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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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unzuverlässig jene Macht ist. wie sie durch ihre Gebietsvergrößerung in Italien
übermächtig geworden ist und wie es für den, der die Geschichte kennt, der
Mühe werth sein muß, seine Anschläge vielmehr zu vereiteln als zu befördern.

Cardinal Consalvi war für eine solche Sprache durchaus nicht unempfäng¬
lich. Er hatte alle Ursache, noch immer den Absichten Oestreichs auf die drei
Legationen Bologna, Ferrara und Ravenna zu mißtrauen. Wirklich waren
auch alle Ueberredungskünste des östreichischen Gesandten, um Consalvi zu einem
ähnlichen Allianzvertrag zu bestimmen, wie die mit Neapel und Toscana ab¬
geschlossenen waren, vergeblich gewesen. Der Staatssecretär gab stets die Ant¬
wort, der h. Stuhl könne sich in keiner Weise dazu verstehen, in die vor¬
geschlagene Konföderation zu willigen, da er vermöge der Natur seiner Regie¬
rung im Frieden mit allen leben müsse. Unmöglich könne das Haupt der Kirche
an "einem Bund theilnehmen, der dasselbe in Gefahr brächte, sich mit andern
Mächten zu verfeinden und vielleicht gar in einen Krieg zu verwickeln, bevor
es das Recht der gerechten Vertheidigung erforderte. Und die gleiche Sprache
führte der römische Hof wieder in den Jahren 1819 und 1820, so oft von
Oestreich aufs neue der italienische Bund angeregt wurde. Aber dieselbe vor¬
sichtige Zurückhaltung zeigte Consalvi nun auch nach der anderen Seite. Auch
dem Vorschlag einer geheimen Allianz mit Sardinien hielt er die Berufung
auf den rein friedlichen Charakter der päpstlichen Regierung entgegen.

Ueber den Erfolg, welchen die sardinischen Sondirur.gen in Deutschland
hatten, liegt'ein interessanter Bericht vor, den der Gesandte am Münchner Hof,
Graf Sartirana im December 1816 nach Turin schrieb. Der Graf hatte, je
mehr er die verwickelten deutschen Verhältnisse kennen lernte, um so fester sich
davon überzeugt, daß Bayern und Piemont, gleichmäßig bedroht von einem
und demselben Koloß, die Aufgabe haben, dieselbe Stütze zu suchen, auf gemein¬
samen Grundlagen das Gebäude ihrer gegenseitigen Sicherheit zu begründen
und die Bande einer auf identischen Interessen und identischen Hoffnungen be¬
ruhenden Freundschaft zu knüpfen. Auch hatte der Gesandte im Anfang nicht
blos eine sehr herzliche Aufnahme, sondern auch die entgegenkommendster Ver¬
sicherungen erhalten. "Dieser erfreuliche Stand der Dinge," fährt er fort, "ließ
mich glauben, daß wir nicht weit von dem Ziele entfernt waren, eine große
und starke Koalition zu bilden, bestimmt, die invastven Tendenzen Oestreichs
zurückzuweisen und damit eine Zuflucht zu schaffen, unter deren Schutz unsre
nationale Wohlfahrt sich frei von jeder Besorgniß, in der Hoffnung und Er¬
wartung besserer Geschicke hätte begründen können. Rußland, in der Absicht
Einfluß in Deutschland zu gewinnen, wünschte eine aufrichtige Annäherung der
Höfe von München und Se. Petersburg. Hessen, ernstlich bedroht, fand sich
in Deutschland jeder starken Stütze gegen die Ansprüche seines kecken Nachbarn
beraubt. Baden und Würtemberg schlugen einen für uns günstigen Weg ein,


unzuverlässig jene Macht ist. wie sie durch ihre Gebietsvergrößerung in Italien
übermächtig geworden ist und wie es für den, der die Geschichte kennt, der
Mühe werth sein muß, seine Anschläge vielmehr zu vereiteln als zu befördern.

Cardinal Consalvi war für eine solche Sprache durchaus nicht unempfäng¬
lich. Er hatte alle Ursache, noch immer den Absichten Oestreichs auf die drei
Legationen Bologna, Ferrara und Ravenna zu mißtrauen. Wirklich waren
auch alle Ueberredungskünste des östreichischen Gesandten, um Consalvi zu einem
ähnlichen Allianzvertrag zu bestimmen, wie die mit Neapel und Toscana ab¬
geschlossenen waren, vergeblich gewesen. Der Staatssecretär gab stets die Ant¬
wort, der h. Stuhl könne sich in keiner Weise dazu verstehen, in die vor¬
geschlagene Konföderation zu willigen, da er vermöge der Natur seiner Regie¬
rung im Frieden mit allen leben müsse. Unmöglich könne das Haupt der Kirche
an "einem Bund theilnehmen, der dasselbe in Gefahr brächte, sich mit andern
Mächten zu verfeinden und vielleicht gar in einen Krieg zu verwickeln, bevor
es das Recht der gerechten Vertheidigung erforderte. Und die gleiche Sprache
führte der römische Hof wieder in den Jahren 1819 und 1820, so oft von
Oestreich aufs neue der italienische Bund angeregt wurde. Aber dieselbe vor¬
sichtige Zurückhaltung zeigte Consalvi nun auch nach der anderen Seite. Auch
dem Vorschlag einer geheimen Allianz mit Sardinien hielt er die Berufung
auf den rein friedlichen Charakter der päpstlichen Regierung entgegen.

Ueber den Erfolg, welchen die sardinischen Sondirur.gen in Deutschland
hatten, liegt'ein interessanter Bericht vor, den der Gesandte am Münchner Hof,
Graf Sartirana im December 1816 nach Turin schrieb. Der Graf hatte, je
mehr er die verwickelten deutschen Verhältnisse kennen lernte, um so fester sich
davon überzeugt, daß Bayern und Piemont, gleichmäßig bedroht von einem
und demselben Koloß, die Aufgabe haben, dieselbe Stütze zu suchen, auf gemein¬
samen Grundlagen das Gebäude ihrer gegenseitigen Sicherheit zu begründen
und die Bande einer auf identischen Interessen und identischen Hoffnungen be¬
ruhenden Freundschaft zu knüpfen. Auch hatte der Gesandte im Anfang nicht
blos eine sehr herzliche Aufnahme, sondern auch die entgegenkommendster Ver¬
sicherungen erhalten. „Dieser erfreuliche Stand der Dinge," fährt er fort, „ließ
mich glauben, daß wir nicht weit von dem Ziele entfernt waren, eine große
und starke Koalition zu bilden, bestimmt, die invastven Tendenzen Oestreichs
zurückzuweisen und damit eine Zuflucht zu schaffen, unter deren Schutz unsre
nationale Wohlfahrt sich frei von jeder Besorgniß, in der Hoffnung und Er¬
wartung besserer Geschicke hätte begründen können. Rußland, in der Absicht
Einfluß in Deutschland zu gewinnen, wünschte eine aufrichtige Annäherung der
Höfe von München und Se. Petersburg. Hessen, ernstlich bedroht, fand sich
in Deutschland jeder starken Stütze gegen die Ansprüche seines kecken Nachbarn
beraubt. Baden und Würtemberg schlugen einen für uns günstigen Weg ein,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/234>, abgerufen am 22.07.2024.