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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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kurzer Zeit nicht hätte beseitigt werden können, nachdem man es einmal nicht
bekehrt oder vermocht hatte, dasselbe im Spätherbst 1863 im Sturme zu über¬
winden. Wie weit es ungeschickten Bemühungen des Regierungspräsidenten
und den geschickteren des Generals gelungen ist, in der dänischen Bevölkerung
Nordschleswigs Sympathien für Preuße" zu erwecken, darüber fehlen Ihrem
Correspondenten zuverlässige Nachrichten; sehr viel wird es nicht sein, wenn¬
gleich durchaus nicht zu bezweifeln ist. daß sich die dortige Bauernbevölkerung
viel leichter mit einer preußischen als mit einer augustenburgischen Regierung
befreunden kann. Am meisten Sympathien findet Preußen noch bei den Be¬
wohnern der mittelschleswigschen Städte Flensburg und Tondern, unter den
Deutschgesinnten Haderslebens und unter den wohlhabenden Grundbesitzern
Angelus. Selbst in der augustenburgischen Hauptstadt Schleswig haben per¬
sönliche und Erwerbsverhältnisse manchen Bürger Preußen genähert. Aber
trotz alledem möchten wir nicht behaupten, daß auch nur an einem bedeutende¬
ren Punkte die preußisch Gesinnten die Majorität haben, während sie in einigen
Gegenden Südschieswigs, namentlich in dem durch Viehhandel reichen Tönning.
nur eine verschwindende Minorität bilden. So ist es in Schleswig, das von
Anfang an Preußen viel günstiger und gegen das Haus Augustenburg viel
gleichgiltiger gewesen ist als Holstein, unter dessen Bewohnern aber freilich auch
Urtheil und Geneigtheit Vernunftgründen Gehör zu geben seltner zu finden ist,
als in Holstein.

In dem südlichen Herzogthum ging unterdessen die Agitation bis vor kur¬
zem noch mit gewaltigem Geräusch, wenn auch mit sehr geschwächten Kräften
weiter. Während der Verlauf der diplomatischen Verhandlungen den nahen
Ausbruch des Krieges und damit die Besetzung Holsteins durch Preußen nicht
mehr zweifelhaft ließ, faßten die Schleswig-holsteinischen Vereine Resolutionen für
Oestreich und dessen Unterstützung durch das bewaffnete Volt der Herzogthümer.
Freilich gab sich hier und da selbst in diesen Vereinen schon die Ahnung kund,
daß es mit ihnen bald aus sei. In Altona gab man einstimmig auf den An¬
trag eines unserer bedeutendsten "Patrioten" und Festredner den Resolutionen
einen Zusatz, welcher sie im Wesentlichen aufhob, uno zwar motivirte der
Antragsteller seine Aenderung damit, daß man doch nicht wissen könne, ob
nicht bald die Preußen kämen und das Land, wenn es bewaffnet wäre, als ein
feindliches behandelten. Sie sehen, welch eine Vorsicht unsere tapfern Holsten
entwickeln! Die Absicht, Oestreich mit eigener Gefahr zu unterstützen, war
natürlich nirgends vorhanden; nur seine Sympathien widmete man dem Kaiser¬
staat und freute sich zugleich darüber, die Preußen zu ärgern.

Diese aber handelten. Es erfolgte der Abzug der Oestreicher. die Flucht
des Prinzen, die Besitzergreifung durch die Preußen, und zwar alles ohne das
geringste Blutvergießen. Während die große Menge die Veränderung theil-


kurzer Zeit nicht hätte beseitigt werden können, nachdem man es einmal nicht
bekehrt oder vermocht hatte, dasselbe im Spätherbst 1863 im Sturme zu über¬
winden. Wie weit es ungeschickten Bemühungen des Regierungspräsidenten
und den geschickteren des Generals gelungen ist, in der dänischen Bevölkerung
Nordschleswigs Sympathien für Preuße» zu erwecken, darüber fehlen Ihrem
Correspondenten zuverlässige Nachrichten; sehr viel wird es nicht sein, wenn¬
gleich durchaus nicht zu bezweifeln ist. daß sich die dortige Bauernbevölkerung
viel leichter mit einer preußischen als mit einer augustenburgischen Regierung
befreunden kann. Am meisten Sympathien findet Preußen noch bei den Be¬
wohnern der mittelschleswigschen Städte Flensburg und Tondern, unter den
Deutschgesinnten Haderslebens und unter den wohlhabenden Grundbesitzern
Angelus. Selbst in der augustenburgischen Hauptstadt Schleswig haben per¬
sönliche und Erwerbsverhältnisse manchen Bürger Preußen genähert. Aber
trotz alledem möchten wir nicht behaupten, daß auch nur an einem bedeutende¬
ren Punkte die preußisch Gesinnten die Majorität haben, während sie in einigen
Gegenden Südschieswigs, namentlich in dem durch Viehhandel reichen Tönning.
nur eine verschwindende Minorität bilden. So ist es in Schleswig, das von
Anfang an Preußen viel günstiger und gegen das Haus Augustenburg viel
gleichgiltiger gewesen ist als Holstein, unter dessen Bewohnern aber freilich auch
Urtheil und Geneigtheit Vernunftgründen Gehör zu geben seltner zu finden ist,
als in Holstein.

In dem südlichen Herzogthum ging unterdessen die Agitation bis vor kur¬
zem noch mit gewaltigem Geräusch, wenn auch mit sehr geschwächten Kräften
weiter. Während der Verlauf der diplomatischen Verhandlungen den nahen
Ausbruch des Krieges und damit die Besetzung Holsteins durch Preußen nicht
mehr zweifelhaft ließ, faßten die Schleswig-holsteinischen Vereine Resolutionen für
Oestreich und dessen Unterstützung durch das bewaffnete Volt der Herzogthümer.
Freilich gab sich hier und da selbst in diesen Vereinen schon die Ahnung kund,
daß es mit ihnen bald aus sei. In Altona gab man einstimmig auf den An¬
trag eines unserer bedeutendsten „Patrioten" und Festredner den Resolutionen
einen Zusatz, welcher sie im Wesentlichen aufhob, uno zwar motivirte der
Antragsteller seine Aenderung damit, daß man doch nicht wissen könne, ob
nicht bald die Preußen kämen und das Land, wenn es bewaffnet wäre, als ein
feindliches behandelten. Sie sehen, welch eine Vorsicht unsere tapfern Holsten
entwickeln! Die Absicht, Oestreich mit eigener Gefahr zu unterstützen, war
natürlich nirgends vorhanden; nur seine Sympathien widmete man dem Kaiser¬
staat und freute sich zugleich darüber, die Preußen zu ärgern.

Diese aber handelten. Es erfolgte der Abzug der Oestreicher. die Flucht
des Prinzen, die Besitzergreifung durch die Preußen, und zwar alles ohne das
geringste Blutvergießen. Während die große Menge die Veränderung theil-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/207>, abgerufen am 22.07.2024.