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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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während Holland, auf England erbittert, sich eng an Rußland anschloß, dessen
Maximen annahm, dessen Entwürfe begünstigte. Auf diese Weise sah sich Oest¬
reich, einzig auf die Freundschaft Englands angewiesen, dessen Industrie und
Handel jedoch der Entwickelung seiner inneren Wohlfahrt im Wege stehen, von
drohenden Wolken umringt, wahrend in der Kette, welche seinen ehrgeizigen
Plänen Halt gebieten, ja die bloße Ausübung seiner Kräfte hemmen sollte,
zwei Mächte standen, deren Bedeutung es unterschätzt, deren gerechten Groll
es herausgefordert hatte."

Alle diese Hoffnungen seien jedoch, heißt es dann weiter, durch den inneren
Kampf der Parteien in Bayern, von welchen die östreichische, die des Kron¬
prinzen, den Sieg davon getragen, gänzlich zertrümmert worden, und man müsse
nunmehr verzichten auf den großen Plan, der gleichwohl immer ein Ruhm für
seine Urheber bleiben werde. Bayern wird eine östreichische Provinz werden,
Dank dem Eifer, mit welchem man sichtbar die Grundsätze des wiener Cabinets
annimmt und seinen Interessen dient. Der Einfluß, den der Kronprinz er¬
langen wird, das Gewicht des Fürsten Wrede, die Neigungen des Adels werden
schließlich das von der antiöstreichischen Partei unterwühlte Gebäude vollends
von Grund aus umstürzen. Für Italien aber müsse es immer ein höchstes
Interesse sein, die Politik dieser Macht zu verfolgen und an ihr einen Bundes¬
genossen gegen Oestreich zu gewinnen.

Man kann dem ganzen Entwurf, die kleineren Staaten zu einem vom
Mittelmeer bis zur Nordsee reichenden Bunde zu vereinigen, der freilich selbst
wieder auf den Schutz einer Großmacht. Rußlands, angewiesen war, eine ge¬
wisse Großartigkeit nicht absprechen. Nur hätte Sardinien, auch wenn nicht
schon die ersten Versuche gescheitert wären, sicher gar bald die Erfahrung ge¬
macht, daß ein Bund von Mlnderstcuten an sich noch keine Stärke ausmacht,
ganz abgesehen von den weit auseinanderliegenden Interessen, welche hier einem
Zwecke untergeordnet werden sollten. Piemont hatte ein einziges Staatsinteresse:
die Uebermacht Oestreichs zu bekämpfen. Auch die anderen kleineren Staaten
hatten dieses Interesse, aber nicht in demselben Grade und nicht so ausschließlich
wie Sardinien, und dies war der Rechnungsfehler bei der Idee eines Bundes
der Mindcrmächtigen. Beweist sie, wie unermüdlich und erfinderisch die pie-
montefische Diplomatie in ihren Anstrengungen gegen Oestreich war, so war sie
doch im Grund nur ein verfehltes Herumtasten, eine Verirrung, hervorgegangen
aus der Ablehnung der einzig richtigen Allianz für Piemont: der italienischen
Nationalität.

Ganz besonderen Beifall hatte jener Plan bei de Maistre in Se. Peters¬
burg gefunden. Er schrieb im December 1816 an Graf Valcsia: er sei außer
sich vor Freude und nehme die jüngst erhaltenen Jnstructionen, die so ganz mit
seinen Ansichten übereinstimmten, zum täglichen Führer für seine diplomatische


während Holland, auf England erbittert, sich eng an Rußland anschloß, dessen
Maximen annahm, dessen Entwürfe begünstigte. Auf diese Weise sah sich Oest¬
reich, einzig auf die Freundschaft Englands angewiesen, dessen Industrie und
Handel jedoch der Entwickelung seiner inneren Wohlfahrt im Wege stehen, von
drohenden Wolken umringt, wahrend in der Kette, welche seinen ehrgeizigen
Plänen Halt gebieten, ja die bloße Ausübung seiner Kräfte hemmen sollte,
zwei Mächte standen, deren Bedeutung es unterschätzt, deren gerechten Groll
es herausgefordert hatte."

Alle diese Hoffnungen seien jedoch, heißt es dann weiter, durch den inneren
Kampf der Parteien in Bayern, von welchen die östreichische, die des Kron¬
prinzen, den Sieg davon getragen, gänzlich zertrümmert worden, und man müsse
nunmehr verzichten auf den großen Plan, der gleichwohl immer ein Ruhm für
seine Urheber bleiben werde. Bayern wird eine östreichische Provinz werden,
Dank dem Eifer, mit welchem man sichtbar die Grundsätze des wiener Cabinets
annimmt und seinen Interessen dient. Der Einfluß, den der Kronprinz er¬
langen wird, das Gewicht des Fürsten Wrede, die Neigungen des Adels werden
schließlich das von der antiöstreichischen Partei unterwühlte Gebäude vollends
von Grund aus umstürzen. Für Italien aber müsse es immer ein höchstes
Interesse sein, die Politik dieser Macht zu verfolgen und an ihr einen Bundes¬
genossen gegen Oestreich zu gewinnen.

Man kann dem ganzen Entwurf, die kleineren Staaten zu einem vom
Mittelmeer bis zur Nordsee reichenden Bunde zu vereinigen, der freilich selbst
wieder auf den Schutz einer Großmacht. Rußlands, angewiesen war, eine ge¬
wisse Großartigkeit nicht absprechen. Nur hätte Sardinien, auch wenn nicht
schon die ersten Versuche gescheitert wären, sicher gar bald die Erfahrung ge¬
macht, daß ein Bund von Mlnderstcuten an sich noch keine Stärke ausmacht,
ganz abgesehen von den weit auseinanderliegenden Interessen, welche hier einem
Zwecke untergeordnet werden sollten. Piemont hatte ein einziges Staatsinteresse:
die Uebermacht Oestreichs zu bekämpfen. Auch die anderen kleineren Staaten
hatten dieses Interesse, aber nicht in demselben Grade und nicht so ausschließlich
wie Sardinien, und dies war der Rechnungsfehler bei der Idee eines Bundes
der Mindcrmächtigen. Beweist sie, wie unermüdlich und erfinderisch die pie-
montefische Diplomatie in ihren Anstrengungen gegen Oestreich war, so war sie
doch im Grund nur ein verfehltes Herumtasten, eine Verirrung, hervorgegangen
aus der Ablehnung der einzig richtigen Allianz für Piemont: der italienischen
Nationalität.

Ganz besonderen Beifall hatte jener Plan bei de Maistre in Se. Peters¬
burg gefunden. Er schrieb im December 1816 an Graf Valcsia: er sei außer
sich vor Freude und nehme die jüngst erhaltenen Jnstructionen, die so ganz mit
seinen Ansichten übereinstimmten, zum täglichen Führer für seine diplomatische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/235>, abgerufen am 22.07.2024.