Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Bauernfrage verwandelt. Neben demselben wurde eine landwirthschaftlicke Ab-
theilung des statistischen Centralcomit6 des Ministeriums des Innern zur vor¬
läufigen Bearbeitung aller die bäuerlichen Einrichtungen des Reichs betreffenden
Fragen und eine besondere Commission beim Hauptcomite zur vorläufigen Prü¬
fung der Entwürfe der Gouvernementscvmü6s errichtet. Jene konnte auch (Gou¬
verneure, Landesmarschälle und Gutsbesitzer, sowie sonstige Sachverständige mit
Stimmrecht zu ihren Berathungeri ziehen. Die besondere Commission, aus
Lanskoj. Gras Parm und den Generalen Murawiew und Rostowzew bestehend,
hatte das Recht, von den Gouvernementscomilss gewählte Mitglieder, zwei
von jedem derselben, zu ihren Sitzungen einzuladen^ um deren Meinung zu
hören.

Inzwischen hatten die Gouverneure in den Provinzen des eigentlichen
Rusland den dortigen Adel bearbeitet, und von den verschiedensten Seiten
gingen Adressen des letzteren ein, welche sich mit den Absichten der Regierung
mehr oder weniger einverstanden erklärten. In allen Antwortsschreiben des
Kaisers wurden dieselben Grundsätze für die Thätigkeit der durch diese Schreiben
neu einberufenen russischen Gouvernementscomitss aufgestellt, wie in den Re-
scripten an Nasimow und Jgnatiew.

Als die Gouvernementscomitss eröffnet wurden, theilten sie sich fast a^le
in ablehnende Majoritäten und zustimmende Minoritäten, so daß die Regierung
bedeutende Abweichungen der Conn6entwürfe von ihren Absichten zu besorgen
hatte. So entschloß man sich, noch ausführlichere Regeln zur Leitung der Ver¬
handlungen vorzuschreiben, was durch Circular des Ministers des Innern vom
21. April geschah. Dem Adel mißfielen diese Regeln, welche die Beschäftigungen der
Comites in drei Perioden theilten, als Vorentscheidungen der aufgestellten Fragen
sehr. Die Regierung aber kehrte sich dare.n nicht. Sie bestimmte, alle Arbeiten
der ersten Periode, in welcher man sich über die allgemeinen Grundsätze der
Bauernbefreiung verständigen sollte, seien binnen sechs Monaten zu beendigen,
die Ergebnisse dann dem Ministerium des Innern einzusenden und die Gou-
vernementscomitüs hierauf einstweilen zu schließen, um nach Bestätigung ihrer
Entwürfe durch den Kaiser wieder zusammenzutreten und in der zweiten Periode
die Ausführung zu erörtern, wobei auch Materialien gesammelt werden sollten
zur Anfertigung eines detaillirtcn Agrarstatuts, welches in der dritten Periode
anzufertigen sein würde.

Am 18. Oktober 18S8 faßte das HauptcomM noch eine Reshe von Be¬
schlüssen, welche auf noch zweckmäßigere Leitung der Arbeiten der Gouvernem?nts-
cvmit6s und noch genauere Prüfung der Entwürfe derselben abzielten und die
Entwerfung besonderer Gesetze verfügten, die man für unentbehrlich hielt, wenn
das neue Reglement Erfolg haben sollte.

Inzwischen liefen allmälig die Entwürfe der GouvernementscomittSs in
'


Ginijbotcn III- !8teil, 30

Bauernfrage verwandelt. Neben demselben wurde eine landwirthschaftlicke Ab-
theilung des statistischen Centralcomit6 des Ministeriums des Innern zur vor¬
läufigen Bearbeitung aller die bäuerlichen Einrichtungen des Reichs betreffenden
Fragen und eine besondere Commission beim Hauptcomite zur vorläufigen Prü¬
fung der Entwürfe der Gouvernementscvmü6s errichtet. Jene konnte auch (Gou¬
verneure, Landesmarschälle und Gutsbesitzer, sowie sonstige Sachverständige mit
Stimmrecht zu ihren Berathungeri ziehen. Die besondere Commission, aus
Lanskoj. Gras Parm und den Generalen Murawiew und Rostowzew bestehend,
hatte das Recht, von den Gouvernementscomilss gewählte Mitglieder, zwei
von jedem derselben, zu ihren Sitzungen einzuladen^ um deren Meinung zu
hören.

Inzwischen hatten die Gouverneure in den Provinzen des eigentlichen
Rusland den dortigen Adel bearbeitet, und von den verschiedensten Seiten
gingen Adressen des letzteren ein, welche sich mit den Absichten der Regierung
mehr oder weniger einverstanden erklärten. In allen Antwortsschreiben des
Kaisers wurden dieselben Grundsätze für die Thätigkeit der durch diese Schreiben
neu einberufenen russischen Gouvernementscomitss aufgestellt, wie in den Re-
scripten an Nasimow und Jgnatiew.

