Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.geväude des Bauernguts, das Ackergeräth und ein Theil des Viehstandes zu Da eine sofortige Entlassung der als Hausgesinde dienenden Leibeignen Aus den auf den Ländereien eines Gutsbesitzers angesiedelten Bauern soll 30*
geväude des Bauernguts, das Ackergeräth und ein Theil des Viehstandes zu Da eine sofortige Entlassung der als Hausgesinde dienenden Leibeignen Aus den auf den Ländereien eines Gutsbesitzers angesiedelten Bauern soll 30*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0255" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285843"/> <p xml:id="ID_770" prev="#ID_769"> geväude des Bauernguts, das Ackergeräth und ein Theil des Viehstandes zu<lb/> dem Erdtheil eines „Erden im Ganzen" gehören, der übrige Nachlaß aber nach<lb/> Maßgabe der allgemeinen Gesetze oder des örtlichen Herkommens unter die<lb/> andern Familienglieder vertheilt wird. Es wird nun bestimmt, daß hier künftig<lb/> überall nach den localen Sitten und Gebräuchen verfahren werden soll.</p><lb/> <p xml:id="ID_771"> Da eine sofortige Entlassung der als Hausgesinde dienenden Leibeignen<lb/> mit Uebelständen verknüpft sein würde, so sollen dieselben noch zwei Jahre in<lb/> der Dienstpflicht bleiben, wofür sie von dem Herrn unterhalten werden und<lb/> einen von ihm zu bestimmenden Geldlohn bekommen sollen. Weitere Verlänge¬<lb/> rung der Dienstpflicht ist auch für solche bisher leibeigne Leute, welche auf<lb/> Kosten ihres Herrn ein Handwerk oder eine Kunst erlernt haben, nicht statthaft.<lb/> Die Steuern für dieses Hausgesinde sind von dem Herr zu zahlen, dasselbe<lb/> unterliegt während der Zeit der Recrutirung nicht, und diese Befreiung wild für<lb/> die, welche sich in eine Stadtgemeinde einschreiben lassen, um zwei, für die. welche<lb/> einer Landgemeinde beitreten, um sechs Jahre verlängert. Was die Hofleute<lb/> betrifft, welche außerhalb des Hofes ihren Unterhalt suchen, indem sie entweder<lb/> dem Herrn einen Obrok bezahlen oder von ihm davon befreit sind, so können<lb/> sie von ihm nicht gegen ihren Willen zu einer persönlichen Dienstleistung zurück¬<lb/> berufen werden. Auch darf ihr jährlicher Obrok nicht erhöht werden und in<lb/> keinem Fall 30 Rubel für den erwachsenen Mann und 10 Rubel für die Frau<lb/> übersteigen. Wird der Obrok nicht voll erlegt, so können die Leute auf An¬<lb/> halten des Gutsbesitzers von der Behörde zu Diensten außerhalb seines Hauses<lb/> gezwungen werden. Das Recht der Herren, die Dienste ihrer Leute auf andre<lb/> Personen zu übertragen, ist, Erbfälle, Theilungen eines erblichen Gutes oder<lb/> Abtretungen solcher von Seiten der Eltern an die Kinder ausgenommen, fortan<lb/> aufgehoben. In Fällen von Bedrückung der Hofleute durch die Gutsbesitzer<lb/> haben sich die ersteren an den Friedensrichter ihres Ortes oder, wo kein solcher<lb/> vorhanden, an den Adelsmarschall des Bezirks um Abhilfe zu wenden. Mi߬<lb/> handlung derselben löst das Dienstverhältniß sofort auf. Vergehen sie sich durch<lb/> Friedensstörung, Pflichtversäumniß oder liederliches Betragen, so kann sie der<lb/> Gutsbesitzer, dem die Gerichtsbarkeit über sie nun nicht mehr zusteht, durch die<lb/> Polizei bestrafen lassen, welche dabei die im Reglement vorgeschriebenen Be¬<lb/> dingungen zu beobachten hat. Nach dem 19. Februar 1863 sind die Hausleute<lb/> aller Verpflichtungen gegen ihre bisherigen Besitzer vollkommen ledig, und es<lb/> ist ihnen dann anheimgestellt, welchen von den steuerpflichtigen Ständen sie<lb/> wählen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_772" next="#ID_773"> Aus den auf den Ländereien eines Gutsbesitzers angesiedelten Bauern soll<lb/> sich eine Bauerngemeinde bilden, die entweder aus der ganzen Bevölkerung<lb/> eines Dorfes oder aus mehren Dörfern oder Gehöften, welche gemeinsame Be¬<lb/> nutzung eines Theiles der gedachten Ländereien haben, bestehen kann. Eine</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig"> 30*</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0255]
geväude des Bauernguts, das Ackergeräth und ein Theil des Viehstandes zu
dem Erdtheil eines „Erden im Ganzen" gehören, der übrige Nachlaß aber nach
Maßgabe der allgemeinen Gesetze oder des örtlichen Herkommens unter die
andern Familienglieder vertheilt wird. Es wird nun bestimmt, daß hier künftig
überall nach den localen Sitten und Gebräuchen verfahren werden soll.
