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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band.

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Heeres; sobald er von dieser hörte, warnte er den Kriegsminister und rief
andererseits den General Gifflenga zu sich, um ihn zu beschwören, von der
Unternehmung abzulassen, in welchem Falle er für die königliche Verzeihung
bürgen wolle. Er hatte nach des Königs Abdankung aus dessen Wunsch die
Regentschaft übernommen und war nun. jung und völlig unerfahren, ganz auf
den Rath seiner Umgebung angewiesen. Er hatte sich durch das Andrängen
nicht blos der Verschworenen, sondern sämmtlicher hohen Behörden bestimmen
lassen, die spanische Verfassung zu proclamiren, aber er that es ausdrücklich
"im Vertrauen, daß der König von denselben Erwägungen geleitet diese Ent¬
schließung mit seiner souveränen Genehmigung bekleiden werde" und er wahrte
ausdrücklich das Recht -des neuen Königs, sie im EinVerständniß mit der Volks¬
vertretung zu revidiren. Er holte unverzüglich die Befehle des in Modena
weilenden Karl Felix ein, und als diese gegen die neue Ordnung der Dinge
ausfielen, erklärte er sofort, seine Würde niederzulegen, und während er schein¬
bar dem Wunsch der Minister nachgab, vorläufig auf seinem Posten zu bleiben,
setzte er heimlich seine Flucht nach Novara ins Lager der treugcbliebencn
Truppen ins Werk. Dann gehorchte er dem Befehl, den ihm der König am
27. März ertheilte, sich mit seiner Familie nach Toscana zu begeben, wo er
von nun als Verbannter am Hos seines Schwiegervaters lebte. War der Prinz
schon vor der Revolution der östreichischen Partei, als deren Haupt Karl Felix
galt, ein Dorn im Auge, und stand er mit diesem schon seit dem Jahr 1819
persönlich auf einem gespannten Fuß, so hatte nun vollends die Revolution
den tiefsten Argwohn in das Herz des neuen Königs gesenkt; er blieb in Mo¬
den" und, ganz in die Netze des dortigen Herzogs verstrickt, behandelte er den
Prinzen fortwährend mit dem größten Mißtrauen. Es wird am besten sein,
schrieb Karl Felix an Victor Emanuel im Mai 1821, der Prinz bleibt in Flo¬
renz. Er wird dort sehr fetirt, und man thut alles Mögliche, um ihn mit mir
auszusöhnen. Mein Bemühen ist, ihn in Sicherheit zu halten, bis es der
göttlichen Güte gefallen wird an ihm ein Wunder zu thun, das sicherlich das
allergrößte und am schwierigsten zu constatiren sein wird, denn wenn er auch
alle Bußübungen eines Einsiedlers machte und sich bis aufs Blut peinigte, so
könnte ich immer noch Nicht an seine aufrichtige Bekehrung glauben. Ein Jahr
später -- Karl Albert hatte sich fortwährend durchaus ruhig verhalten --
schrieb Karl Felix wieder an seinen Bruder: Ich bin der Ansicht Thercsas
(der Gemahlin Victor Emanuels), daß der große Schnurrbart des Prinzen
Carignan ihm vielmehr das Aussehen eines Carbonaro als eines Bekehrten
gebe. Gott mag die Herzen sehen; er mag das Wunder seiner Bekehrung
vollbracht haben, aber er hat nicht in mir das Wunder geschafft, mich davon
überzeugt zu Machen. Unter dem Eindruck dieser Abneigung gegen den
Prinzen faßte Karl Felix den Plan, bei seinem Tod die Regierung in den


Heeres; sobald er von dieser hörte, warnte er den Kriegsminister und rief
andererseits den General Gifflenga zu sich, um ihn zu beschwören, von der
Unternehmung abzulassen, in welchem Falle er für die königliche Verzeihung
bürgen wolle. Er hatte nach des Königs Abdankung aus dessen Wunsch die
Regentschaft übernommen und war nun. jung und völlig unerfahren, ganz auf
den Rath seiner Umgebung angewiesen. Er hatte sich durch das Andrängen
nicht blos der Verschworenen, sondern sämmtlicher hohen Behörden bestimmen
lassen, die spanische Verfassung zu proclamiren, aber er that es ausdrücklich
„im Vertrauen, daß der König von denselben Erwägungen geleitet diese Ent¬
schließung mit seiner souveränen Genehmigung bekleiden werde" und er wahrte
ausdrücklich das Recht -des neuen Königs, sie im EinVerständniß mit der Volks¬
vertretung zu revidiren. Er holte unverzüglich die Befehle des in Modena
weilenden Karl Felix ein, und als diese gegen die neue Ordnung der Dinge
ausfielen, erklärte er sofort, seine Würde niederzulegen, und während er schein¬
bar dem Wunsch der Minister nachgab, vorläufig auf seinem Posten zu bleiben,
setzte er heimlich seine Flucht nach Novara ins Lager der treugcbliebencn
Truppen ins Werk. Dann gehorchte er dem Befehl, den ihm der König am
27. März ertheilte, sich mit seiner Familie nach Toscana zu begeben, wo er
von nun als Verbannter am Hos seines Schwiegervaters lebte. War der Prinz
schon vor der Revolution der östreichischen Partei, als deren Haupt Karl Felix
galt, ein Dorn im Auge, und stand er mit diesem schon seit dem Jahr 1819
persönlich auf einem gespannten Fuß, so hatte nun vollends die Revolution
den tiefsten Argwohn in das Herz des neuen Königs gesenkt; er blieb in Mo¬
den» und, ganz in die Netze des dortigen Herzogs verstrickt, behandelte er den
Prinzen fortwährend mit dem größten Mißtrauen. Es wird am besten sein,
schrieb Karl Felix an Victor Emanuel im Mai 1821, der Prinz bleibt in Flo¬
renz. Er wird dort sehr fetirt, und man thut alles Mögliche, um ihn mit mir
auszusöhnen. Mein Bemühen ist, ihn in Sicherheit zu halten, bis es der
göttlichen Güte gefallen wird an ihm ein Wunder zu thun, das sicherlich das
allergrößte und am schwierigsten zu constatiren sein wird, denn wenn er auch
alle Bußübungen eines Einsiedlers machte und sich bis aufs Blut peinigte, so
könnte ich immer noch Nicht an seine aufrichtige Bekehrung glauben. Ein Jahr
später — Karl Albert hatte sich fortwährend durchaus ruhig verhalten —
schrieb Karl Felix wieder an seinen Bruder: Ich bin der Ansicht Thercsas
(der Gemahlin Victor Emanuels), daß der große Schnurrbart des Prinzen
Carignan ihm vielmehr das Aussehen eines Carbonaro als eines Bekehrten
gebe. Gott mag die Herzen sehen; er mag das Wunder seiner Bekehrung
vollbracht haben, aber er hat nicht in mir das Wunder geschafft, mich davon
überzeugt zu Machen. Unter dem Eindruck dieser Abneigung gegen den
Prinzen faßte Karl Felix den Plan, bei seinem Tod die Regierung in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285587/117>, abgerufen am 22.07.2024.