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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Ein Brief vom preußischen Heer in Mähren.

Wenn Sie über unsern Vormarsch in den offictellen Blättern nur sehr la-
konische Nachrichten erhalten, so hat das seinen guten Grund, die Schweigsamkeit
ist für unsere Erfolge unentbehrlich. Auch ich enthalte mich, zu schreiben, was
erst der Oeffentlichkeit angehört, wenn es zu einem Erfolg geworden ist. Unsere
Briefe bedürfen Zeit, bevor sie ankommen, der Drang der Ereignisse, der un-
ausgesetzte Vormarsch in Feindesland, die lange Verbindungslinie, welche an
feindlichen Festungen vorübergeht, schneiden immer wieder den Faden ab, der
uns an die Heimath knüpft.

Wenn wir im Frieden einmal mit einander über den höchsten Beruf
des Mannes sprachen und meinem militärischen Selbstgefühl entgegengehalten
wurde,, daß die höchste Kraft des Soldaten sich nur in den Wochen bewähren
könne, in denen die bürgerliche Gesellschaft nicht in normalen Verhältnissen
lebt, so konnte ich diesem Einwurf nur erwiedern, daß die Zeit des Friedens
auch dem Soldaten die Periode ist, wo er still säet, was auf den Schlacht¬
feldern geerntet wird. Jetzt sind wir in der Ernte, in einer ruhmvollen und
blutigen Arbeit, und durch unser Herz ziehen die größten Empfindungen, welche
einem Menschen vergönnt sind. Unläugbar ist etwas Fürchterliches in dieser
Größe, aber es ist merkwürdig, wie schnell der Mensch bei steter Pflichterfül¬
lung und thätiger Arbeit seine innere Freiheit auch hier wiederfindet und das
Größte erlebt wie Alltägliches.

Sie werden Vielfache Schilderungen unserer Gefechte gelesen haben, wie
sich diese vom Standpunkte eines einzelnen Beobachters im Augenblick erfassen
lassen; den innern Zusammenhang zu schildern, ist vorläufig noch nicht an der
Zeit. Wir rücken siegreich vor, noch unaufhaltsam und mit derselben Energie,
welche unsere Kriegsführung bis zu dieser Stunde so erfolgreich gemacht hat.
Sucht man genauer nach dem letzten Grund dieser Erfolge, so wird unzweifel¬
haft, daß wir sie vor allen Dingen unsrer vorzüglichen Infanterie verdanken,


Grenzboten Hi. 186K. 16
Ein Brief vom preußischen Heer in Mähren.

Wenn Sie über unsern Vormarsch in den offictellen Blättern nur sehr la-
konische Nachrichten erhalten, so hat das seinen guten Grund, die Schweigsamkeit
ist für unsere Erfolge unentbehrlich. Auch ich enthalte mich, zu schreiben, was
erst der Oeffentlichkeit angehört, wenn es zu einem Erfolg geworden ist. Unsere
Briefe bedürfen Zeit, bevor sie ankommen, der Drang der Ereignisse, der un-
ausgesetzte Vormarsch in Feindesland, die lange Verbindungslinie, welche an
feindlichen Festungen vorübergeht, schneiden immer wieder den Faden ab, der
uns an die Heimath knüpft.

Wenn wir im Frieden einmal mit einander über den höchsten Beruf
des Mannes sprachen und meinem militärischen Selbstgefühl entgegengehalten
wurde,, daß die höchste Kraft des Soldaten sich nur in den Wochen bewähren
könne, in denen die bürgerliche Gesellschaft nicht in normalen Verhältnissen
lebt, so konnte ich diesem Einwurf nur erwiedern, daß die Zeit des Friedens
auch dem Soldaten die Periode ist, wo er still säet, was auf den Schlacht¬
feldern geerntet wird. Jetzt sind wir in der Ernte, in einer ruhmvollen und
blutigen Arbeit, und durch unser Herz ziehen die größten Empfindungen, welche
einem Menschen vergönnt sind. Unläugbar ist etwas Fürchterliches in dieser
Größe, aber es ist merkwürdig, wie schnell der Mensch bei steter Pflichterfül¬
lung und thätiger Arbeit seine innere Freiheit auch hier wiederfindet und das
Größte erlebt wie Alltägliches.

Sie werden Vielfache Schilderungen unserer Gefechte gelesen haben, wie
sich diese vom Standpunkte eines einzelnen Beobachters im Augenblick erfassen
lassen; den innern Zusammenhang zu schildern, ist vorläufig noch nicht an der
Zeit. Wir rücken siegreich vor, noch unaufhaltsam und mit derselben Energie,
welche unsere Kriegsführung bis zu dieser Stunde so erfolgreich gemacht hat.
Sucht man genauer nach dem letzten Grund dieser Erfolge, so wird unzweifel¬
haft, daß wir sie vor allen Dingen unsrer vorzüglichen Infanterie verdanken,


Grenzboten Hi. 186K. 16
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[0137] Ein Brief vom preußischen Heer in Mähren. Wenn Sie über unsern Vormarsch in den offictellen Blättern nur sehr la- konische Nachrichten erhalten, so hat das seinen guten Grund, die Schweigsamkeit ist für unsere Erfolge unentbehrlich. Auch ich enthalte mich, zu schreiben, was erst der Oeffentlichkeit angehört, wenn es zu einem Erfolg geworden ist. Unsere Briefe bedürfen Zeit, bevor sie ankommen, der Drang der Ereignisse, der un- ausgesetzte Vormarsch in Feindesland, die lange Verbindungslinie, welche an feindlichen Festungen vorübergeht, schneiden immer wieder den Faden ab, der uns an die Heimath knüpft. Wenn wir im Frieden einmal mit einander über den höchsten Beruf des Mannes sprachen und meinem militärischen Selbstgefühl entgegengehalten wurde,, daß die höchste Kraft des Soldaten sich nur in den Wochen bewähren könne, in denen die bürgerliche Gesellschaft nicht in normalen Verhältnissen lebt, so konnte ich diesem Einwurf nur erwiedern, daß die Zeit des Friedens auch dem Soldaten die Periode ist, wo er still säet, was auf den Schlacht¬ feldern geerntet wird. Jetzt sind wir in der Ernte, in einer ruhmvollen und blutigen Arbeit, und durch unser Herz ziehen die größten Empfindungen, welche einem Menschen vergönnt sind. Unläugbar ist etwas Fürchterliches in dieser Größe, aber es ist merkwürdig, wie schnell der Mensch bei steter Pflichterfül¬ lung und thätiger Arbeit seine innere Freiheit auch hier wiederfindet und das Größte erlebt wie Alltägliches. Sie werden Vielfache Schilderungen unserer Gefechte gelesen haben, wie sich diese vom Standpunkte eines einzelnen Beobachters im Augenblick erfassen lassen; den innern Zusammenhang zu schildern, ist vorläufig noch nicht an der Zeit. Wir rücken siegreich vor, noch unaufhaltsam und mit derselben Energie, welche unsere Kriegsführung bis zu dieser Stunde so erfolgreich gemacht hat. Sucht man genauer nach dem letzten Grund dieser Erfolge, so wird unzweifel¬ haft, daß wir sie vor allen Dingen unsrer vorzüglichen Infanterie verdanken, Grenzboten Hi. 186K. 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/137>, abgerufen am 22.07.2024.