Da eine sofortige Entlassung der als Hausgesinde dienenden Leibeignen
mit Uebelständen verknüpft sein würde, so sollen dieselben noch zwei Jahre in
der Dienstpflicht bleiben, wofür sie von dem Herrn unterhalten werden und
einen von ihm zu bestimmenden Geldlohn bekommen sollen. Weitere Verlänge¬
rung der Dienstpflicht ist auch für solche bisher leibeigne Leute, welche auf
Kosten ihres Herrn ein Handwerk oder eine Kunst erlernt haben, nicht statthaft.
Die Steuern für dieses Hausgesinde sind von dem Herr zu zahlen, dasselbe
unterliegt während der Zeit der Recrutirung nicht, und diese Befreiung wild für
die, welche sich in eine Stadtgemeinde einschreiben lassen, um zwei, für die. welche
einer Landgemeinde beitreten, um sechs Jahre verlängert. Was die Hofleute
betrifft, welche außerhalb des Hofes ihren Unterhalt suchen, indem sie entweder
dem Herrn einen Obrok bezahlen oder von ihm davon befreit sind, so können
sie von ihm nicht gegen ihren Willen zu einer persönlichen Dienstleistung zurück¬
berufen werden. Auch darf ihr jährlicher Obrok nicht erhöht werden und in
keinem Fall 30 Rubel für den erwachsenen Mann und 10 Rubel für die Frau
übersteigen. Wird der Obrok nicht voll erlegt, so können die Leute auf An¬
halten des Gutsbesitzers von der Behörde zu Diensten außerhalb seines Hauses
gezwungen werden. Das Recht der Herren, die Dienste ihrer Leute auf andre
Personen zu übertragen, ist, Erbfälle, Theilungen eines erblichen Gutes oder
Abtretungen solcher von Seiten der Eltern an die Kinder ausgenommen, fortan
aufgehoben. In Fällen von Bedrückung der Hofleute durch die Gutsbesitzer
haben sich die ersteren an den Friedensrichter ihres Ortes oder, wo kein solcher
vorhanden, an den Adelsmarschall des Bezirks um Abhilfe zu wenden. Mi߬
handlung derselben löst das Dienstverhältniß sofort auf. Vergehen sie sich durch
Friedensstörung, Pflichtversäumniß oder liederliches Betragen, so kann sie der
Gutsbesitzer, dem die Gerichtsbarkeit über sie nun nicht mehr zusteht, durch die
Polizei bestrafen lassen, welche dabei die im Reglement vorgeschriebenen Be¬
dingungen zu beobachten hat. Nach dem 19. Februar 1863 sind die Hausleute
aller Verpflichtungen gegen ihre bisherigen Besitzer vollkommen ledig, und es
ist ihnen dann anheimgestellt, welchen von den steuerpflichtigen Ständen sie
wählen wollen.
Aus den auf den Ländereien eines Gutsbesitzers angesiedelten Bauern soll
sich eine Bauerngemeinde bilden, die entweder aus der ganzen Bevölkerung
eines Dorfes oder aus mehren Dörfern oder Gehöften, welche gemeinsame Be¬
nutzung eines Theiles der gedachten Ländereien haben, bestehen kann. Eine
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