Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

muß sich der Abuna von seinem Herrn, der ihn, als schlechtes Subject verachten
darf, oft recht despectirlich behandeln lassen. So erzählte ein Hauptnranu von
der Garde dem Touristen Apel Folgendes:

"Eines Morgens gegen sechs Uhr ruft man mich zum Negus. Zitternd be¬
gebe ich mich zu ihm; denn es ist kein gutes Zeichen, so zeitig zu ihm befohlen
zu werden. Seine Majestät aber sagte zu mir: Bascha Giorgis, geh. such den
Abuna auf. Schimpf ihn einen Hund, Schimpf ihn einen Esel. geh. Ich warf
mich zur Erde und sprach: Ich bin zu gehorchen bereit, doch bitte ich zu be¬
denken, daß ich ein bloßer Hauptmann bin. Richtete ein General das Gebot
aus, so würden die heiligen Worte Ew. Majestät doppeltes Gewicht haben.
Du hast Recht, sagte der Kaiser gnädig und ließ den wachthabenden General
rufen, damit er dem Abunq das Compliment sein.es, Gebieters ausrichte. Der
kluge Salama aber beantwortete diesen sonderbaren Morgengruß nur mit einer
stummen Verbeugung. Er kannte die Grenzen seiner Bedeutung und trug kein
Verlangen mehr, mit dem Negus anzubinden. Gegen andere Mitglieder des
Hofes darf er sich schon eher etwas erlauben. Als ihn zum Beispiel die Jteghe
Memme, d. h. die Kaiserin-Mutter, einmal einen Sklaven nannte, indenr sie auf
die Summe anspielte, die agil dem Patriarchen in Alexandrien für seine Er¬
nennung hatte zahlen müssen, erwiederte er: Schon recht, ich bin ein Sklave,
aber ein kostbarer; denn für mich hat man siebenjausend Thaler bezahlt; hätte
man die Kaiserin-Mutter verkauft, so würde sie auf dem Sklavenmarkt zu Ma-
hgmm" keine zwölf Ti)M angebracht haben."

Die klösterliche ErzielMg, welche Theodor erhalten, nierkt man ihm wenig
an. Doch hat der Theojlog in ihm bisweilen Dinge gethan, Kie der König
hätte unterlassen sollen. So folgender charakteristischer Vorfall, den Lejean
erzählt:

Ein Missionär hatte dem Kaiser ein Stereoskop mit mancherlei Ansichten
geschenkt, unter denen sich auch M Panorama von Jerusalem befand. "Was
ist das?" fragte Theodor. "Di^ Omar-Moschee", lautete die Antwort. "Was.
eine Moschee in Jerusalem. Doch ja, es ist möglich. Jerusalem geMt ja den
Türken!" Damit warf er das Stereoskop auf die Erde und rief in ungeheurer
Wuth: "Das heilige Grab in der Gewalt der Ungläubigen, Jerusalem im Be¬
sitz der verfluchten Muhammedaner. Das leiden sie in Europa und wollen Chri¬
sten sein!"

Schlimmer noch war Folgendes: In der Stadt Azozo wohnten Kaufleute,
die sich neben ihrem Handel stark auf Theologie gelegt hatten We> Absichten
über die Natur Christi hegten, welche stark nach Ketzerei schmeckten, son,se aber
nicht gegen den Frieden im Lande verstießen. Theodor hätte sie vielleicht W
Ruhe gelassen, aber die höhere kaufmännische Welt in Gondar hielt sich zu die¬
sen Häretikern, und das mochte er nicht leiden. Er berief daher ein Concil


Grenzbot-n III. IMö. 18

muß sich der Abuna von seinem Herrn, der ihn, als schlechtes Subject verachten
darf, oft recht despectirlich behandeln lassen. So erzählte ein Hauptnranu von
der Garde dem Touristen Apel Folgendes:

„Eines Morgens gegen sechs Uhr ruft man mich zum Negus. Zitternd be¬
gebe ich mich zu ihm; denn es ist kein gutes Zeichen, so zeitig zu ihm befohlen
zu werden. Seine Majestät aber sagte zu mir: Bascha Giorgis, geh. such den
Abuna auf. Schimpf ihn einen Hund, Schimpf ihn einen Esel. geh. Ich warf
mich zur Erde und sprach: Ich bin zu gehorchen bereit, doch bitte ich zu be¬
denken, daß ich ein bloßer Hauptmann bin. Richtete ein General das Gebot
aus, so würden die heiligen Worte Ew. Majestät doppeltes Gewicht haben.
Du hast Recht, sagte der Kaiser gnädig und ließ den wachthabenden General
rufen, damit er dem Abunq das Compliment sein.es, Gebieters ausrichte. Der
kluge Salama aber beantwortete diesen sonderbaren Morgengruß nur mit einer
stummen Verbeugung. Er kannte die Grenzen seiner Bedeutung und trug kein
Verlangen mehr, mit dem Negus anzubinden. Gegen andere Mitglieder des
Hofes darf er sich schon eher etwas erlauben. Als ihn zum Beispiel die Jteghe
Memme, d. h. die Kaiserin-Mutter, einmal einen Sklaven nannte, indenr sie auf
die Summe anspielte, die agil dem Patriarchen in Alexandrien für seine Er¬
nennung hatte zahlen müssen, erwiederte er: Schon recht, ich bin ein Sklave,
aber ein kostbarer; denn für mich hat man siebenjausend Thaler bezahlt; hätte
man die Kaiserin-Mutter verkauft, so würde sie auf dem Sklavenmarkt zu Ma-
hgmm» keine zwölf Ti)M angebracht haben."

