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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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feigen Terrain, welches überall Umgehungen gestattet, zusammenhängende Opera¬
tionen einer größern Truppenzahl erschwert und einem an Zahl überlegenen
Feind die größten Vortheile gewährt; und wohl zu bemerken, diese Erfolge sind
erfochten durch ein combinirtes Corps, in welchem nur die Division Goben
gewöhnt war, den Befehlen ihres Feldherrn zu gehorchen. Das Ganze war
eine Leistung sehr hohen Lobes werth.

Im Osten und im Westen waren es Siege wie im Fluge, kaum vermochte
man. über die Karte gebeugt, mit Zirkel und Punktirnadel den schnellen Er-
folgen nachzukommen, immer höher stieg die Spannung, das Vertrauen und
die Hoffnung auf ein glückliches Ende. Auch die Abtretung Vencticns an
Frankreich vermochte nicht dje Fortschritte, der Armee aufzuhalten, hoch wuchs
die Freude, daß Preußen unbeirrt durch diesen Zwischenfal! auf ein großes
Ziel losgehe.

Denn allgemein war auch die Meinung, daß der Stolz der Lothringer
eine neue Schlacht vor den Häusern Wiens nothwendig mache, und daß die
Regierungen des Rheinbundes trotz ihres militärischen Bankerotts stärkern
Zwanges bedürften, um sich dem zu fügen, was jetzt zum Heile Deutschlands
nothwendig geworden ist.

Da kam die Nachricht vom 20. d. M.. daß durch den Kaiser Napoleon
erne fünftägige Waffenruhe durchgesetzt sei, auf dem Fuß folgte die andere,
daß Oestreich die Punkte, welche Preußen und Frankreich als Friedensprälimi¬
narien aufstellten" angenommen habe, und daß grade jetzt ein Waffenstillstand
von mehren Wochen abgeschlossen werde, um während der Zeit über den Frie¬
den zu verhandeln. < '

Es war eine Ueberraschung, und sie war nicht frei von Zweifel und Sorge.
Sind in der That die Ansprüche Oestreichs schon so stark eingedämmt, als zu
gutem Frieden nöthig ist, droht die beflissene Vermittelung des Kaisers nicht
den Preußen ihren politischen Erfolg zu verkümmern? Das war in diesen Tagen
für Hunderttausende eine herzbeklemmende Frage. Wir denken daran, wie un¬
sicher Schlachtenglück ist und wie ungewiß jede Entscheidung durch die Kugel
Ms'ehernem Rohre; aber'ungeheuer sind auch die Opfer, welche Preußen bereits
Wracht hat. der Krieg ist dort ein Volkskrieg geworden, der die ganze waffen¬
fähige Bevölkerung zu den Fahnen gefordert hat, das zweite Aufgebot der
Landwehr ist eingezogen, und durch die gewaltigen Heeresmassen, welche jetzt
für eine Fortführung des Krieges bereit stehen, ist bereits das Hauswesen
und Glück -von hunderttausend Familien Preußens verstört. -- Was von den
Forderungen Preußens bis jetzt über Paris in die Oeffentlichkeit drang, ist fast
ohne Ausnahme so unzuverlässig, daß gar nichts drauf zu geben ist. Und man
darf annehmen, daß zur Zeit außer den Betheiligten und Verhandelnden noch
niemand-übet Einzelheiten unterrichtet ist.'


feigen Terrain, welches überall Umgehungen gestattet, zusammenhängende Opera¬
tionen einer größern Truppenzahl erschwert und einem an Zahl überlegenen
Feind die größten Vortheile gewährt; und wohl zu bemerken, diese Erfolge sind
erfochten durch ein combinirtes Corps, in welchem nur die Division Goben
gewöhnt war, den Befehlen ihres Feldherrn zu gehorchen. Das Ganze war
eine Leistung sehr hohen Lobes werth.

Im Osten und im Westen waren es Siege wie im Fluge, kaum vermochte
man. über die Karte gebeugt, mit Zirkel und Punktirnadel den schnellen Er-
folgen nachzukommen, immer höher stieg die Spannung, das Vertrauen und
die Hoffnung auf ein glückliches Ende. Auch die Abtretung Vencticns an
Frankreich vermochte nicht dje Fortschritte, der Armee aufzuhalten, hoch wuchs
die Freude, daß Preußen unbeirrt durch diesen Zwischenfal! auf ein großes
Ziel losgehe.

Denn allgemein war auch die Meinung, daß der Stolz der Lothringer
eine neue Schlacht vor den Häusern Wiens nothwendig mache, und daß die
Regierungen des Rheinbundes trotz ihres militärischen Bankerotts stärkern
Zwanges bedürften, um sich dem zu fügen, was jetzt zum Heile Deutschlands
nothwendig geworden ist.

Da kam die Nachricht vom 20. d. M.. daß durch den Kaiser Napoleon
erne fünftägige Waffenruhe durchgesetzt sei, auf dem Fuß folgte die andere,
daß Oestreich die Punkte, welche Preußen und Frankreich als Friedensprälimi¬
narien aufstellten» angenommen habe, und daß grade jetzt ein Waffenstillstand
von mehren Wochen abgeschlossen werde, um während der Zeit über den Frie¬
den zu verhandeln. < '

Es war eine Ueberraschung, und sie war nicht frei von Zweifel und Sorge.
Sind in der That die Ansprüche Oestreichs schon so stark eingedämmt, als zu
gutem Frieden nöthig ist, droht die beflissene Vermittelung des Kaisers nicht
den Preußen ihren politischen Erfolg zu verkümmern? Das war in diesen Tagen
für Hunderttausende eine herzbeklemmende Frage. Wir denken daran, wie un¬
sicher Schlachtenglück ist und wie ungewiß jede Entscheidung durch die Kugel
Ms'ehernem Rohre; aber'ungeheuer sind auch die Opfer, welche Preußen bereits
Wracht hat. der Krieg ist dort ein Volkskrieg geworden, der die ganze waffen¬
fähige Bevölkerung zu den Fahnen gefordert hat, das zweite Aufgebot der
Landwehr ist eingezogen, und durch die gewaltigen Heeresmassen, welche jetzt
für eine Fortführung des Krieges bereit stehen, ist bereits das Hauswesen
und Glück -von hunderttausend Familien Preußens verstört. — Was von den
Forderungen Preußens bis jetzt über Paris in die Oeffentlichkeit drang, ist fast
ohne Ausnahme so unzuverlässig, daß gar nichts drauf zu geben ist. Und man
darf annehmen, daß zur Zeit außer den Betheiligten und Verhandelnden noch
niemand-übet Einzelheiten unterrichtet ist.'


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/180>, abgerufen am 22.07.2024.