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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Metternichs Bnndesproject für Italien.
Nach Liimodi: Ltoria äslla äixlomsüia xieinontöLö.

Das Programm der italienischen Patrioten war längere Zeit eine föderative
Einigung der Staaten der Halbinsel. Eine solche schien sich auf dem Weg der
Reform ohne gewaltsame Mittel, durch den bloßen Druck der öffentlichen Mei-
nung auf die Fürsten erzielen zu lassen, sie schien ein Kompromiß zwischen dem
Einheitsdrang der Nation und den historisch gegebenen Verhältnissen, sie schien
endlich um so leichter durchzuführen, als es sich nur um Staaten zweiten Rangs
handelte, die durch keine allzu ungleichen Größenverhältnisse sich unterschieden.
Durch die Konföderation sollten die Kräfte Italiens derart vereinigt werden,
daß sie stark genug wurden das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln. Dieses
Ziel der Unabhängigkeit hatte man vor allem im Auge, das Programm der
Föderalisten war in erster Linie gegen Oestreich gerichtet. Aber diese Entwürfe,
wie sie in den vierziger Jahren von Gioberti und Balbo formulirt wurden,
waren keineswegs die ersten Versuche, die zu einer föderativem Einigung der
souveränen Staaten Italiens gemacht wurden, die ersten Versuche dazu gingen
von keiner andern Macht aus als von Oestreich selbst, das mittelst eines solchen
Bundes seine Herrschaft in Italien befestigen und, ermuthigt durch die Erfolge
der deutschen Bundesverfassung, mittelst eines ähnlichen Bundes auch Italien
an seine Politik zu ketten gedachte.

Sehr früh tauchen solche Plane auf, die zunächst auf eine gegenseitige
militärische Garantie gerichtet waren. Während des wiener Congresses theilte
Metternich den italienischen Bevollmächtigten -- die anderen Mächte sollten
noch nichts davon erfahren, "um nicht einer üblen Auslegung Raum zu geben"
-- vertraulich seinen Plan mit, alle italienische Fürsten durch eine Defensiv¬
allianz und einen Garantieact zu verbinden, mittelst dessen sie sich gegenseitig
verpflichteten, sich zur Aufrechthaltung der Ruhe im Innern und der Verthei¬
digung nach Außen Hilfe zu leisten. Für jeden Staat sollte der Militärstand
in Friedenszeit sowie das in Fällen einer Störung der Ordnung zu stellende
Contingent bestimmt werden. Oestreich würde wie die andern Staaten ein seinem
italienischen Besitz entsprechendes Contingent stellen, nicht als auswärtige Macht,
die Italien in auswärtige Kriege verwickeln könnte. Dagegen sollten die ita¬
lienischen Staaten zur Vertheidigung der östreichischen Provinzen in Italien
beitragen, wenn im Fall eines Krieges Oestreichs mit anderen Mächten dieselben
von einer Invasion bedroht wären.

In Turin konnte man über den eigentlichen Sinn dieses Vorschlags nicht
im Zweifel sein. Indessen beschloß man vorsichtig zu Werk zu gehen.


Grenzboten III. 18KK. 27
Metternichs Bnndesproject für Italien.
Nach Liimodi: Ltoria äslla äixlomsüia xieinontöLö.

Das Programm der italienischen Patrioten war längere Zeit eine föderative
Einigung der Staaten der Halbinsel. Eine solche schien sich auf dem Weg der
Reform ohne gewaltsame Mittel, durch den bloßen Druck der öffentlichen Mei-
nung auf die Fürsten erzielen zu lassen, sie schien ein Kompromiß zwischen dem
Einheitsdrang der Nation und den historisch gegebenen Verhältnissen, sie schien
endlich um so leichter durchzuführen, als es sich nur um Staaten zweiten Rangs
handelte, die durch keine allzu ungleichen Größenverhältnisse sich unterschieden.
Durch die Konföderation sollten die Kräfte Italiens derart vereinigt werden,
daß sie stark genug wurden das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln. Dieses
Ziel der Unabhängigkeit hatte man vor allem im Auge, das Programm der
Föderalisten war in erster Linie gegen Oestreich gerichtet. Aber diese Entwürfe,
wie sie in den vierziger Jahren von Gioberti und Balbo formulirt wurden,
waren keineswegs die ersten Versuche, die zu einer föderativem Einigung der
souveränen Staaten Italiens gemacht wurden, die ersten Versuche dazu gingen
von keiner andern Macht aus als von Oestreich selbst, das mittelst eines solchen
Bundes seine Herrschaft in Italien befestigen und, ermuthigt durch die Erfolge
der deutschen Bundesverfassung, mittelst eines ähnlichen Bundes auch Italien
an seine Politik zu ketten gedachte.