Die klösterliche ErzielMg, welche Theodor erhalten, nierkt man ihm wenig
an. Doch hat der Theojlog in ihm bisweilen Dinge gethan, Kie der König
hätte unterlassen sollen. So folgender charakteristischer Vorfall, den Lejean
erzählt:

Ein Missionär hatte dem Kaiser ein Stereoskop mit mancherlei Ansichten
geschenkt, unter denen sich auch M Panorama von Jerusalem befand. „Was
ist das?" fragte Theodor. „Di^ Omar-Moschee«, lautete die Antwort. „Was.
eine Moschee in Jerusalem. Doch ja, es ist möglich. Jerusalem geMt ja den
Türken!" Damit warf er das Stereoskop auf die Erde und rief in ungeheurer
Wuth: „Das heilige Grab in der Gewalt der Ungläubigen, Jerusalem im Be¬
sitz der verfluchten Muhammedaner. Das leiden sie in Europa und wollen Chri¬
sten sein!"

Schlimmer noch war Folgendes: In der Stadt Azozo wohnten Kaufleute,
die sich neben ihrem Handel stark auf Theologie gelegt hatten We> Absichten
über die Natur Christi hegten, welche stark nach Ketzerei schmeckten, son,se aber
nicht gegen den Frieden im Lande verstießen. Theodor hätte sie vielleicht W
Ruhe gelassen, aber die höhere kaufmännische Welt in Gondar hielt sich zu die¬
sen Häretikern, und das mochte er nicht leiden. Er berief daher ein Concil


