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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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solche Gemeinde bildet eine Wirtschaftseinheit. Die kleinste Einheit in Bezug auf'
Verwaltung, Gerichtswesen und Polizei soll die Wolost sein, bestehend aus Ge¬
meinden, die an einander grenzen. Dieselbe soll nicht bloße BruchtheÜe von
Gemeinden zusammenfassen und stets wenigstens 300 und nicht über 2,000
Seelen männlichen Geschlechts in sich begreifen. Die größte Entfernung zwischen
den verschiedenen Dörfern einer Wolost soll nicht mehr als zwölf Werst betragen.
Bei der Bildung der Woloste ist die jetzige Eintheilung^ in Kirchspiele zu berück¬
sichtigen, mehre der letzteren können dabei vereinigt, keines aber darf dabei ge¬
theilt werden. Stehen orll'lebe Umstände diesen Regeln entgegen, so kann der
Gouverneur Ausnahmen zulassen.

Die Äemeindeverwaltüngsbel)orbe ist aus der Gemeindeversammlung und
dem Gemeindealtesten, Starosten, zusammengesetzt. Außerdem können die Ge¬
meinden Beamte, z. Ä. Steuereinnehmer, Schul- und Magazinaufseher, Schreiber
und Flurwachter anstellen. Die Gemeindeversammlungen bestehen aus den
bäuerlichen Familienhäuptern und allen gewählten Beamten der Gemeinde.
Der Starost, der dieselbe beruft, führt den Vorsitz. Ueberschreitet sie ihre Kom¬
petenz, so sind ihre ÄeschMe null und nichtig, und dasselbe ist der Fall, wenn
nicht wenigstens die Hälfte c-er stimmberechtigten Bauern bei der Beschlußfassung
zugegen war. Der Starost hat die Jurisdiktion über alle im Umfang der Ge¬
meinde wohnenden fopfsteuerpflichtigen Individuen mit Ausnahme der Dienst¬
leute und Hausgenossen des Gutsbesitzers, und das Recht, Strafen bis zu zwei
Tagen Gefängniß oder Arbeit oder einem Rubel Geld zu verhangen. Der Ver-
urtheilte kann sich darüber binnen sieben Tagen beim Friedensrichter beschweren.
Besteht die Wolost nur aus einer Gemeinde, so fallen d'le Functionen des
Starosten mit denen des Wolostältesten zusammen, von dem sogleich die Rede
sein soll, und dem in seinem Amt zwei bis drei Gehilfen zur Seite flehen.

Die Wolostbehörden, welche ihren Sitz möglichst in ^der Mitte oder im
wichtigsten Dorfe der Wolost haben, setzen sich aus der Wolostversammlüng,
dem Wolostältesten (Starschina) unt> dem Wolostgericht zusammen. Die Wolost¬
versammlüng besteht aus den Beamten der Einzelgemeinden und der Wolost, sowie
aus deputirten Bauern, welche in jedem Dorfe der Wolost, je einer von zehn
Häusern, gewählt werden. In den westlichen Provinzen schicken die Landbesitz¬
losen einen Abgeordneten auf zwanzig erwachsene Arbeiter. Den Zeitpunkt für
den Zusammentritt 'der Versammlung bestimmt auf Vorschlag des Starschina
der Friedensrichter. Den Vorsitz 'fuhrt der Star lahm a. Beschwerden über die
gefaßten Beschlüsse sind bei dem Friedensrichter anzubringen. Der Starschina
hat die Ordnung. Ruhe und> Wol)lanständigkeit seines Bezirkes zu überwachen
und wie die Starosten der Polizei auf Verlangen an die Hand zu geben; in
Straffällen hat er dieselbe beschränke Competenz wie der Gemeindeälteste, und
auch von seiner jurisdiction sind die Dienstleute des Gutsbesitzers aüsgenom-


solche Gemeinde bildet eine Wirtschaftseinheit. Die kleinste Einheit in Bezug auf'
Verwaltung, Gerichtswesen und Polizei soll die Wolost sein, bestehend aus Ge¬
meinden, die an einander grenzen. Dieselbe soll nicht bloße BruchtheÜe von
Gemeinden zusammenfassen und stets wenigstens 300 und nicht über 2,000
Seelen männlichen Geschlechts in sich begreifen. Die größte Entfernung zwischen
den verschiedenen Dörfern einer Wolost soll nicht mehr als zwölf Werst betragen.
Bei der Bildung der Woloste ist die jetzige Eintheilung^ in Kirchspiele zu berück¬
sichtigen, mehre der letzteren können dabei vereinigt, keines aber darf dabei ge¬
theilt werden. Stehen orll'lebe Umstände diesen Regeln entgegen, so kann der
Gouverneur Ausnahmen zulassen.

Die Äemeindeverwaltüngsbel)orbe ist aus der Gemeindeversammlung und
dem Gemeindealtesten, Starosten, zusammengesetzt. Außerdem können die Ge¬
meinden Beamte, z. Ä. Steuereinnehmer, Schul- und Magazinaufseher, Schreiber
und Flurwachter anstellen. Die Gemeindeversammlungen bestehen aus den
bäuerlichen Familienhäuptern und allen gewählten Beamten der Gemeinde.
Der Starost, der dieselbe beruft, führt den Vorsitz. Ueberschreitet sie ihre Kom¬
petenz, so sind ihre ÄeschMe null und nichtig, und dasselbe ist der Fall, wenn
nicht wenigstens die Hälfte c-er stimmberechtigten Bauern bei der Beschlußfassung
zugegen war. Der Starost hat die Jurisdiktion über alle im Umfang der Ge¬
meinde wohnenden fopfsteuerpflichtigen Individuen mit Ausnahme der Dienst¬
leute und Hausgenossen des Gutsbesitzers, und das Recht, Strafen bis zu zwei
Tagen Gefängniß oder Arbeit oder einem Rubel Geld zu verhangen. Der Ver-
urtheilte kann sich darüber binnen sieben Tagen beim Friedensrichter beschweren.
Besteht die Wolost nur aus einer Gemeinde, so fallen d'le Functionen des
Starosten mit denen des Wolostältesten zusammen, von dem sogleich die Rede
sein soll, und dem in seinem Amt zwei bis drei Gehilfen zur Seite flehen.

