Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

jetzt am Ziele seines Ehrgeizes angelangt, nahm nun den Namen Theodor der
Zweite an.

Die jetzt gewonnene Provinz Tigre trug indeß das ihr auferlegte Joch nur
mit Widerwillen. Bald erhob sich ein gewisser Negussie gegen den Negus
Theodor, fand zahlreichen Anhang, schlug den gegen ihn entsandten General
Balgada-Area aufs Haupt und kämpfte auch mit dessen Nachfolgern nicht ohne
Glück, so daß er eine Zeit lang für unabhängig gelten konnte. Theodor war
während deß von Verhandlungen mit Aegypten und ärgerlichen Streitigkeiten
zwischen dem Gesandten Said Paschas, dem Patriarchen der Kopten, Abuna
Daub. und dem Abuna Salama, Streitigkeiten, die sich um die Oberherrlich¬
keit jenes über diesen drehten, zu allerlei Skandal führten und mit Abuna
Dands Zurückschaffung nach Aegypten endigten, in Anspruch genommen.

Dieser Zank zwischen den beiden Kirchenlichtern ist so bezeichnend für diese
und ihre Kirche, daß wir ihm noch einige Worte widmen müssen. Abuna Daub
war erschienen, um sich für gute Behandlung der in Habesch angesiedelten
Muslime zu verwenden, und nebenher trieb der würdige geistliche Herr etwas
Sklavenhandel. Durch beides mißfiel er dem Negus, der nicht begriff, wie ein
christlicher Oberbischof sich zum Unterhändler der Ungläubigen hergeben könne,
und der das Geschäft in Menschenfleisch für einen Kleriker unschicklich fand.
Andrerseits meinte Daub den gewaltigen Kaiser Theodor wie den früheren
halb blödsinnigen Negus behandeln zu können. Eines Tages ging er in seiner
Anmaßung so weit, daß der Kaiser ärgerlich wurde und ihn mit der Pistole in
der Hand nöthigte, ihm statt des angedrohten Bannes seinen Segen zu er¬
theilen. Als sie sich einige Tage nachher wieder mit einander gestritten, excom-
municirte Daub den Herrscher wirklich. Theodor ließ darauf den Abuna Sa¬
lama holen, daß er den Bann aufhebe, und jetzt entwickelte sich folgende erbau¬
liche Scene.

Nicht weit von seinem Zelte hatte der Kaiser für einen jeden der beiden
geistlichen Würdenträger eine Zeriba, d. h. einen mit Dornen eingezäunten
Platz einrichten lassen, und von diesen kleinen Burgen aus schleuderten sich nun
diese ihre Blitze zu. "Ich bin dein Oberer," schrie Daub dem Salama zu,
"mir hast du Gehorsam zu leisten." -- "Ganz recht, zu Alexandrien," antwor¬
tete es von drüben her, "aber nicht hier; hier bin ich das Haupt der Kirche."
-- "Widerspenstiger Priester," rief es wieder aus der andern Dornenhecke, "ich
thue dich wie deinen König in den Bann." -- "Und ich dich," erwiederte kalt¬
blütig Salama, "und mir allein steht hier zu Lande das Recht zu, den Bann
auszusprechen."

So ging es zwei volle Tage fort, zum großen Wohlgefallen des Negus,
dem es ganz recht war, wenn die Abunas sich gegenseitig vor dem Volke
herabsetzten, bis Daub endlich den Befehl erhielt, sich fortzumachen, eine Be-


jetzt am Ziele seines Ehrgeizes angelangt, nahm nun den Namen Theodor der
Zweite an.

Die jetzt gewonnene Provinz Tigre trug indeß das ihr auferlegte Joch nur
mit Widerwillen. Bald erhob sich ein gewisser Negussie gegen den Negus
Theodor, fand zahlreichen Anhang, schlug den gegen ihn entsandten General
Balgada-Area aufs Haupt und kämpfte auch mit dessen Nachfolgern nicht ohne
Glück, so daß er eine Zeit lang für unabhängig gelten konnte. Theodor war
während deß von Verhandlungen mit Aegypten und ärgerlichen Streitigkeiten
zwischen dem Gesandten Said Paschas, dem Patriarchen der Kopten, Abuna
Daub. und dem Abuna Salama, Streitigkeiten, die sich um die Oberherrlich¬
keit jenes über diesen drehten, zu allerlei Skandal führten und mit Abuna
Dands Zurückschaffung nach Aegypten endigten, in Anspruch genommen.

