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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Parteien. Was durch Preußen in diesen Wochen geschehen ist, wurde durch¬
gesetzt auch gegen den deutschen Liberalismus. Der Weg und die Mittel war
nicht nach den Grundsätzen und dem Rüstzeug unserer Partei gewählt und die
Liberalen haben so lange, bis der Kampf unvermeidlich wurde, ihre Pflicht ge¬
than, indem sie auf die Gefahr desselben hingewiesen.

Zwei Wege lagen bei der Thronbesteigung Königs Wilhelm offen, den
deutschen Bundesstaat unter Preußen mit Ausschluß Oestreichs zu bilden. Auf
unserer Seite ein freisinniges und höchst gerechtes Regiment im Innern, Zu¬
sammenwirken mit der Opposition in den Kammern der Mittelstaaten, zäher
Kampf gegen die Beschränktheit ihrer Regierungen auf dem Gebiet der Verkehrs¬
interessen, friedlicher Fortschritt durch Separatverträge, endlich der entscheidende
Krieg mit Oestreich in einer Zeit, wo unter preußischer Begünstigung die nationale
Opposition der Mittelstaaten stark genug war, einen bestimmenden Einfluß aus
die Bevölkerung auszuüben. Dies war der Weg, den die letzten patriotischen
Staatsmänner Friedrich Wilhelm des Dritten eingeschlagen hatten, er war durch
mehre Anläufe der preußischen Politik gebahnt, er war langwierig, forderte viel
Resignation und zähe Ausdauer, aber er war in seinem letzten Resultat unwi¬
derstehlich. Und dies Resultat war: der Nation die Mittelstaaten und Oestreich
zu verleiden, indem man die gesammte Intelligenz und die gesammten höchsten
Interessen der Völker an sich fesselte. Es war der Weg, wie ihn eine Partei,
welche auf das Zusammenwirken vieler wohlgemessener Kräfte angewiesen ist,
allein anschlagen kann. Sie darf den persönlichen Willen des Einzelnen, welcher
die großen Zielpunkte und die Mittel dafür aus seinem eigenen Wesen holt,
nicht in Rechnung ziehn, denn ihr Grundsatz muß sein, in vielen die Erkenntniß
des Bessern zu bereiten und den Willen vieler einträchtig auf ein Ziel zu richten^..

Nicht dieser Weg hat uns zu einem großen Erfolge geführt, sondern das
selbstwillige Eintreten weniger Persönlichkeiten, welche das Vertrauen des Königs
von Preußen gewannen und die großen Mittel des Staates entschlossen zu ver¬
wenden wußten. Es ist natürlich, daß das gewonnene Resultat dem Wege ent¬
spricht, auf dem es gewonnen wurde, es ist eine Eroberung Deutschlands für
Deutschland durch ein deutsches Heer, nicht durch den Enthusiasmus der gesamm¬
ten Nation; es ist ein Sieg der Preußen, noch nicht ein Triumph der Deutschen;
es ist mit all den Zufälligkeiten behaftet, welche den Beschlüssen Einzelner an¬
hängen, und es ist zum Theil noch jetzt dem Zufall persönlicher Stimmungen
ausgesetzt.

Die Gefahren des Krieges sind glorreich überwunden, die Schwierigkeit der
Neubildung noch nicht. Auf ungewöhnlichem Wege sind große Resultate erreicht,
für die Sicherung derselben ist die gute Meinung und Mitwirkung des deut¬
schen Gewissens und der Patrioten nicht zu entbehren.


Parteien. Was durch Preußen in diesen Wochen geschehen ist, wurde durch¬
gesetzt auch gegen den deutschen Liberalismus. Der Weg und die Mittel war
nicht nach den Grundsätzen und dem Rüstzeug unserer Partei gewählt und die
Liberalen haben so lange, bis der Kampf unvermeidlich wurde, ihre Pflicht ge¬
than, indem sie auf die Gefahr desselben hingewiesen.

Zwei Wege lagen bei der Thronbesteigung Königs Wilhelm offen, den
deutschen Bundesstaat unter Preußen mit Ausschluß Oestreichs zu bilden. Auf
unserer Seite ein freisinniges und höchst gerechtes Regiment im Innern, Zu¬
sammenwirken mit der Opposition in den Kammern der Mittelstaaten, zäher
Kampf gegen die Beschränktheit ihrer Regierungen auf dem Gebiet der Verkehrs¬
interessen, friedlicher Fortschritt durch Separatverträge, endlich der entscheidende
Krieg mit Oestreich in einer Zeit, wo unter preußischer Begünstigung die nationale
Opposition der Mittelstaaten stark genug war, einen bestimmenden Einfluß aus
die Bevölkerung auszuüben. Dies war der Weg, den die letzten patriotischen
Staatsmänner Friedrich Wilhelm des Dritten eingeschlagen hatten, er war durch
mehre Anläufe der preußischen Politik gebahnt, er war langwierig, forderte viel
Resignation und zähe Ausdauer, aber er war in seinem letzten Resultat unwi¬
derstehlich. Und dies Resultat war: der Nation die Mittelstaaten und Oestreich
zu verleiden, indem man die gesammte Intelligenz und die gesammten höchsten
Interessen der Völker an sich fesselte. Es war der Weg, wie ihn eine Partei,
welche auf das Zusammenwirken vieler wohlgemessener Kräfte angewiesen ist,
allein anschlagen kann. Sie darf den persönlichen Willen des Einzelnen, welcher
die großen Zielpunkte und die Mittel dafür aus seinem eigenen Wesen holt,
nicht in Rechnung ziehn, denn ihr Grundsatz muß sein, in vielen die Erkenntniß
des Bessern zu bereiten und den Willen vieler einträchtig auf ein Ziel zu richten^..

