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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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sich führen müsse. Mit Behagen wurden Gerüchte über Widersetzlichkeiten bei
Einkleidung der Landwehr verbreitet, und wohl im Stillen gewünscht, wie denn
in einzelnen Gemeinden den eingezogenen Landwehrmännern von dem Geist¬
lichen zur Pflicht gemacht worden sein soll, auf ihre östreichischen Glaubens¬
genossen nicht scharf zu schießen, eine Ermahnung, die von den kampflustigen
Soldaten im östreichischen Kugelregen sehr bald vergessen worden fein dürfte.
-- Düstere Prophezeiungen wurden eifrig colportirt; jetzt, hieß eS in diesen
Kreisen, sei die Zeit erfüllet, von der die (auch in die vinckesche Sammlung
aufgenommen) alte westfälische Sage meldet "von der Schlacht am Birkenbaum
bei Werk", in welcher ein starker Fürst den ganzen Süden zum Kampf und
Sieg führen werde für den einen wahren Glauben:


"Von Mittag wird er kommen und trägt ein weißes Kleid (!)
Und von der Brust des Fürsten ein Kreuz erglänzet weit!"

Bei den Wahlen zum Hause der Abgeordneten vereinigte sich diese Fraction.
da sie nur in wenigen Bezirken eine eigene Candidatur aufzustellen im Stande
war. vielfach mit ihren bisherigen ärgsten Gegnern, dem radicalsten Theile der
Fortschrittspartei, den "Programmsesten Nichtbewilligernum durch die Ver¬
weigerung der Mittel zur Kriegführung letztern unmöglich zu machen; und einer
der begütertsten und einflußreichsten Magnaten, ein Sprecher der Provinzial-
stände, motivirte diese Nichtbewilligung, indem er öffentlich in einer Borwahl¬
versammlung den Krieg mit Oestreich für einen ungerechten erklärte. In der¬
selben Weise wie mit den Radicalen liebäugelten aber gleichzeitig die Ultra¬
montanen auch mit der kleinen Schaar der feudalen Anhänger des Nundschauers.
und das Bündniß mit Victor Emanuel und Garibaldi, mit der gekrönten und
ungekrönten Revolution, war eine unversiegbare Quelle tugendhafter Entrüstung,
bei welcher namentlich auch die alten Deductionen von der Unentbehrlichst des
Festungsvierecks für die Sicherheit Deutschlands eine große Rolle spielten.
Beim Beginn des Kampfes wurden nun aber zugleich die theils mehr, theils
weniger verschämten Versuche gemacht, dem Krieg den ihm gänzlich fremden
Charakter eines Religionskriegs aufzudrücken. Die so oft gehörten und oft
widerlegten unbegründeten Klagen über den Mangel an Parität in Preußen
wurden mit Emphase wiederholt, dagegen die günstige Stellung der evange¬
lischen Kirche in Oestreich überschwänglick/gepriesen, freilich ohne der Mittel zu
gedenken, durch welche man in Tirol die Glaubenseinheit zu erhalten strebt.
Zugleich wurde in Form einer anscheinenden Widerlegung die Behauptung ver¬
breitet, daß Seitens der Protestanten der Krieg als ein Kreuzzug wider den
Katholicismus, als eine Fortsetzung des dreißigjährigen Krieges angesehen werde,
und die Blätter dieser Partei entblödeten sich nicht, öffentlich zu versichern, daß
die Katholiken in den östlichen Provinzen des preußischen Staats ihres Lebens
nicht mehr sicher seien. An die Adresse dieser Fraction war daher die nur


sich führen müsse. Mit Behagen wurden Gerüchte über Widersetzlichkeiten bei
Einkleidung der Landwehr verbreitet, und wohl im Stillen gewünscht, wie denn
in einzelnen Gemeinden den eingezogenen Landwehrmännern von dem Geist¬
lichen zur Pflicht gemacht worden sein soll, auf ihre östreichischen Glaubens¬
genossen nicht scharf zu schießen, eine Ermahnung, die von den kampflustigen
Soldaten im östreichischen Kugelregen sehr bald vergessen worden fein dürfte.
— Düstere Prophezeiungen wurden eifrig colportirt; jetzt, hieß eS in diesen
Kreisen, sei die Zeit erfüllet, von der die (auch in die vinckesche Sammlung
aufgenommen) alte westfälische Sage meldet „von der Schlacht am Birkenbaum
bei Werk", in welcher ein starker Fürst den ganzen Süden zum Kampf und
Sieg führen werde für den einen wahren Glauben:


„Von Mittag wird er kommen und trägt ein weißes Kleid (!)
Und von der Brust des Fürsten ein Kreuz erglänzet weit!"

Bei den Wahlen zum Hause der Abgeordneten vereinigte sich diese Fraction.
da sie nur in wenigen Bezirken eine eigene Candidatur aufzustellen im Stande
war. vielfach mit ihren bisherigen ärgsten Gegnern, dem radicalsten Theile der
Fortschrittspartei, den „Programmsesten Nichtbewilligernum durch die Ver¬
weigerung der Mittel zur Kriegführung letztern unmöglich zu machen; und einer
der begütertsten und einflußreichsten Magnaten, ein Sprecher der Provinzial-
stände, motivirte diese Nichtbewilligung, indem er öffentlich in einer Borwahl¬
versammlung den Krieg mit Oestreich für einen ungerechten erklärte. In der¬
selben Weise wie mit den Radicalen liebäugelten aber gleichzeitig die Ultra¬
montanen auch mit der kleinen Schaar der feudalen Anhänger des Nundschauers.
und das Bündniß mit Victor Emanuel und Garibaldi, mit der gekrönten und
ungekrönten Revolution, war eine unversiegbare Quelle tugendhafter Entrüstung,
bei welcher namentlich auch die alten Deductionen von der Unentbehrlichst des
Festungsvierecks für die Sicherheit Deutschlands eine große Rolle spielten.
Beim Beginn des Kampfes wurden nun aber zugleich die theils mehr, theils
weniger verschämten Versuche gemacht, dem Krieg den ihm gänzlich fremden
Charakter eines Religionskriegs aufzudrücken. Die so oft gehörten und oft
widerlegten unbegründeten Klagen über den Mangel an Parität in Preußen
wurden mit Emphase wiederholt, dagegen die günstige Stellung der evange¬
lischen Kirche in Oestreich überschwänglick/gepriesen, freilich ohne der Mittel zu
gedenken, durch welche man in Tirol die Glaubenseinheit zu erhalten strebt.
Zugleich wurde in Form einer anscheinenden Widerlegung die Behauptung ver¬
breitet, daß Seitens der Protestanten der Krieg als ein Kreuzzug wider den
Katholicismus, als eine Fortsetzung des dreißigjährigen Krieges angesehen werde,
und die Blätter dieser Partei entblödeten sich nicht, öffentlich zu versichern, daß
die Katholiken in den östlichen Provinzen des preußischen Staats ihres Lebens
nicht mehr sicher seien. An die Adresse dieser Fraction war daher die nur


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/242>, abgerufen am 22.07.2024.