Dieser Zank zwischen den beiden Kirchenlichtern ist so bezeichnend für diese
und ihre Kirche, daß wir ihm noch einige Worte widmen müssen. Abuna Daub
war erschienen, um sich für gute Behandlung der in Habesch angesiedelten
Muslime zu verwenden, und nebenher trieb der würdige geistliche Herr etwas
Sklavenhandel. Durch beides mißfiel er dem Negus, der nicht begriff, wie ein
christlicher Oberbischof sich zum Unterhändler der Ungläubigen hergeben könne,
und der das Geschäft in Menschenfleisch für einen Kleriker unschicklich fand.
Andrerseits meinte Daub den gewaltigen Kaiser Theodor wie den früheren
halb blödsinnigen Negus behandeln zu können. Eines Tages ging er in seiner
Anmaßung so weit, daß der Kaiser ärgerlich wurde und ihn mit der Pistole in
der Hand nöthigte, ihm statt des angedrohten Bannes seinen Segen zu er¬
theilen. Als sie sich einige Tage nachher wieder mit einander gestritten, excom-
municirte Daub den Herrscher wirklich. Theodor ließ darauf den Abuna Sa¬
lama holen, daß er den Bann aufhebe, und jetzt entwickelte sich folgende erbau¬
liche Scene.

Nicht weit von seinem Zelte hatte der Kaiser für einen jeden der beiden
geistlichen Würdenträger eine Zeriba, d. h. einen mit Dornen eingezäunten
Platz einrichten lassen, und von diesen kleinen Burgen aus schleuderten sich nun
diese ihre Blitze zu. „Ich bin dein Oberer," schrie Daub dem Salama zu,
„mir hast du Gehorsam zu leisten." — „Ganz recht, zu Alexandrien," antwor¬
tete es von drüben her, „aber nicht hier; hier bin ich das Haupt der Kirche."
— „Widerspenstiger Priester," rief es wieder aus der andern Dornenhecke, „ich
thue dich wie deinen König in den Bann." — „Und ich dich," erwiederte kalt¬
blütig Salama, „und mir allein steht hier zu Lande das Recht zu, den Bann
auszusprechen."

