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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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sind zur Zeit noch unsere Gegner. Aber bereitwillig soll anerkannt werden,
daß sie in diesen Tagen ein militärisches Meisterstück ausgeführt und mit
unglaublicher Schnelligkeit ihre Truppen kampftüchtig gemacht haben. Tag
und Nacht wurde gearbeitet, Monturen, Pferde u. s. w. zu schaffen. Das Offizier¬
corps wurde neu organisirt. der König ließ die Pferde seines berühmten Mar-
stalles vor die Geschütze spannen, die Reservisten trafen aus dem bereits occu-
pirten Lande in großer Zahl bei ihren Truppen ein, die zu spät nach Göttin¬
gen gekommen waren, folgten uneingekleidet in Haufen . ihrem Heere nach
Heiligenstadt, ja noch nach Mühlhausen und Langensalza, und wurden auf dem
Marsche eingereiht. Ueberall wurden Pferde requirirt und das Heer würd" auf
dem Marsch in preußischem Gebiet mit jedem Tage stärker. Es sind unläugbar
Kerntruppen, außer 18 Bataillonen Infanterie sechs Reiterregimenter und sechs
Batterien s, durchschnittlich 6 Geschützen, darunter drei gezogene Batterien.
Außerdem alles Hilfsmaterial und Train, zusammen 18 bis 20,000 Mann.
Nur ihr Munitionsvorrath ist, wie man annimmt, gering.

Es war aber doch ein fremdartiger und unheimlicher Zug, den hier ein
deutsches Heer über die Landesgrenze durch fremdes Land in ungewisse Ferne
machte. In der Mitte des Heeres der blinde König im Wagen, dabei der
heranwachsende Kronprinz in Husarenuniform, der König gefolgt von einem
großen Hofstaat, den Ministern, einer endlosen Reihe von Staatswagen, Würden¬
trägern, Dienstpersonal, königlichem Hausrath, Küchenwagen. Kellerei, Silber-
kammcr und Kanzlei. Zwischen Geschützen und Leibtruppen bewegte sich der
Zug langsam vorwärts. Er verzögerte den Marsch, hemmte alle Bewegungen
und machte den Hannoveranern selbst einen schmerzlichen Eindruck. Es war
wie ein Leichenzug, der sich finster und gewaltthätig durch die preußischen Dörfer
und Städte sortschob.

Nicht so rühmlich wie die militärische Haltung war die Thätigkeit der
Truppen gegen den Landstrich, welchen sie durchzogen. Sie haben auf gothaischen
Gebiet starke und rücksichtslose Requisitionen gemacht -- übrigens in Silber
bezahlt -- alle brauchbaren Pferde weggenommen, die Saatfelder zerstampft,
ihre Lagerfeuer darin angezündet, auch zwei Häuser und ein Gehöft sind nieder¬
gebrannt. Und das alles ohne dem Herzog und der Landesregierung ihren
Einbruch und Durchmarsch auch nur anzuzeigen. Noch bestand zwischen Gotha
und Hannover kein Kriegszustand, eine heftige Proclamation des hannoverschen
Generals Arendsschildt, welche bei dem Einrücken in preußisches Gebiet verbreitet
wurde, war die einzige Notification, welche zufällig der hiesigen Regierung in
die Hände kam. Auch nach dieser Richtung beginnt der Krieg unregelmäßig
wie ein Bruderkrieg.

Aber die Tüchtigkeit der Truppe und der Eifer der Offiziere vermochte"
doch nicht die Symptome einer innern Auflösung fern zu halten" Die Vor"


sind zur Zeit noch unsere Gegner. Aber bereitwillig soll anerkannt werden,
daß sie in diesen Tagen ein militärisches Meisterstück ausgeführt und mit
unglaublicher Schnelligkeit ihre Truppen kampftüchtig gemacht haben. Tag
und Nacht wurde gearbeitet, Monturen, Pferde u. s. w. zu schaffen. Das Offizier¬
corps wurde neu organisirt. der König ließ die Pferde seines berühmten Mar-
stalles vor die Geschütze spannen, die Reservisten trafen aus dem bereits occu-
pirten Lande in großer Zahl bei ihren Truppen ein, die zu spät nach Göttin¬
gen gekommen waren, folgten uneingekleidet in Haufen . ihrem Heere nach
Heiligenstadt, ja noch nach Mühlhausen und Langensalza, und wurden auf dem
Marsche eingereiht. Ueberall wurden Pferde requirirt und das Heer würd« auf
dem Marsch in preußischem Gebiet mit jedem Tage stärker. Es sind unläugbar
Kerntruppen, außer 18 Bataillonen Infanterie sechs Reiterregimenter und sechs
Batterien s, durchschnittlich 6 Geschützen, darunter drei gezogene Batterien.
Außerdem alles Hilfsmaterial und Train, zusammen 18 bis 20,000 Mann.
Nur ihr Munitionsvorrath ist, wie man annimmt, gering.

Es war aber doch ein fremdartiger und unheimlicher Zug, den hier ein
deutsches Heer über die Landesgrenze durch fremdes Land in ungewisse Ferne
machte. In der Mitte des Heeres der blinde König im Wagen, dabei der
heranwachsende Kronprinz in Husarenuniform, der König gefolgt von einem
großen Hofstaat, den Ministern, einer endlosen Reihe von Staatswagen, Würden¬
trägern, Dienstpersonal, königlichem Hausrath, Küchenwagen. Kellerei, Silber-
kammcr und Kanzlei. Zwischen Geschützen und Leibtruppen bewegte sich der
Zug langsam vorwärts. Er verzögerte den Marsch, hemmte alle Bewegungen
und machte den Hannoveranern selbst einen schmerzlichen Eindruck. Es war
wie ein Leichenzug, der sich finster und gewaltthätig durch die preußischen Dörfer
und Städte sortschob.

Nicht so rühmlich wie die militärische Haltung war die Thätigkeit der
Truppen gegen den Landstrich, welchen sie durchzogen. Sie haben auf gothaischen
Gebiet starke und rücksichtslose Requisitionen gemacht — übrigens in Silber
bezahlt — alle brauchbaren Pferde weggenommen, die Saatfelder zerstampft,
ihre Lagerfeuer darin angezündet, auch zwei Häuser und ein Gehöft sind nieder¬
gebrannt. Und das alles ohne dem Herzog und der Landesregierung ihren
Einbruch und Durchmarsch auch nur anzuzeigen. Noch bestand zwischen Gotha
und Hannover kein Kriegszustand, eine heftige Proclamation des hannoverschen
Generals Arendsschildt, welche bei dem Einrücken in preußisches Gebiet verbreitet
wurde, war die einzige Notification, welche zufällig der hiesigen Regierung in
die Hände kam. Auch nach dieser Richtung beginnt der Krieg unregelmäßig
wie ein Bruderkrieg.

Aber die Tüchtigkeit der Truppe und der Eifer der Offiziere vermochte«
doch nicht die Symptome einer innern Auflösung fern zu halten« Die Vor«


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/16>, abgerufen am 22.07.2024.