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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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aber erst nach drei Tagen. Nicht viel besser erging es dem größern Theil ihrer
Anhänger, und die Kirchen strömten von dem Blute der Niedergemetzelten. Zu
der zitternd um Gnade bittenden Geistlichkeit von Axum sprach der Negus die
bezeichnenden Worte:

"Ich habe einen Vertrag mit Gott abgeschlossen: er hat zugesagt, mich auf
Erden nicht zu schlagen, und ich dagegen, nicht in den Himmel zu steigen, um
ihn zu bekämpfen."

Mit Negussies Besiegung war die letzte große und gefährliche Empörung
gegen Theodors Autokratie in Habesch niedergeworfen und der Kaiser konnte
jetzt an Reformen in den Gesetzen und den socialen Verhältnissen des Landes
gehen, was er denn auch mit Verstand und gesundem Sinne that. Er folgte
dabei nicht fremden Mustern, sondern suchte nur die alten Einrichtungen des
Landes in möglichster Reinheit wiederherzustellen.

Das Volk wurde aufgefordert, die Waffen abzulegen und ein friedliches
Geschäft zu betreiben, wie seine Väter. Wer nicht gehorchte, wurde sofort inne,
daß Theodor nicht mit sich scherzen ließ. Die Bewohner von Tisba z. B., un¬
verbesserliche Räuber, erschienen eines Tages, bis an die Zähne bewaffnet, vor
ihm und verlangten, dem Beruf ihrer Väter folgen zu dürfen. "Und was war
das für ein Beruf?" fragte Theodor. "Das Räuberhandwerk," erwiederten jene
dreist und naiv, "das hat schon König David der Große als unsern Beruf an¬
erkannt." "Eine gefährliche Profession." sagte der Negus gelassen, "und ich
will euch lieber als Ackerbauer in der fruchtbaren Ebene von Länge ansiedeln
und euch die nöthigen Ochsen und Pflüge geben. Glaubt mir, das wird sich
besser lohnen." Umsonst, die Freunde des Herkommens wollten wie ihre Väter
leben. Der Kaiser gab endlich nach und entließ sie, und in dem Glauben, ihn
durch ihre Dreistigkeit eingeschüchtert zu haben, setzten sie sich sofort zu Pferde,
um einen Raubzug anzutreten. Da aber gesellte sich ein Geschwader kaiserlicher
Reiter zu ihnen und bewies ihnen auf handgreifliche Weise, daß, wenn David
der Große ihren Vätern erlaubt, sich als Spitzbuben zu nähren, es ein noch
älteres Gebot des Königs Lalibela gäbe, welches den Wächtern der öffentlichen
Ordnung befahl, alle Spitzbuben zusammenzuhauen.

In anderer Weise stiftete Theodor Ordnung auf dem Gebiet der Gerechtig¬
keitspflege, in welche sich nach der Verfassung von Habesch der Negus nicht zu
mischen hat, die vielmehr in den Händen einer Anzahl von Richtern ist. Auch
hier stand es nicht gut, wie folgende für die damaligen Zustände typische Anek¬
dote zeigt: Richter Asgo hatte bei einem Proceß vom Kläger einen Topf Honig
angenommen, der Beklagte aber verehrte der blinden Gerechtigkeit ein Maul¬
thier, und natürlich bekam er dafür Recht. Als der Kläger solch Verfahren
unbillig fand, erhielt er von Asgo die trockene Antwort: "Was willst du nur,
Freund? das Maulthier hat eben deinen Honigtopf zerschlagen." Leuten der Art


aber erst nach drei Tagen. Nicht viel besser erging es dem größern Theil ihrer
Anhänger, und die Kirchen strömten von dem Blute der Niedergemetzelten. Zu
der zitternd um Gnade bittenden Geistlichkeit von Axum sprach der Negus die
bezeichnenden Worte:

„Ich habe einen Vertrag mit Gott abgeschlossen: er hat zugesagt, mich auf
Erden nicht zu schlagen, und ich dagegen, nicht in den Himmel zu steigen, um
ihn zu bekämpfen."

Mit Negussies Besiegung war die letzte große und gefährliche Empörung
gegen Theodors Autokratie in Habesch niedergeworfen und der Kaiser konnte
jetzt an Reformen in den Gesetzen und den socialen Verhältnissen des Landes
gehen, was er denn auch mit Verstand und gesundem Sinne that. Er folgte
dabei nicht fremden Mustern, sondern suchte nur die alten Einrichtungen des
Landes in möglichster Reinheit wiederherzustellen.

Das Volk wurde aufgefordert, die Waffen abzulegen und ein friedliches
Geschäft zu betreiben, wie seine Väter. Wer nicht gehorchte, wurde sofort inne,
daß Theodor nicht mit sich scherzen ließ. Die Bewohner von Tisba z. B., un¬
verbesserliche Räuber, erschienen eines Tages, bis an die Zähne bewaffnet, vor
ihm und verlangten, dem Beruf ihrer Väter folgen zu dürfen. „Und was war
das für ein Beruf?" fragte Theodor. „Das Räuberhandwerk," erwiederten jene
dreist und naiv, „das hat schon König David der Große als unsern Beruf an¬
erkannt." „Eine gefährliche Profession." sagte der Negus gelassen, „und ich
will euch lieber als Ackerbauer in der fruchtbaren Ebene von Länge ansiedeln
und euch die nöthigen Ochsen und Pflüge geben. Glaubt mir, das wird sich
besser lohnen." Umsonst, die Freunde des Herkommens wollten wie ihre Väter
leben. Der Kaiser gab endlich nach und entließ sie, und in dem Glauben, ihn
durch ihre Dreistigkeit eingeschüchtert zu haben, setzten sie sich sofort zu Pferde,
um einen Raubzug anzutreten. Da aber gesellte sich ein Geschwader kaiserlicher
Reiter zu ihnen und bewies ihnen auf handgreifliche Weise, daß, wenn David
der Große ihren Vätern erlaubt, sich als Spitzbuben zu nähren, es ein noch
älteres Gebot des Königs Lalibela gäbe, welches den Wächtern der öffentlichen
Ordnung befahl, alle Spitzbuben zusammenzuhauen.

In anderer Weise stiftete Theodor Ordnung auf dem Gebiet der Gerechtig¬
keitspflege, in welche sich nach der Verfassung von Habesch der Negus nicht zu
mischen hat, die vielmehr in den Händen einer Anzahl von Richtern ist. Auch
hier stand es nicht gut, wie folgende für die damaligen Zustände typische Anek¬
dote zeigt: Richter Asgo hatte bei einem Proceß vom Kläger einen Topf Honig
angenommen, der Beklagte aber verehrte der blinden Gerechtigkeit ein Maul¬
thier, und natürlich bekam er dafür Recht. Als der Kläger solch Verfahren
unbillig fand, erhielt er von Asgo die trockene Antwort: „Was willst du nur,
Freund? das Maulthier hat eben deinen Honigtopf zerschlagen." Leuten der Art


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/151>, abgerufen am 22.07.2024.