So ging es zwei volle Tage fort, zum großen Wohlgefallen des Negus,
dem es ganz recht war, wenn die Abunas sich gegenseitig vor dem Volke
herabsetzten, bis Daub endlich den Befehl erhielt, sich fortzumachen, eine Be-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0149" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/285737"/>
          <p xml:id="ID_430" prev="#ID_429"> jetzt am Ziele seines Ehrgeizes angelangt, nahm nun den Namen Theodor der<lb/>
Zweite an.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_431"> Die jetzt gewonnene Provinz Tigre trug indeß das ihr auferlegte Joch nur<lb/>
mit Widerwillen. Bald erhob sich ein gewisser Negussie gegen den Negus<lb/>
Theodor, fand zahlreichen Anhang, schlug den gegen ihn entsandten General<lb/>
Balgada-Area aufs Haupt und kämpfte auch mit dessen Nachfolgern nicht ohne<lb/>
Glück, so daß er eine Zeit lang für unabhängig gelten konnte. Theodor war<lb/>
während deß von Verhandlungen mit Aegypten und ärgerlichen Streitigkeiten<lb/>
zwischen dem Gesandten Said Paschas, dem Patriarchen der Kopten, Abuna<lb/>
Daub. und dem Abuna Salama, Streitigkeiten, die sich um die Oberherrlich¬<lb/>
keit jenes über diesen drehten, zu allerlei Skandal führten und mit Abuna<lb/>
Dands Zurückschaffung nach Aegypten endigten, in Anspruch genommen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_432"> Dieser Zank zwischen den beiden Kirchenlichtern ist so bezeichnend für diese<lb/>
und ihre Kirche, daß wir ihm noch einige Worte widmen müssen. Abuna Daub<lb/>
war erschienen, um sich für gute Behandlung der in Habesch angesiedelten<lb/>
Muslime zu verwenden, und nebenher trieb der würdige geistliche Herr etwas<lb/>
Sklavenhandel. Durch beides mißfiel er dem Negus, der nicht begriff, wie ein<lb/>
christlicher Oberbischof sich zum Unterhändler der Ungläubigen hergeben könne,<lb/>
und der das Geschäft in Menschenfleisch für einen Kleriker unschicklich fand.<lb/>
Andrerseits meinte Daub den gewaltigen Kaiser Theodor wie den früheren<lb/>
halb blödsinnigen Negus behandeln zu können. Eines Tages ging er in seiner<lb/>
Anmaßung so weit, daß der Kaiser ärgerlich wurde und ihn mit der Pistole in<lb/>
der Hand nöthigte, ihm statt des angedrohten Bannes seinen Segen zu er¬<lb/>
theilen. Als sie sich einige Tage nachher wieder mit einander gestritten, excom-<lb/>
municirte Daub den Herrscher wirklich. Theodor ließ darauf den Abuna Sa¬<lb/>
lama holen, daß er den Bann aufhebe, und jetzt entwickelte sich folgende erbau¬<lb/>
liche Scene.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_433"> Nicht weit von seinem Zelte hatte der Kaiser für einen jeden der beiden<lb/>
geistlichen Würdenträger eine Zeriba, d. h. einen mit Dornen eingezäunten<lb/>
Platz einrichten lassen, und von diesen kleinen Burgen aus schleuderten sich nun<lb/>
diese ihre Blitze zu. &#x201E;Ich bin dein Oberer," schrie Daub dem Salama zu,<lb/>
&#x201E;mir hast du Gehorsam zu leisten." &#x2014; &#x201E;Ganz recht, zu Alexandrien," antwor¬<lb/>
tete es von drüben her, &#x201E;aber nicht hier; hier bin ich das Haupt der Kirche."<lb/>
&#x2014; &#x201E;Widerspenstiger Priester," rief es wieder aus der andern Dornenhecke, &#x201E;ich<lb/>
thue dich wie deinen König in den Bann." &#x2014; &#x201E;Und ich dich," erwiederte kalt¬<lb/>
blütig Salama, &#x201E;und mir allein steht hier zu Lande das Recht zu, den Bann<lb/>
auszusprechen."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_434" next="#ID_435"> So ging es zwei volle Tage fort, zum großen Wohlgefallen des Negus,<lb/>
dem es ganz recht war, wenn die Abunas sich gegenseitig vor dem Volke<lb/>
herabsetzten, bis Daub endlich den Befehl erhielt, sich fortzumachen, eine Be-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0149] jetzt am Ziele seines Ehrgeizes angelangt, nahm nun den Namen Theodor der Zweite an. Die jetzt gewonnene Provinz Tigre trug indeß das ihr auferlegte Joch nur mit Widerwillen. Bald erhob sich ein gewisser Negussie gegen den Negus Theodor, fand zahlreichen Anhang, schlug den gegen ihn entsandten General Balgada-Area aufs Haupt und kämpfte auch mit dessen Nachfolgern nicht ohne Glück, so daß er eine Zeit lang für unabhängig gelten konnte. Theodor war während deß von Verhandlungen mit Aegypten und ärgerlichen Streitigkeiten zwischen dem Gesandten Said Paschas, dem Patriarchen der Kopten, Abuna Daub. und dem Abuna Salama, Streitigkeiten, die sich um die Oberherrlich¬ keit jenes über diesen drehten, zu allerlei Skandal führten und mit Abuna Dands Zurückschaffung nach Aegypten endigten, in Anspruch genommen. Dieser Zank zwischen den beiden Kirchenlichtern ist so bezeichnend für diese und ihre Kirche, daß wir ihm noch einige Worte widmen müssen. Abuna Daub war erschienen, um sich für gute Behandlung der in Habesch angesiedelten Muslime zu verwenden, und nebenher trieb der würdige geistliche Herr etwas Sklavenhandel. Durch beides mißfiel er dem Negus, der nicht begriff, wie ein christlicher Oberbischof sich zum Unterhändler der Ungläubigen hergeben könne, und der das Geschäft in Menschenfleisch für einen Kleriker unschicklich fand. Andrerseits meinte Daub den gewaltigen Kaiser Theodor wie den früheren halb blödsinnigen Negus behandeln zu können. Eines Tages ging er in seiner Anmaßung so weit, daß der Kaiser ärgerlich wurde und ihn mit der Pistole in der Hand nöthigte, ihm statt des angedrohten Bannes seinen Segen zu er¬ theilen. Als sie sich einige Tage nachher wieder mit einander gestritten, excom- municirte Daub den Herrscher wirklich. Theodor ließ darauf den Abuna Sa¬ lama holen, daß er den Bann aufhebe, und jetzt entwickelte sich folgende erbau¬ liche Scene. Nicht weit von seinem Zelte hatte der Kaiser für einen jeden der beiden geistlichen Würdenträger eine Zeriba, d. h. einen mit Dornen eingezäunten Platz einrichten lassen, und von diesen kleinen Burgen aus schleuderten sich nun diese ihre Blitze zu. „Ich bin dein Oberer," schrie Daub dem Salama zu, „mir hast du Gehorsam zu leisten." — „Ganz recht, zu Alexandrien," antwor¬ tete es von drüben her, „aber nicht hier; hier bin ich das Haupt der Kirche." — „Widerspenstiger Priester," rief es wieder aus der andern Dornenhecke, „ich thue dich wie deinen König in den Bann." — „Und ich dich," erwiederte kalt¬ blütig Salama, „und mir allein steht hier zu Lande das Recht zu, den Bann auszusprechen." So ging es zwei volle Tage fort, zum großen Wohlgefallen des Negus, dem es ganz recht war, wenn die Abunas sich gegenseitig vor dem Volke herabsetzten, bis Daub endlich den Befehl erhielt, sich fortzumachen, eine Be-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/149
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/149>, abgerufen am 22.07.2024.