Als die Gouvernementscomitss eröffnet wurden, theilten sie sich fast a^le
in ablehnende Majoritäten und zustimmende Minoritäten, so daß die Regierung
bedeutende Abweichungen der Conn6entwürfe von ihren Absichten zu besorgen
hatte. So entschloß man sich, noch ausführlichere Regeln zur Leitung der Ver¬
handlungen vorzuschreiben, was durch Circular des Ministers des Innern vom
21. April geschah. Dem Adel mißfielen diese Regeln, welche die Beschäftigungen der
Comites in drei Perioden theilten, als Vorentscheidungen der aufgestellten Fragen
sehr. Die Regierung aber kehrte sich dare.n nicht. Sie bestimmte, alle Arbeiten
der ersten Periode, in welcher man sich über die allgemeinen Grundsätze der
Bauernbefreiung verständigen sollte, seien binnen sechs Monaten zu beendigen,
die Ergebnisse dann dem Ministerium des Innern einzusenden und die Gou-
vernementscomitüs hierauf einstweilen zu schließen, um nach Bestätigung ihrer
Entwürfe durch den Kaiser wieder zusammenzutreten und in der zweiten Periode
die Ausführung zu erörtern, wobei auch Materialien gesammelt werden sollten
zur Anfertigung eines detaillirtcn Agrarstatuts, welches in der dritten Periode
anzufertigen sein würde.

Am 18. Oktober 18S8 faßte das HauptcomM noch eine Reshe von Be¬
schlüssen, welche auf noch zweckmäßigere Leitung der Arbeiten der Gouvernem?nts-
cvmit6s und noch genauere Prüfung der Entwürfe derselben abzielten und die
Entwerfung besonderer Gesetze verfügten, die man für unentbehrlich hielt, wenn
das neue Reglement Erfolg haben sollte.

Inzwischen liefen allmälig die Entwürfe der GouvernementscomittSs in
'


