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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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worden sei, so könne ich auf solche Gleichmäßigkeit auch in Zukunft nicht ver¬
zichten."

Dieser Widerstand schien dem wiener Cabinet jedoch nicht unbesiegbar.
Es steckte sich zunächst hinter Castlereagh, der immer zugänglich war. wenn ihm
Metternich das Schreckgespenst einer möglichen Revolution in Frankreich vor
Augen hielt. Während der Graf d' Aglio hoffte, an England eine Stütze gegen
das Conföderationsproject zu haben, sagte nun Castlereagh im December 1813
zu ihm: "Ich habe beständig den Ministern des Königs von Sardinien em¬
pfohlen, Oestreich als ihren besten Freund zu betrachten, denn ich glaube dies
aufrichtig, und ich versichere Sie, sobald ich anders dächte, würde ich Sie da¬
von in Kenntniß setzen. Ganz dieselbe Sprache habe ich mit Metternich geführt
und ihm vorgestellt, daß es gut wäre, nicht allzusehr auf die kleineren Staaten
zu drücken. Was die Fragen betrifft, die zwischen den Höfen von Turin und
Wien noch schweben, so bin ich überzeugt, daß der letztere sich mit der größten
Mäßigung benehmen wird. Bezüglich des Bundes würde Ihr König wohl daran
thun einzuwilligen." In einer Conferenz. welche im Februar 1816 Graf d'Aglio
und Fürst Esterhazy, der östreichische Gesandte, mit Castlereagh hatten, äußerte
letzterer mit großer Lebhaftigkeit: "Wenn der König von Sardinien sich ent¬
schließt dem Bunde beizutreten, wohlverstanden, daß derselbe auf der Basis voll¬
ständiger Gleichheit abgeschlossen und auf die friedliche Erhaltung des gegen¬
wärtigen Zustands in Italien beschränkt ist, so glaube ich, daß das wiener
Cabinet leicht dazu zu bestimmen ist, von seinen Ansprüchen auf das Ober-
novarese abzustehen und Alessandria zu räumen," da die vorgeschlagene Confö-
deration für sich allein für die militärischen Zwecke genügen würde, auf welche
Oestreich seine Forderungen stützt. Ich bin überzeugt, daß eine permanente
Allianz zwischen den Höfen von Wien und Turin wirksam zur Erhaltung des
Friedens und der Ruhe in Europa beitragen würde. Erinnern Sie sich. Graf
d'Aglio. an das. was man sonst das Gleichgewicht Italiens nannte und was
nichts Anderes war als die Rivalität Frankreichs und Oestreichs, sich auf diesem
Boden das Uebergewicht zu sichern. Ein solcher Zustand der Dinge mußte
stets eine unheilvolle Quelle von Kriegen sein, während die beständige Allianz
zwischen Oestreich und Sardinien Frankreich alle Aussicht auf eine Einmischung
in Italien benimmt und es zwingt, auf jeden Plan einer italienischen Politik
zu verzichten." Gras d'Aglio erwiederte: es sei beständiger Grundsatz des
Hauses Savoyen, sich durch keine enge und dauernde Allianz mit einem der
beiden mächtigen Nachbarn die Hände zu binden, denn es wolle frei sein und
zu keiner Eifersucht Anlaß geben. Wenn eine solche Haltung in der Vergangen¬
heit sich empfohlen habe, so sei sie noch viel räthlicher seitdem die Gefahren
von Seite Frankreichs zum wenigsten vermindert seien. Im letzten Jahrhundert
sei Sardinien dreimal der gute Verbündete Oestreichs gewesen, und nur einmal


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worden sei, so könne ich auf solche Gleichmäßigkeit auch in Zukunft nicht ver¬
zichten."

Dieser Widerstand schien dem wiener Cabinet jedoch nicht unbesiegbar.
Es steckte sich zunächst hinter Castlereagh, der immer zugänglich war. wenn ihm
Metternich das Schreckgespenst einer möglichen Revolution in Frankreich vor
Augen hielt. Während der Graf d' Aglio hoffte, an England eine Stütze gegen
das Conföderationsproject zu haben, sagte nun Castlereagh im December 1813
zu ihm: „Ich habe beständig den Ministern des Königs von Sardinien em¬
pfohlen, Oestreich als ihren besten Freund zu betrachten, denn ich glaube dies
aufrichtig, und ich versichere Sie, sobald ich anders dächte, würde ich Sie da¬
von in Kenntniß setzen. Ganz dieselbe Sprache habe ich mit Metternich geführt
und ihm vorgestellt, daß es gut wäre, nicht allzusehr auf die kleineren Staaten
zu drücken. Was die Fragen betrifft, die zwischen den Höfen von Turin und
Wien noch schweben, so bin ich überzeugt, daß der letztere sich mit der größten
Mäßigung benehmen wird. Bezüglich des Bundes würde Ihr König wohl daran
thun einzuwilligen." In einer Conferenz. welche im Februar 1816 Graf d'Aglio
und Fürst Esterhazy, der östreichische Gesandte, mit Castlereagh hatten, äußerte
letzterer mit großer Lebhaftigkeit: „Wenn der König von Sardinien sich ent¬
schließt dem Bunde beizutreten, wohlverstanden, daß derselbe auf der Basis voll¬
ständiger Gleichheit abgeschlossen und auf die friedliche Erhaltung des gegen¬
wärtigen Zustands in Italien beschränkt ist, so glaube ich, daß das wiener
Cabinet leicht dazu zu bestimmen ist, von seinen Ansprüchen auf das Ober-
novarese abzustehen und Alessandria zu räumen,» da die vorgeschlagene Confö-
deration für sich allein für die militärischen Zwecke genügen würde, auf welche
Oestreich seine Forderungen stützt. Ich bin überzeugt, daß eine permanente
Allianz zwischen den Höfen von Wien und Turin wirksam zur Erhaltung des
Friedens und der Ruhe in Europa beitragen würde. Erinnern Sie sich. Graf
d'Aglio. an das. was man sonst das Gleichgewicht Italiens nannte und was
nichts Anderes war als die Rivalität Frankreichs und Oestreichs, sich auf diesem
Boden das Uebergewicht zu sichern. Ein solcher Zustand der Dinge mußte
stets eine unheilvolle Quelle von Kriegen sein, während die beständige Allianz
zwischen Oestreich und Sardinien Frankreich alle Aussicht auf eine Einmischung
in Italien benimmt und es zwingt, auf jeden Plan einer italienischen Politik
zu verzichten." Gras d'Aglio erwiederte: es sei beständiger Grundsatz des
Hauses Savoyen, sich durch keine enge und dauernde Allianz mit einem der
beiden mächtigen Nachbarn die Hände zu binden, denn es wolle frei sein und
zu keiner Eifersucht Anlaß geben. Wenn eine solche Haltung in der Vergangen¬
heit sich empfohlen habe, so sei sie noch viel räthlicher seitdem die Gefahren
von Seite Frankreichs zum wenigsten vermindert seien. Im letzten Jahrhundert
sei Sardinien dreimal der gute Verbündete Oestreichs gewesen, und nur einmal


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/231>, abgerufen am 22.07.2024.