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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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derselbe ist unter Halbbarbaren und dem intriguanten und herrschsüchtigen
Charakter vieler Missionäre gegenüber unzweifelhaft die richtige Politik.

Etwa um dieselbe Zeit, wo Theodor jenen Brief an die französische Re¬
gierung schrieb, erbat er sich von dem protestantischen Bischof Gobat in Jeru¬
salem, den er persönlich kannte (derselbe lebte früher mehre Jahre in Habesch).
einige Handwerker, namentlich Zimmerleute und Schlosser. Gobat schickte ihm
Leute der Art aus der spittlerschen Mission, die neben ihrem Beruf auch ver¬
suchen sollten, unter dem Judenstamm der Falascha in Theodors Landen Pro-
selyten zu machen. Der Negus hatte gegen letzteres nichts einzuwenden, aber
die Sendlinge Gobats wurden von ihm in ihrer Eigenschaft als Handwerker
so sehr in Anspruch genommen, daß sie für ihren geistlichen Auftrag fast gar
keine Zeit übrig behielten. Oft mußten sie ihm in den Krieg folgen, um die
Waffen seiner Soldaten auszubessern, und im Frieden wußte er sie mit allerlei
Arbeiten, die bisweilen sehr komisch ausfielen, zu beschäftigen. So hatte er in
der Bibel gelesen, daß die Könige Israels zu Wagen in den Krieg zogen. Er
mußte folglich auch seinen Kriegswagen haben, und der eine der Missionäre
Gobats, ein Herr Rosenthal, wurde beauftragt, ihm einen solchen zu bauen.
Derselbe machte sich eine Idee und darnach das Fuhrwerk, welches dann zeisig¬
grün angestrichen und hierauf zum Kaiser getragen wurde -- getragen; denn Wege
zum Fahren hatte man vergessen herzurichten. Dem Negus gefiel das Ding
außerordentlich, er beschenkte den Berfertiger reichlich und ließ das Kunstwerk
im Arsenal von Debra Tabor aufstellen. Hier zeigte er es einmal dem Koch
des englischen Consuls Cameron, einem gewissen Mack, der ihm durch seine
derbe soldatische Manier Wohlgefallen eingeflößt hatte, und fragte stolz, ob er
wohl jemals etwas der Art in Europa gesehen hätte. Mack antwortete: "Ja
wohl Majestät, bei mir zu Hause fahren sie auf solchen Dingern den Mist aus
der Stadt weg."

Ein ander Mal setzte sichs der Kaiser in den Kops, einen Mörser besitzen
zu müssen, und die Missionäre erhielten Befehl, ihm einen solchen zu gießen.
Umsonst stellten sie ihm vor, daß sie das erstens nicht verstünden, und zweitens
nicht die nöthigen Werkzeuge dazu hätten. "Entweder Ihr machts, oder Ihr
marschirt in das Gimp" (Gefängniß), lautete die Antwort. Glücklicherweise
befand sich in Gondar ein polnischer Jude, der früher Soldat gewesen. An
diesen wandten sich die Missionäre in ihrer Noth, und siehe da, nach einigen
Versuchen wurde eine Art Mörser fertig. Man machte ein schönes Gestell dazu,
goß etliche Kugeln und übergab das Ganze dem Kaiser. Der Mörser wurde
geladen, Feuer ans Zündloch gebracht, und mit furchtbarem Krachen flog die
Kugel einige hundert Schritte in das Feld hinaus. Der Kaiser war sehr ent-
zückt darüber, und wieder wurden die Künstler freigebig beschenkt.

Viel weniger traf Herr Rosenthal den Geschmack Theodors, als er bald
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derselbe ist unter Halbbarbaren und dem intriguanten und herrschsüchtigen
Charakter vieler Missionäre gegenüber unzweifelhaft die richtige Politik.

Etwa um dieselbe Zeit, wo Theodor jenen Brief an die französische Re¬
gierung schrieb, erbat er sich von dem protestantischen Bischof Gobat in Jeru¬
salem, den er persönlich kannte (derselbe lebte früher mehre Jahre in Habesch).
einige Handwerker, namentlich Zimmerleute und Schlosser. Gobat schickte ihm
Leute der Art aus der spittlerschen Mission, die neben ihrem Beruf auch ver¬
suchen sollten, unter dem Judenstamm der Falascha in Theodors Landen Pro-
selyten zu machen. Der Negus hatte gegen letzteres nichts einzuwenden, aber
die Sendlinge Gobats wurden von ihm in ihrer Eigenschaft als Handwerker
so sehr in Anspruch genommen, daß sie für ihren geistlichen Auftrag fast gar
keine Zeit übrig behielten. Oft mußten sie ihm in den Krieg folgen, um die
Waffen seiner Soldaten auszubessern, und im Frieden wußte er sie mit allerlei
Arbeiten, die bisweilen sehr komisch ausfielen, zu beschäftigen. So hatte er in
der Bibel gelesen, daß die Könige Israels zu Wagen in den Krieg zogen. Er
mußte folglich auch seinen Kriegswagen haben, und der eine der Missionäre
Gobats, ein Herr Rosenthal, wurde beauftragt, ihm einen solchen zu bauen.
Derselbe machte sich eine Idee und darnach das Fuhrwerk, welches dann zeisig¬
grün angestrichen und hierauf zum Kaiser getragen wurde — getragen; denn Wege
zum Fahren hatte man vergessen herzurichten. Dem Negus gefiel das Ding
außerordentlich, er beschenkte den Berfertiger reichlich und ließ das Kunstwerk
im Arsenal von Debra Tabor aufstellen. Hier zeigte er es einmal dem Koch
des englischen Consuls Cameron, einem gewissen Mack, der ihm durch seine
derbe soldatische Manier Wohlgefallen eingeflößt hatte, und fragte stolz, ob er
wohl jemals etwas der Art in Europa gesehen hätte. Mack antwortete: „Ja
wohl Majestät, bei mir zu Hause fahren sie auf solchen Dingern den Mist aus
der Stadt weg."

Ein ander Mal setzte sichs der Kaiser in den Kops, einen Mörser besitzen
zu müssen, und die Missionäre erhielten Befehl, ihm einen solchen zu gießen.
Umsonst stellten sie ihm vor, daß sie das erstens nicht verstünden, und zweitens
nicht die nöthigen Werkzeuge dazu hätten. „Entweder Ihr machts, oder Ihr
marschirt in das Gimp" (Gefängniß), lautete die Antwort. Glücklicherweise
befand sich in Gondar ein polnischer Jude, der früher Soldat gewesen. An
diesen wandten sich die Missionäre in ihrer Noth, und siehe da, nach einigen
Versuchen wurde eine Art Mörser fertig. Man machte ein schönes Gestell dazu,
goß etliche Kugeln und übergab das Ganze dem Kaiser. Der Mörser wurde
geladen, Feuer ans Zündloch gebracht, und mit furchtbarem Krachen flog die
Kugel einige hundert Schritte in das Feld hinaus. Der Kaiser war sehr ent-
zückt darüber, und wieder wurden die Künstler freigebig beschenkt.

Viel weniger traf Herr Rosenthal den Geschmack Theodors, als er bald
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/155>, abgerufen am 22.07.2024.