Grenzbot-n III. IMö. 18
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285741"/>
          <p xml:id="ID_451" prev="#ID_450"> muß sich der Abuna von seinem Herrn, der ihn, als schlechtes Subject verachten<lb/>
darf, oft recht despectirlich behandeln lassen. So erzählte ein Hauptnranu von<lb/>
der Garde dem Touristen Apel Folgendes:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_452"> &#x201E;Eines Morgens gegen sechs Uhr ruft man mich zum Negus. Zitternd be¬<lb/>
gebe ich mich zu ihm; denn es ist kein gutes Zeichen, so zeitig zu ihm befohlen<lb/>
zu werden. Seine Majestät aber sagte zu mir: Bascha Giorgis, geh. such den<lb/>
Abuna auf. Schimpf ihn einen Hund, Schimpf ihn einen Esel. geh. Ich warf<lb/>
mich zur Erde und sprach: Ich bin zu gehorchen bereit, doch bitte ich zu be¬<lb/>
denken, daß ich ein bloßer Hauptmann bin. Richtete ein General das Gebot<lb/>
aus, so würden die heiligen Worte Ew. Majestät doppeltes Gewicht haben.<lb/>
Du hast Recht, sagte der Kaiser gnädig und ließ den wachthabenden General<lb/>
rufen, damit er dem Abunq das Compliment sein.es, Gebieters ausrichte. Der<lb/>
kluge Salama aber beantwortete diesen sonderbaren Morgengruß nur mit einer<lb/>
stummen Verbeugung. Er kannte die Grenzen seiner Bedeutung und trug kein<lb/>
Verlangen mehr, mit dem Negus anzubinden. Gegen andere Mitglieder des<lb/>
Hofes darf er sich schon eher etwas erlauben. Als ihn zum Beispiel die Jteghe<lb/>
Memme, d. h. die Kaiserin-Mutter, einmal einen Sklaven nannte, indenr sie auf<lb/>
die Summe anspielte, die agil dem Patriarchen in Alexandrien für seine Er¬<lb/>
nennung hatte zahlen müssen, erwiederte er: Schon recht, ich bin ein Sklave,<lb/>
aber ein kostbarer; denn für mich hat man siebenjausend Thaler bezahlt; hätte<lb/>
man die Kaiserin-Mutter verkauft, so würde sie auf dem Sklavenmarkt zu Ma-<lb/>
hgmm» keine zwölf Ti)M angebracht haben."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_453"> Die klösterliche ErzielMg, welche Theodor erhalten, nierkt man ihm wenig<lb/>
an. Doch hat der Theojlog in ihm bisweilen Dinge gethan, Kie der König<lb/>
hätte unterlassen sollen. So folgender charakteristischer Vorfall, den Lejean<lb/>
erzählt:</p><lb/>
          <p xml:id="ID_454"> Ein Missionär hatte dem Kaiser ein Stereoskop mit mancherlei Ansichten<lb/>
geschenkt, unter denen sich auch M Panorama von Jerusalem befand. &#x201E;Was<lb/>
ist das?" fragte Theodor. &#x201E;Di^ Omar-Moschee«, lautete die Antwort. &#x201E;Was.<lb/>
eine Moschee in Jerusalem. Doch ja, es ist möglich. Jerusalem geMt ja den<lb/>
Türken!" Damit warf er das Stereoskop auf die Erde und rief in ungeheurer<lb/>
Wuth: &#x201E;Das heilige Grab in der Gewalt der Ungläubigen, Jerusalem im Be¬<lb/>
sitz der verfluchten Muhammedaner. Das leiden sie in Europa und wollen Chri¬<lb/>
sten sein!"</p><lb/>
          <p xml:id="ID_455" next="#ID_456"> Schlimmer noch war Folgendes: In der Stadt Azozo wohnten Kaufleute,<lb/>
die sich neben ihrem Handel stark auf Theologie gelegt hatten We&gt; Absichten<lb/>
über die Natur Christi hegten, welche stark nach Ketzerei schmeckten, son,se aber<lb/>
nicht gegen den Frieden im Lande verstießen. Theodor hätte sie vielleicht W<lb/>
Ruhe gelassen, aber die höhere kaufmännische Welt in Gondar hielt sich zu die¬<lb/>
sen Häretikern, und das mochte er nicht leiden. Er berief daher ein Concil</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig"> Grenzbot-n III. IMö. 18</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0153] muß sich der Abuna von seinem Herrn, der ihn, als schlechtes Subject verachten darf, oft recht despectirlich behandeln lassen. So erzählte ein Hauptnranu von der Garde dem Touristen Apel Folgendes: „Eines Morgens gegen sechs Uhr ruft man mich zum Negus. Zitternd be¬ gebe ich mich zu ihm; denn es ist kein gutes Zeichen, so zeitig zu ihm befohlen zu werden. Seine Majestät aber sagte zu mir: Bascha Giorgis, geh. such den Abuna auf. Schimpf ihn einen Hund, Schimpf ihn einen Esel. geh. Ich warf mich zur Erde und sprach: Ich bin zu gehorchen bereit, doch bitte ich zu be¬ denken, daß ich ein bloßer Hauptmann bin. Richtete ein General das Gebot aus, so würden die heiligen Worte Ew. Majestät doppeltes Gewicht haben. Du hast Recht, sagte der Kaiser gnädig und ließ den wachthabenden General rufen, damit er dem Abunq das Compliment sein.es, Gebieters ausrichte. Der kluge Salama aber beantwortete diesen sonderbaren Morgengruß nur mit einer stummen Verbeugung. Er kannte die Grenzen seiner Bedeutung und trug kein Verlangen mehr, mit dem Negus anzubinden. Gegen andere Mitglieder des Hofes darf er sich schon eher etwas erlauben. Als ihn zum Beispiel die Jteghe Memme, d. h. die Kaiserin-Mutter, einmal einen Sklaven nannte, indenr sie auf die Summe anspielte, die agil dem Patriarchen in Alexandrien für seine Er¬ nennung hatte zahlen müssen, erwiederte er: Schon recht, ich bin ein Sklave, aber ein kostbarer; denn für mich hat man siebenjausend Thaler bezahlt; hätte man die Kaiserin-Mutter verkauft, so würde sie auf dem Sklavenmarkt zu Ma- hgmm» keine zwölf Ti)M angebracht haben." Die klösterliche ErzielMg, welche Theodor erhalten, nierkt man ihm wenig an. Doch hat der Theojlog in ihm bisweilen Dinge gethan, Kie der König hätte unterlassen sollen. So folgender charakteristischer Vorfall, den Lejean erzählt: Ein Missionär hatte dem Kaiser ein Stereoskop mit mancherlei Ansichten geschenkt, unter denen sich auch M Panorama von Jerusalem befand. „Was ist das?" fragte Theodor. „Di^ Omar-Moschee«, lautete die Antwort. „Was. eine Moschee in Jerusalem. Doch ja, es ist möglich. Jerusalem geMt ja den Türken!" Damit warf er das Stereoskop auf die Erde und rief in ungeheurer Wuth: „Das heilige Grab in der Gewalt der Ungläubigen, Jerusalem im Be¬ sitz der verfluchten Muhammedaner. Das leiden sie in Europa und wollen Chri¬ sten sein!" Schlimmer noch war Folgendes: In der Stadt Azozo wohnten Kaufleute, die sich neben ihrem Handel stark auf Theologie gelegt hatten We> Absichten über die Natur Christi hegten, welche stark nach Ketzerei schmeckten, son,se aber nicht gegen den Frieden im Lande verstießen. Theodor hätte sie vielleicht W Ruhe gelassen, aber die höhere kaufmännische Welt in Gondar hielt sich zu die¬ sen Häretikern, und das mochte er nicht leiden. Er berief daher ein Concil Grenzbot-n III. IMö. 18

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/153
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/153>, abgerufen am 22.07.2024.