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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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men. Zum Wolostgericht werden jährlich von der Wolostversammlung vier bis
zwölf Richter aus den Bauern, welche Theil an der Versammlung nehmen, ge¬
wählt, um nach einander zu functioniren. Das Gericht entscheidet über streitige
Gegenstände bis zum Werthe von 100 Rubeln und über alle durch Kompromiß
an dasselbe gebrachten Streitigkeiten ohne Beschränkung des Werthes; auch hat
es eine gewisse Strafgerichtsbarkeit, die sich auch auf körperliche Strafen er¬
streckt, und gegen deren Urtheile, sofern sie seir^ Kompetenz nicht überschreiten,
keine Berufung stattfindet. Es soll versuchen, die Processe durch Vergleich zu
beendigen und seinen Bescheiden örtliches Herkommen zu Grunde legen. Alle
Beamte werden von der Wolost gewählt und beziehungsweise von den zu ihr
gehörigen Gemeinden, nur der Starschina bedarf der Bestätigung durch den
Friedensrichter und kann nur von diesem abgesetzt werden. Die Gewählten
beziehen theilweise Entschädigung für ihre Bemühungen, die von der Gemeinde
abhängt, und haben gewisse Immunitäten, insbesondere ist der Starschina wäh¬
rend der dreijährigen Dauer seines Amtes und wenn er dasselbe zweimal gut
geführt hat, noch ferner von der Recrutirung frei.




Deutschland und Italien.

Es ist den Italienern im bisherigen Verlauf des Krieges nicht vergönnt
gewesen, sich sonderlicher Erfolge zu rühmen. Patriotische Hingebung, persön¬
lichen Muth und leidenschaftliche Entschlossenheit wird niemand ihnen anzutasten
wagen; dagegen scheint es, wenn nicht dem unberechenbaren Zufall ein großer
Theil des Geschehenen zuzuschreiben, als ob die militärische Organisation des
jungen Staates. Stab. Generalität und taktische Ausbildung der Truppe, für
den Angriff auf langgeübte und von mächtigen Positionen gedeckte Krieger noch
unzureichend sei. Immerhin; der italienische Einheitsstaat wird sich vollenden,
"die militärische Zucht seiner Soldaten, die Kunst seiner Feldherren. sich aus¬
bilden; was auch im ^Einzelnen fehle, wir Deutsche'haben allen Grund, auf
dies kräftig sich erneuende Volk mit hoher Achtung zu schauen.

Mit hoher Achtung Und, leugnen wir es nicht, mit einiger Beschämung.
Es ist doch ein ander Diog, von Freiheit und Einheit zu singen oder mann¬
haft darum zu werben. Wie lange ist es denn her, das, wir'in Deutschland
mit einer gewissen mitleidigen Theilnahme auf die "Illusionen" der Italiener
nickten; es war uns schmerzlich, daß so viel Kraft und Begeisterung Unmög-


men. Zum Wolostgericht werden jährlich von der Wolostversammlung vier bis
zwölf Richter aus den Bauern, welche Theil an der Versammlung nehmen, ge¬
wählt, um nach einander zu functioniren. Das Gericht entscheidet über streitige
Gegenstände bis zum Werthe von 100 Rubeln und über alle durch Kompromiß
an dasselbe gebrachten Streitigkeiten ohne Beschränkung des Werthes; auch hat
es eine gewisse Strafgerichtsbarkeit, die sich auch auf körperliche Strafen er¬
streckt, und gegen deren Urtheile, sofern sie seir^ Kompetenz nicht überschreiten,
keine Berufung stattfindet. Es soll versuchen, die Processe durch Vergleich zu
beendigen und seinen Bescheiden örtliches Herkommen zu Grunde legen. Alle
Beamte werden von der Wolost gewählt und beziehungsweise von den zu ihr
gehörigen Gemeinden, nur der Starschina bedarf der Bestätigung durch den
Friedensrichter und kann nur von diesem abgesetzt werden. Die Gewählten
beziehen theilweise Entschädigung für ihre Bemühungen, die von der Gemeinde
abhängt, und haben gewisse Immunitäten, insbesondere ist der Starschina wäh¬
rend der dreijährigen Dauer seines Amtes und wenn er dasselbe zweimal gut
geführt hat, noch ferner von der Recrutirung frei.




Deutschland und Italien.

Es ist den Italienern im bisherigen Verlauf des Krieges nicht vergönnt
gewesen, sich sonderlicher Erfolge zu rühmen. Patriotische Hingebung, persön¬
lichen Muth und leidenschaftliche Entschlossenheit wird niemand ihnen anzutasten
wagen; dagegen scheint es, wenn nicht dem unberechenbaren Zufall ein großer
Theil des Geschehenen zuzuschreiben, als ob die militärische Organisation des
jungen Staates. Stab. Generalität und taktische Ausbildung der Truppe, für
den Angriff auf langgeübte und von mächtigen Positionen gedeckte Krieger noch
unzureichend sei. Immerhin; der italienische Einheitsstaat wird sich vollenden,
"die militärische Zucht seiner Soldaten, die Kunst seiner Feldherren. sich aus¬
bilden; was auch im ^Einzelnen fehle, wir Deutsche'haben allen Grund, auf
dies kräftig sich erneuende Volk mit hoher Achtung zu schauen.

Mit hoher Achtung Und, leugnen wir es nicht, mit einiger Beschämung.
Es ist doch ein ander Diog, von Freiheit und Einheit zu singen oder mann¬
haft darum zu werben. Wie lange ist es denn her, das, wir'in Deutschland
mit einer gewissen mitleidigen Theilnahme auf die „Illusionen" der Italiener
nickten; es war uns schmerzlich, daß so viel Kraft und Begeisterung Unmög-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/257>, abgerufen am 03.07.2024.