Sehr früh tauchen solche Plane auf, die zunächst auf eine gegenseitige
militärische Garantie gerichtet waren. Während des wiener Congresses theilte
Metternich den italienischen Bevollmächtigten — die anderen Mächte sollten
noch nichts davon erfahren, „um nicht einer üblen Auslegung Raum zu geben"
— vertraulich seinen Plan mit, alle italienische Fürsten durch eine Defensiv¬
allianz und einen Garantieact zu verbinden, mittelst dessen sie sich gegenseitig
verpflichteten, sich zur Aufrechthaltung der Ruhe im Innern und der Verthei¬
digung nach Außen Hilfe zu leisten. Für jeden Staat sollte der Militärstand
in Friedenszeit sowie das in Fällen einer Störung der Ordnung zu stellende
Contingent bestimmt werden. Oestreich würde wie die andern Staaten ein seinem
italienischen Besitz entsprechendes Contingent stellen, nicht als auswärtige Macht,
die Italien in auswärtige Kriege verwickeln könnte. Dagegen sollten die ita¬
lienischen Staaten zur Vertheidigung der östreichischen Provinzen in Italien
beitragen, wenn im Fall eines Krieges Oestreichs mit anderen Mächten dieselben
von einer Invasion bedroht wären.

In Turin konnte man über den eigentlichen Sinn dieses Vorschlags nicht
im Zweifel sein. Indessen beschloß man vorsichtig zu Werk zu gehen.


Grenzboten III. 18KK. 27
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[0229] Metternichs Bnndesproject für Italien. Nach Liimodi: Ltoria äslla äixlomsüia xieinontöLö. Das Programm der italienischen Patrioten war längere Zeit eine föderative Einigung der Staaten der Halbinsel. Eine solche schien sich auf dem Weg der Reform ohne gewaltsame Mittel, durch den bloßen Druck der öffentlichen Mei- nung auf die Fürsten erzielen zu lassen, sie schien ein Kompromiß zwischen dem Einheitsdrang der Nation und den historisch gegebenen Verhältnissen, sie schien endlich um so leichter durchzuführen, als es sich nur um Staaten zweiten Rangs handelte, die durch keine allzu ungleichen Größenverhältnisse sich unterschieden. Durch die Konföderation sollten die Kräfte Italiens derart vereinigt werden, daß sie stark genug wurden das Joch der Fremdherrschaft abzuschütteln. Dieses Ziel der Unabhängigkeit hatte man vor allem im Auge, das Programm der Föderalisten war in erster Linie gegen Oestreich gerichtet. Aber diese Entwürfe, wie sie in den vierziger Jahren von Gioberti und Balbo formulirt wurden, waren keineswegs die ersten Versuche, die zu einer föderativem Einigung der souveränen Staaten Italiens gemacht wurden, die ersten Versuche dazu gingen von keiner andern Macht aus als von Oestreich selbst, das mittelst eines solchen Bundes seine Herrschaft in Italien befestigen und, ermuthigt durch die Erfolge der deutschen Bundesverfassung, mittelst eines ähnlichen Bundes auch Italien an seine Politik zu ketten gedachte. Sehr früh tauchen solche Plane auf, die zunächst auf eine gegenseitige militärische Garantie gerichtet waren. Während des wiener Congresses theilte Metternich den italienischen Bevollmächtigten — die anderen Mächte sollten noch nichts davon erfahren, „um nicht einer üblen Auslegung Raum zu geben" — vertraulich seinen Plan mit, alle italienische Fürsten durch eine Defensiv¬ allianz und einen Garantieact zu verbinden, mittelst dessen sie sich gegenseitig verpflichteten, sich zur Aufrechthaltung der Ruhe im Innern und der Verthei¬ digung nach Außen Hilfe zu leisten. Für jeden Staat sollte der Militärstand in Friedenszeit sowie das in Fällen einer Störung der Ordnung zu stellende Contingent bestimmt werden. Oestreich würde wie die andern Staaten ein seinem italienischen Besitz entsprechendes Contingent stellen, nicht als auswärtige Macht, die Italien in auswärtige Kriege verwickeln könnte. Dagegen sollten die ita¬ lienischen Staaten zur Vertheidigung der östreichischen Provinzen in Italien beitragen, wenn im Fall eines Krieges Oestreichs mit anderen Mächten dieselben von einer Invasion bedroht wären. In Turin konnte man über den eigentlichen Sinn dieses Vorschlags nicht im Zweifel sein. Indessen beschloß man vorsichtig zu Werk zu gehen. Grenzboten III. 18KK. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/229>, abgerufen am 22.07.2024.