Die Wolostbehörden, welche ihren Sitz möglichst in ^der Mitte oder im
wichtigsten Dorfe der Wolost haben, setzen sich aus der Wolostversammlüng,
dem Wolostältesten (Starschina) unt> dem Wolostgericht zusammen. Die Wolost¬
versammlüng besteht aus den Beamten der Einzelgemeinden und der Wolost, sowie
aus deputirten Bauern, welche in jedem Dorfe der Wolost, je einer von zehn
Häusern, gewählt werden. In den westlichen Provinzen schicken die Landbesitz¬
losen einen Abgeordneten auf zwanzig erwachsene Arbeiter. Den Zeitpunkt für
den Zusammentritt 'der Versammlung bestimmt auf Vorschlag des Starschina
der Friedensrichter. Den Vorsitz 'fuhrt der Star lahm a. Beschwerden über die
gefaßten Beschlüsse sind bei dem Friedensrichter anzubringen. Der Starschina
hat die Ordnung. Ruhe und> Wol)lanständigkeit seines Bezirkes zu überwachen
und wie die Starosten der Polizei auf Verlangen an die Hand zu geben; in
Straffällen hat er dieselbe beschränke Competenz wie der Gemeindeälteste, und
auch von seiner jurisdiction sind die Dienstleute des Gutsbesitzers aüsgenom-


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[0256] solche Gemeinde bildet eine Wirtschaftseinheit. Die kleinste Einheit in Bezug auf' Verwaltung, Gerichtswesen und Polizei soll die Wolost sein, bestehend aus Ge¬ meinden, die an einander grenzen. Dieselbe soll nicht bloße BruchtheÜe von Gemeinden zusammenfassen und stets wenigstens 300 und nicht über 2,000 Seelen männlichen Geschlechts in sich begreifen. Die größte Entfernung zwischen den verschiedenen Dörfern einer Wolost soll nicht mehr als zwölf Werst betragen. Bei der Bildung der Woloste ist die jetzige Eintheilung^ in Kirchspiele zu berück¬ sichtigen, mehre der letzteren können dabei vereinigt, keines aber darf dabei ge¬ theilt werden. Stehen orll'lebe Umstände diesen Regeln entgegen, so kann der Gouverneur Ausnahmen zulassen. Die Äemeindeverwaltüngsbel)orbe ist aus der Gemeindeversammlung und dem Gemeindealtesten, Starosten, zusammengesetzt. Außerdem können die Ge¬ meinden Beamte, z. Ä. Steuereinnehmer, Schul- und Magazinaufseher, Schreiber und Flurwachter anstellen. Die Gemeindeversammlungen bestehen aus den bäuerlichen Familienhäuptern und allen gewählten Beamten der Gemeinde. Der Starost, der dieselbe beruft, führt den Vorsitz. Ueberschreitet sie ihre Kom¬ petenz, so sind ihre ÄeschMe null und nichtig, und dasselbe ist der Fall, wenn nicht wenigstens die Hälfte c-er stimmberechtigten Bauern bei der Beschlußfassung zugegen war. Der Starost hat die Jurisdiktion über alle im Umfang der Ge¬ meinde wohnenden fopfsteuerpflichtigen Individuen mit Ausnahme der Dienst¬ leute und Hausgenossen des Gutsbesitzers, und das Recht, Strafen bis zu zwei Tagen Gefängniß oder Arbeit oder einem Rubel Geld zu verhangen. Der Ver- urtheilte kann sich darüber binnen sieben Tagen beim Friedensrichter beschweren. Besteht die Wolost nur aus einer Gemeinde, so fallen d'le Functionen des Starosten mit denen des Wolostältesten zusammen, von dem sogleich die Rede sein soll, und dem in seinem Amt zwei bis drei Gehilfen zur Seite flehen. Die Wolostbehörden, welche ihren Sitz möglichst in ^der Mitte oder im wichtigsten Dorfe der Wolost haben, setzen sich aus der Wolostversammlüng, dem Wolostältesten (Starschina) unt> dem Wolostgericht zusammen. Die Wolost¬ versammlüng besteht aus den Beamten der Einzelgemeinden und der Wolost, sowie aus deputirten Bauern, welche in jedem Dorfe der Wolost, je einer von zehn Häusern, gewählt werden. In den westlichen Provinzen schicken die Landbesitz¬ losen einen Abgeordneten auf zwanzig erwachsene Arbeiter. Den Zeitpunkt für den Zusammentritt 'der Versammlung bestimmt auf Vorschlag des Starschina der Friedensrichter. Den Vorsitz 'fuhrt der Star lahm a. Beschwerden über die gefaßten Beschlüsse sind bei dem Friedensrichter anzubringen. Der Starschina hat die Ordnung. Ruhe und> Wol)lanständigkeit seines Bezirkes zu überwachen und wie die Starosten der Polizei auf Verlangen an die Hand zu geben; in Straffällen hat er dieselbe beschränke Competenz wie der Gemeindeälteste, und auch von seiner jurisdiction sind die Dienstleute des Gutsbesitzers aüsgenom-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/256>, abgerufen am 23.07.2024.