Nicht dieser Weg hat uns zu einem großen Erfolge geführt, sondern das
selbstwillige Eintreten weniger Persönlichkeiten, welche das Vertrauen des Königs
von Preußen gewannen und die großen Mittel des Staates entschlossen zu ver¬
wenden wußten. Es ist natürlich, daß das gewonnene Resultat dem Wege ent¬
spricht, auf dem es gewonnen wurde, es ist eine Eroberung Deutschlands für
Deutschland durch ein deutsches Heer, nicht durch den Enthusiasmus der gesamm¬
ten Nation; es ist ein Sieg der Preußen, noch nicht ein Triumph der Deutschen;
es ist mit all den Zufälligkeiten behaftet, welche den Beschlüssen Einzelner an¬
hängen, und es ist zum Theil noch jetzt dem Zufall persönlicher Stimmungen
ausgesetzt.

Die Gefahren des Krieges sind glorreich überwunden, die Schwierigkeit der
Neubildung noch nicht. Auf ungewöhnlichem Wege sind große Resultate erreicht,
für die Sicherung derselben ist die gute Meinung und Mitwirkung des deut¬
schen Gewissens und der Patrioten nicht zu entbehren.


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[0223] Parteien. Was durch Preußen in diesen Wochen geschehen ist, wurde durch¬ gesetzt auch gegen den deutschen Liberalismus. Der Weg und die Mittel war nicht nach den Grundsätzen und dem Rüstzeug unserer Partei gewählt und die Liberalen haben so lange, bis der Kampf unvermeidlich wurde, ihre Pflicht ge¬ than, indem sie auf die Gefahr desselben hingewiesen. Zwei Wege lagen bei der Thronbesteigung Königs Wilhelm offen, den deutschen Bundesstaat unter Preußen mit Ausschluß Oestreichs zu bilden. Auf unserer Seite ein freisinniges und höchst gerechtes Regiment im Innern, Zu¬ sammenwirken mit der Opposition in den Kammern der Mittelstaaten, zäher Kampf gegen die Beschränktheit ihrer Regierungen auf dem Gebiet der Verkehrs¬ interessen, friedlicher Fortschritt durch Separatverträge, endlich der entscheidende Krieg mit Oestreich in einer Zeit, wo unter preußischer Begünstigung die nationale Opposition der Mittelstaaten stark genug war, einen bestimmenden Einfluß aus die Bevölkerung auszuüben. Dies war der Weg, den die letzten patriotischen Staatsmänner Friedrich Wilhelm des Dritten eingeschlagen hatten, er war durch mehre Anläufe der preußischen Politik gebahnt, er war langwierig, forderte viel Resignation und zähe Ausdauer, aber er war in seinem letzten Resultat unwi¬ derstehlich. Und dies Resultat war: der Nation die Mittelstaaten und Oestreich zu verleiden, indem man die gesammte Intelligenz und die gesammten höchsten Interessen der Völker an sich fesselte. Es war der Weg, wie ihn eine Partei, welche auf das Zusammenwirken vieler wohlgemessener Kräfte angewiesen ist, allein anschlagen kann. Sie darf den persönlichen Willen des Einzelnen, welcher die großen Zielpunkte und die Mittel dafür aus seinem eigenen Wesen holt, nicht in Rechnung ziehn, denn ihr Grundsatz muß sein, in vielen die Erkenntniß des Bessern zu bereiten und den Willen vieler einträchtig auf ein Ziel zu richten^.. Nicht dieser Weg hat uns zu einem großen Erfolge geführt, sondern das selbstwillige Eintreten weniger Persönlichkeiten, welche das Vertrauen des Königs von Preußen gewannen und die großen Mittel des Staates entschlossen zu ver¬ wenden wußten. Es ist natürlich, daß das gewonnene Resultat dem Wege ent¬ spricht, auf dem es gewonnen wurde, es ist eine Eroberung Deutschlands für Deutschland durch ein deutsches Heer, nicht durch den Enthusiasmus der gesamm¬ ten Nation; es ist ein Sieg der Preußen, noch nicht ein Triumph der Deutschen; es ist mit all den Zufälligkeiten behaftet, welche den Beschlüssen Einzelner an¬ hängen, und es ist zum Theil noch jetzt dem Zufall persönlicher Stimmungen ausgesetzt. Die Gefahren des Krieges sind glorreich überwunden, die Schwierigkeit der Neubildung noch nicht. Auf ungewöhnlichem Wege sind große Resultate erreicht, für die Sicherung derselben ist die gute Meinung und Mitwirkung des deut¬ schen Gewissens und der Patrioten nicht zu entbehren.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/223>, abgerufen am 22.07.2024.