließungen als gerecht und legitim
anerkennen könnten und daß sie dagegen an jene ewige Gerechtigkeit appellir-
ten, welche die mißkannten und schwachen Staaten ohne Unterlaß anrufen und
mit fester Zuversicht abwarten müßten. Dies war am 9. December. Am fol¬
genden Tag war die Schlußentscheidung. Brignoles Protest wurde nicht ein¬
mal verlesen, nicht einmal dem Protokoll, das die Reihe der Actenstücke über
die Annexion schloß, einverleibt. Vergnügt konnte San Marzano das Ergeb-
niß an den König melden, der am 17. December seinen Beitritt zu wissen that.
Brignole gab ein nicht von allen seinen Landsleuten befolgtes Beispiel der
Loyalität, indem er sofort erklärte, daß er sich von nun an als getreuen Unter¬
thanen des Königs von Sardinien betrachte und bald darauf in die sardini¬
sche Diplomatie eintrat. Am 7. Januar 1815 nahm Thaon ti Nevel im Namen
des Königs Victor Emanuel Besitz von Ligurien, das lange noch ein Herd
separatistischer Tendenzen blieb und ganz sich erst dann mit seinem Schicksal
aussöhnte, als es nicht mehr zum Königreich Piemont, sondern zum König¬
reich Italien gehörte.




San Marzano und Brignole waren übereingekommen, daß das ligurische
Gebiet, das mit Sardinien vereinigt wurde, dieselben Grenzen haben sollte, wie
die Republik Genua im Jahre 1792, einschließlich der kaiserlichen Lehen, welche
nachmals der ligurischen Republik zugetheilt worden waren. Hierüber gab es
noch einen Streit mit Oestreich, das den Besitz dieser Lehen reclamirte oder sie
nur gegen Herausgabe des Obernovarese Sardinien zugestehen wollte, mit sei¬
ner Forderung jedoch nicht durchdringen konnte.

In den Besitz des Obernov aresischen mit der Simplonstraße zu ge¬
langen, war einer der am hartnäckigst verfolgten Pläne Oestreichs. Nur Ruß.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/26>, abgerufen am 22.07.2024.