Ginijbotcn III- !8teil, 30
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0253" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285841"/>
          <p xml:id="ID_760" prev="#ID_759"> Bauernfrage verwandelt. Neben demselben wurde eine landwirthschaftlicke Ab-<lb/>
theilung des statistischen Centralcomit6 des Ministeriums des Innern zur vor¬<lb/>
läufigen Bearbeitung aller die bäuerlichen Einrichtungen des Reichs betreffenden<lb/>
Fragen und eine besondere Commission beim Hauptcomite zur vorläufigen Prü¬<lb/>
fung der Entwürfe der Gouvernementscvmü6s errichtet. Jene konnte auch (Gou¬<lb/>
verneure, Landesmarschälle und Gutsbesitzer, sowie sonstige Sachverständige mit<lb/>
Stimmrecht zu ihren Berathungeri ziehen. Die besondere Commission, aus<lb/>
Lanskoj. Gras Parm und den Generalen Murawiew und Rostowzew bestehend,<lb/>
hatte das Recht, von den Gouvernementscomilss gewählte Mitglieder, zwei<lb/>
von jedem derselben, zu ihren Sitzungen einzuladen^ um deren Meinung zu<lb/>
hören.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_761"> Inzwischen hatten die Gouverneure in den Provinzen des eigentlichen<lb/>
Rusland den dortigen Adel bearbeitet, und von den verschiedensten Seiten<lb/>
gingen Adressen des letzteren ein, welche sich mit den Absichten der Regierung<lb/>
mehr oder weniger einverstanden erklärten. In allen Antwortsschreiben des<lb/>
Kaisers wurden dieselben Grundsätze für die Thätigkeit der durch diese Schreiben<lb/>
neu einberufenen russischen Gouvernementscomitss aufgestellt, wie in den Re-<lb/>
scripten an Nasimow und Jgnatiew.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_762"> Als die Gouvernementscomitss eröffnet wurden, theilten sie sich fast a^le<lb/>
in ablehnende Majoritäten und zustimmende Minoritäten, so daß die Regierung<lb/>
bedeutende Abweichungen der Conn6entwürfe von ihren Absichten zu besorgen<lb/>
hatte. So entschloß man sich, noch ausführlichere Regeln zur Leitung der Ver¬<lb/>
handlungen vorzuschreiben, was durch Circular des Ministers des Innern vom<lb/>
21. April geschah. Dem Adel mißfielen diese Regeln, welche die Beschäftigungen der<lb/>
Comites in drei Perioden theilten, als Vorentscheidungen der aufgestellten Fragen<lb/>
sehr. Die Regierung aber kehrte sich dare.n nicht. Sie bestimmte, alle Arbeiten<lb/>
der ersten Periode, in welcher man sich über die allgemeinen Grundsätze der<lb/>
Bauernbefreiung verständigen sollte, seien binnen sechs Monaten zu beendigen,<lb/>
die Ergebnisse dann dem Ministerium des Innern einzusenden und die Gou-<lb/>
vernementscomitüs hierauf einstweilen zu schließen, um nach Bestätigung ihrer<lb/>
Entwürfe durch den Kaiser wieder zusammenzutreten und in der zweiten Periode<lb/>
die Ausführung zu erörtern, wobei auch Materialien gesammelt werden sollten<lb/>
zur Anfertigung eines detaillirtcn Agrarstatuts, welches in der dritten Periode<lb/>
anzufertigen sein würde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_763"> Am 18. Oktober 18S8 faßte das HauptcomM noch eine Reshe von Be¬<lb/>
schlüssen, welche auf noch zweckmäßigere Leitung der Arbeiten der Gouvernem?nts-<lb/>
cvmit6s und noch genauere Prüfung der Entwürfe derselben abzielten und die<lb/>
Entwerfung besonderer Gesetze verfügten, die man für unentbehrlich hielt, wenn<lb/>
das neue Reglement Erfolg haben sollte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_764" next="#ID_765"> Inzwischen liefen allmälig die Entwürfe der GouvernementscomittSs in<lb/>
'</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Ginijbotcn III- !8teil, 30</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0253] Bauernfrage verwandelt. Neben demselben wurde eine landwirthschaftlicke Ab- theilung des statistischen Centralcomit6 des Ministeriums des Innern zur vor¬ läufigen Bearbeitung aller die bäuerlichen Einrichtungen des Reichs betreffenden Fragen und eine besondere Commission beim Hauptcomite zur vorläufigen Prü¬ fung der Entwürfe der Gouvernementscvmü6s errichtet. Jene konnte auch (Gou¬ verneure, Landesmarschälle und Gutsbesitzer, sowie sonstige Sachverständige mit Stimmrecht zu ihren Berathungeri ziehen. Die besondere Commission, aus Lanskoj. Gras Parm und den Generalen Murawiew und Rostowzew bestehend, hatte das Recht, von den Gouvernementscomilss gewählte Mitglieder, zwei von jedem derselben, zu ihren Sitzungen einzuladen^ um deren Meinung zu hören. Inzwischen hatten die Gouverneure in den Provinzen des eigentlichen Rusland den dortigen Adel bearbeitet, und von den verschiedensten Seiten gingen Adressen des letzteren ein, welche sich mit den Absichten der Regierung mehr oder weniger einverstanden erklärten. In allen Antwortsschreiben des Kaisers wurden dieselben Grundsätze für die Thätigkeit der durch diese Schreiben neu einberufenen russischen Gouvernementscomitss aufgestellt, wie in den Re- scripten an Nasimow und Jgnatiew. Als die Gouvernementscomitss eröffnet wurden, theilten sie sich fast a^le in ablehnende Majoritäten und zustimmende Minoritäten, so daß die Regierung bedeutende Abweichungen der Conn6entwürfe von ihren Absichten zu besorgen hatte. So entschloß man sich, noch ausführlichere Regeln zur Leitung der Ver¬ handlungen vorzuschreiben, was durch Circular des Ministers des Innern vom 21. April geschah. Dem Adel mißfielen diese Regeln, welche die Beschäftigungen der Comites in drei Perioden theilten, als Vorentscheidungen der aufgestellten Fragen sehr. Die Regierung aber kehrte sich dare.n nicht. Sie bestimmte, alle Arbeiten der ersten Periode, in welcher man sich über die allgemeinen Grundsätze der Bauernbefreiung verständigen sollte, seien binnen sechs Monaten zu beendigen, die Ergebnisse dann dem Ministerium des Innern einzusenden und die Gou- vernementscomitüs hierauf einstweilen zu schließen, um nach Bestätigung ihrer Entwürfe durch den Kaiser wieder zusammenzutreten und in der zweiten Periode die Ausführung zu erörtern, wobei auch Materialien gesammelt werden sollten zur Anfertigung eines detaillirtcn Agrarstatuts, welches in der dritten Periode anzufertigen sein würde. Am 18. Oktober 18S8 faßte das HauptcomM noch eine Reshe von Be¬ schlüssen, welche auf noch zweckmäßigere Leitung der Arbeiten der Gouvernem?nts- cvmit6s und noch genauere Prüfung der Entwürfe derselben abzielten und die Entwerfung besonderer Gesetze verfügten, die man für unentbehrlich hielt, wenn das neue Reglement Erfolg haben sollte. Inzwischen liefen allmälig die Entwürfe der GouvernementscomittSs in ' Ginijbotcn III- !8teil, 30

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/253
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/253>, abgerufen am 22.07.2024.